Sozialstadtrat Peter Hacker will kein generelles Bettelverbot, aber härteres Vorgehen gegen organisierte Bettelei.

Foto: Andy Urban

Am Wochenende ließ Wiens Sozialstadtrat Peter Hacker (SPÖ) mit der Ankündigung aufhorchen, schärfer gegen organisierte Bettler vorgehen zu wollen. In einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin Profil erklärte er: "Wir wissen, dass es Gegenden in Rumänien gibt, von wo ganze Dörfer auf Betteltour fahren. Das kann ich als Stadtrat nicht akzeptieren." Prompt titelten österreichische Medien mit der Forderung eines Bettelverbots.

Am Sonntag konkretisierte Hacker seine Aussagen im Gespräch mit dem STANDARD: "Ich habe ultimativ und klar dargestellt, dass ein generelles Bettelverbot gegen Menschen gerichtet ist, und davon halte ich nichts." Bettelverbote, wie es sie etwa in Innsbruck gibt, würden nur die Sichtbarkeit von Armut verdrängen, sie aber nicht bekämpfen. Im Gegensatz zu anderen Städten könne Wien Bettler "nicht in die Hauptstadt verdrängen, weil wir diese sind", sagte Hacker. Auch ein Verbot in bestimmten Zonen lehnt der Stadtrat ab.

Kein Zielzustand

Organisiertes Betteln aber, so Hacker, würde "arme Menschen weiter ausnutzen". Es sei "eine Art der Einkommensbeschaffung", aber nicht für die bettelnden Menschen selbst, sondern für jene, "die sie in Bussen nach Wien bringen, ihnen das Geld abknöpfen und sie dann wieder nach Hause bringen". Das sei ein klarer Unterschied zu jenen, die für sich selbst betteln. Gegen diese habe Hacker nichts, "auch wenn das kein Zielzustand für das Sozialsystem ist". Weshalb Hacker sich "mit großer Vehemenz gegen Armutsverschärfungen" wie die Kürzung der Mindestsicherung ausspreche.

Bettelei ist in Wien seit 2010 gesetzlich geregelt. Sie ist zwar nicht prinzipiell verboten, doch laut Landessicherheitsgesetz sind bestimmte Formen untersagt: das aufdringlich, das aggressive, das gewerbsmäßige und das organisierte Betteln sowie das Betteln mit Kindern.

Heuer 889 Anzeigen

Heuer gab es laut Landespolizei Wien bis zum Oktober 889 Anzeigen wegen Bettelei in Wien, darunter 587 wegen gewerbsmäßiger und 243 wegen aufdringlicher Bettelei. Nur 13 Fälle von organisierter Bettelei wurden angezeigt. Aktuell läuft eine Schwerpunktaktion der Wiener Polizei gegen organisiertes Betteln. Im Langzeitvergleich geht die Zahl dieser Anzeigen zurück, noch 2014 waren es insgesamt über 1500, darunter 805 Fälle von aufdring lichem Betteln.

Die FPÖ äußerte sich indes klar für Bettelverbotszonen. Vizebürgermeister Dominik Nepp (FPÖ) verlangte per Aussendung ein Bettelverbot "an Hotspots wie Bahnhöfen, Einkaufsstraßen oder Märkten, um die organisierte Bettelei zurückzudrängen". Er fordert von der rot-grünen Stadtregierung, "endlich gegen die organisierte Bettelei vorzugehen", und bezeichnet Wien als "Magnet für Sozialmigranten".

Die Beantwortung der Frage, wie ein härteres Vorgehen gegen organisiertes Betteln aussehen solle, sei, so Hacker, Aufgabe der Polizei. Das EU-Aufenthaltsrecht sei aber an klare Regeln geknüpft, betonte Hacker, auf die Einhaltung der Spielregeln zu achten sei die Aufgabe des Innenministeriums.

Birgit Hebein (Grüne) gab sich auf STANDARD-Anfrage am Sonntag "irritiert" über die Aussagen Hackers: "In wenigen Tagen, am 10. Dezember findet der 5. Jubiläumstag 'Wien – Stadt der Menschenrechte' statt. Wien darf niemanden zurücklassen. Armut zu bekämpfen ist eine soziale und keine polizeiliche Aufgabe", sagte die Wiener Vizebürgermeisterin. (Oona Kroisleitner, Gabriele Scherndl, 1.12.2019)