Die SPÖ zerlegt sich gerade selbst, die FPÖ zerbröselt – und sonst? War da innenpolitisch noch was? Ach ja, Koalitionsverhandlungen zwischen der ÖVP und den Grünen. Man hört, die Stimmung sei heiter bis wolkig, in einigen Themen stimme man bereits überein, in anderen dagegen liege man "beachtlich weit auseinander" (Oberösterreichs grüner Landesrat Rudi Anschober). Am Montag soll evaluiert werden, ob und wie man weitermacht. Das war’s dann aber auch bisher an Information für die Öffentlichkeit.

Es ist erstaunlich, wie schnell die grünen Verhandler von der türkisen "Schnöseltruppe" (Werner Kogler im Wahlkampf) gelernt haben – zumindest, was das Thema Message-Control angeht. Wer gedacht hatte, Kogler werde Mühe haben, das Orchester der kritischen grünen Stimmen zu dirigieren, stellt überrascht fest: So schwer war das offenbar gar nicht. Allesamt sind sie zahm und wortkarg.

Die Koalitionsverhandlungen zwischen der ÖVP und den Grünen laufen heiter bis wolkig.
Foto: EPA/MICHAEL GRUBER

Nun muss man den Grünen zugestehen, dass die Verhandlungen mit Sebastian Kurz für sie ein heikler Balanceakt sind. Man ist heute an einer Regierungsbeteiligung noch näher dran als Anfang des Jahrtausends mit der ÖVP unter Wolfgang Schüssel. Das will man nicht vergeigen, Politik ist kein Selbstzweck, jeder, der sich politisch betätigt, will gestalten. Das funktioniert in einer Koalition aber nur, wenn man zu Kompromissen bereit ist. Das ist der kritische Punkt: Wo macht man Kompromisse, wo nicht? Welche Pflöcke schlägt man ein, wo sind die roten Linien?

Von Kurz erfuhr man beispielsweise vor Beginn der Verhandlungen lediglich, dass er fest entschlossen sei, seinen bisherigen restriktiven Migrationskurs fortzusetzen, weil er sich seinen Wählern verpflichtet fühle. Von den Grünen war zu hören, dass man sich zu den Menschenrechten bekennt. Dazwischen liegt ein langer Weg. Oder ein breiter Graben, je nach Betrachtungsweise.

Grüne Wähler fragen immer noch ratlos nach, wie sich das denn alles ausgehen soll? Man will wissen, wie viel Spielraum überhaupt möglich ist. Das ist auch gut so. Jede große politische Maßnahme muss von einer Mehrheit der Bürger in einer Demokratie mitgetragen werden. Migration und Klimaschutz zählen da zweifellos dazu. Wer dies ignoriert oder über die eigenen Leute drüberfährt, wird auf Dauer nicht erfolgreich sein. Kurz und Kogler sollten gut überlegen, was sie am Montag der Öffentlichkeit sagen – und was sie weiterhin verschweigen wollen. (Petra Stuiber, 29.11.2019)