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Das Filmstudio A24 steht hinter zahlreichen Arthousefilmen, aktuell läuft in den Kinos "The Lighthouse" mit Willem Dafoe und Robert Pattinson.

Foto: Eric Chakeen/A24 Pictures via AP

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Bereits im Mainstream reüssieren konnte der Oscar-Gewinner "Moonlight".

Foto: David Bornfriend/A24 via AP

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Ein Hit an den Kinokassen war auch "Lady Bird".

Foto: Merie Wallace/A24 via AP

Es gibt eine Handvoll Indizien dafür, warum die US-Produktionsfirma A24 gerade als das Wunderkind einer geprüften Branche gilt. Eines davon war der unlängst verlautbarte Deal mit Apples frisch lanciertem Streamingdienst. Details wurden nur wenige bekannt, über Zahlen nobel geschwiegen: Das in New York ansässige Studio soll über mehrere Jahre hinweg exklusiv Filme für den Technologieriesen herstellen. Die Allianz wirkt auch deshalb ideal, weil beide Unternehmen ihren Rang nicht zuletzt über ihr Image sichern. Man bekommt mehr, als man kauft: ein Stück Lifestyle. Man beweist Geschmack.

Die New York Times nannte A24 das Miramax für eine neue Generation. Der Ruf der erst 2012 von Daniel Katz, David Fenkel und John Hodges gegründeten Firma fußt auf einer Serie von Erfolgen mit Arthouse-Filmen von Regisseuren, die künstlerisch und inhaltlich einen eigenständigen Weg gehen, ohne sektiererisch zu sein. Meta-Science-Fiction-Dramen wie Jonathan Glazers Under the Skin oder Yorgos Lanthimos’ The Lobster wurden von A24 verliehen, auch das A.I.-Drama Ex Machina oder Harmony Korines orgiastischer Spring Breakers.

"Moonlight" und "Lady Bird"

Zwei Filme sind bisher allerdings am stärksten mit dem distinguierten Image der Firma verknüpft: Barry Jenkins Coming-of-Age-Film Moonlight, der 2017 als bester Film mit dem Oscar prämiert wurde, sowie Greta Gerwigs Lady Bird, der zum 50-Millionen-Dollar-Hit an den Kinokassen avancierte. Beides Filme, die überdies den Zeitgeist einer "erwachten" Filmindustrie trafen und mit ihrer sensiblen Darstellung von afroamerikanischen bzw. weiblichen Jugendwelten der Idee eines aufgeklärten Kinos entsprechen.

Der Erfolgskurs der übrigens nach einer italienischen Autobahn benannten Firma – Katz hatte hier den Einfall zur Gründung – ist seitdem ungebrochen. Jeder Film wird äußerst gewieft wie ein Unikat in die Welt entlassen. Das A24-Portfolio wächst wie ein Katalog handverlesener Originale, was nicht von ungefähr wie ein Gegenmodell zur Tentpole- und Franchise-Logik der großen Studios wirkt. Auch unter den Filmemachern und Kreativen, die von Film eine andere Vorstellung haben als ein endlos ausbaufähiges Comic- oder SciFi-Universum, wächst der Frust oder gar Unmut über die Monotonie der Branche. Es ist diese Nische, die das A24-Trio erkannt hat und die sie mit einer Art Boutique-Logik zu einem Netzwerk ausbaut, das mittlerweile zwischen Produktion und Vertrieb, zwischen Film, Fernsehen und Streaming changiert.

Keine Angst vor Schwarzweiß

Auch 2019 waren die A24-Filme schnell zu erkennen, etwa Uncut Gems, der neue Film der Brüder Josh und Benny Safdie, für den sie Adam Sandler gewinnen konnten, und Ari Asters Horror-Folk-Tale Midsommar. Oder eben The Lighthouse, der diese Woche im Kino startet und bei der Premiere in Cannes wie kaum ein anderer Film die Massen angezogen hat: So wie Aster verkörpert auch der 36-jährige Regisseur Robert Eggers (The Witch) den neuen Typus eines filmgeschichtlich gewandten Auteurs im erweiterten Horrorfach.

A24

In The Lighthouse reizt der dauerbetrunkene Leuchtturmwärter einer schroffen Insel seinen jüngeren, introvertierten Kollegen bis aufs Blut. Der in Schwarzweiß und im klassischen 4:3-Bildformat gedrehte Film, der mit der Patina literarischer Vorbildern aus dem 19. Jahrhundert spielt, ist auch das Duell zweier Ausnahmeschauspieler. Willem Dafoe und Robert Pattinson prüfen, beflegeln und prügeln sich, nur im Suff herrscht Waffenstillstand. Es bleibt ein wenig unklar, wie viel davon real geschieht – und was sich vielleicht nur in den von der Isolation geschädigten Köpfen der beiden Männer abspielt.

The Lighthouse ist auch ein gutes Beispiel dafür, wie A24 – anders als die Konkurrenz der spezialisierten Filmstudios – nach jüngerem Publikum fischt. Das Marketingbudget wird fast ausschließlich in den digitalen Markt investiert, um maßgeschneiderte Onlinestrategien für den jeweiligen Film zu entwickeln. Jeder Film soll sich beim Rezipienten wie eine Entdeckung anfühlen, die über soziale Medien an Fahrtwind gewinnt. Dass diese Melange aus zielgruppengenauer Datenauswertung und Hipness-Faktor aufgeht, konnte man zuletzt auf dem Filmfestival Toronto erleben, wo Waves, ein A24-Drama um eine schwarze Familie, schnell zu den gefragtesten Titeln gehörte.

Qualität als Modell

"Es fühlte sich wie eine Gelegenheit an, diesen Ort zu schaffen, wo talentierte Leute talentiert sein konnten", wurde Katz im GQ Magazine zitiert. Man liest wenige Aussagen wie diese von den Firmengründern, weil es zur Politik von A24 gehört, sich möglichst wenig öffentlich zu deklarieren. Auch damit legt man Wert auf Abgrenzung zu Studios wie das von Harvey Weinstein, der sein Imperium schon vor seinem Fall wie ein pöbelhafter Patriarch anführte.

Trotz aller Algorithmen-gesteuerter Werkzeuge, mit denen A24 den Erfolg seiner Filme absichert, schicker Limited Editions einzelner Filme für den Privatgebrauch oder einem eigenen Magazin: Am Anfang steht immer die Qualität. Mit gutem Gespür und sicherer Nase setzt man auf Regisseure und Drehbücher, die sich vom Durchschnitt abheben. Vielleicht ist das ja auch ein Modell, dem bald andere folgen. (Dominik Kamalzadeh, 30.11.2019)