In einer Gesellschaft wie der unseren, in der Bildung vererbt wird, hängt der schulische Erfolg fast ausschließlich von guten Lehrerinnen ab.

Foto: Christian Fischer/derstandard

Unser erstes Kind wird im nächsten Schuljahr eingeschult. Wir waren in den vergangenen Wochen in zwei öffentlichen Volksschulen beim Tag der offenen Tür, eine davon wird es werden. Hoffentlich die Ganztagsschule, denn ich bin von diesem Konzept zutiefst überzeugt. So weit, so einfach – zumindest bisher.

Wenn man sich nach mehr als 20 Jahren wieder mit der Schule und dem Schulsystem auseinandersetzen muss, dann kommt einer unweigerlich die eigene Schulzeit in den Sinn. Die ersten sechseinhalb Schuljahre habe ich im damaligen Jugoslawien verbracht, in einem System, das dem österreichischen nur bedingt ähnelte. Das siebte Schuljahr habe ich nie zu Ende gebracht. Im achten landete ich in einer Hauptschule in Währing. Schlicht und einfach, weil es hier Platz gab und meine Eltern Gastarbeiterfreunde hatten, deren Kinder auch diese Schule besuchten.

Engagierten Lehrerinnen sei Dank

An dieser Hauptschule war ich eine von einem Dutzend Pubertierender, die kein Wort Deutsch sprachen. Eine junge, engagierte Lehrerin zog sich mit uns stundenweise in einen winzigen Raum zurück und brachte uns die Grundlagen der deutschen Sprache bei. Ihrem Engagement verdankte ich schnelle Fortschritte. So erging es auch meinen Schwestern, die von einer jungen Berufsanfängerin in einer Volksschule zusätzliche Deutschstunden bekamen. Irgendwann gegen Ende des Schuljahres erzähle mir die Mathematiklehrerin, dass ich eine Aufnahmeprüfung für ein Oberstufengymnasium machen könnte und sollte.

Dank dieser drei (und einiger anderer) Lehrerinnen schafften meine Schwestern und ich als Erste in unserer Familie die Matura. Wir hatten die denkbar schlechtesten Voraussetzungen: Arbeitereltern mit Pflichtschulabschluss, keinerlei Deutschkenntnisse und keine Unterstützung aus der Familie außer Wohlwollen. Aber wir hatten das Glück, von Frauen – Lehrer sind ja in der Minderheit – unterrichtet zu werden, die engagiert, vorurteilsfrei und empathisch waren. Solches Lehrpersonal wünsche ich mir für alle Kinder in Wien und eigentlich überall auf der Welt.

Alleingelassen

In einer Gesellschaft wie der unseren, in der Bildung vererbt wird, hängt der schulische Erfolg fast ausschließlich von guten Lehrerinnen ab. Diese Frauen und Männer stehen an vielen Schulen vor großen Herausforderungen und werden oft alleingelassen. In ihrer Ausbildung erfahren sie kaum etwas über den Umgang mit Kindern aus Migrantenfamilien, die womöglich auch noch wenig Deutsch sprechen. Ihnen werden Konzepte aufgezwungen, die sie in der Praxis oft nicht umsetzten können, Stichwort: Deutschklassen. Schulpsychologen fehlen – und ebenso kompetente Lehrer, die die Muttersprachen der Schüler beherrschen oder zumindest eine Ahnung von der Lebenswelt der Kinder haben.

Um meine Kinder mache ich mir wenig Sorgen. Im Unterschied zu mir haben sie die besten Startbedingungen. Und das wünsche ich mir für ihre zukünftigen Schulkameraden auch. Ich wünsche ihnen ein Schulsystem, das nicht nur ihre Defizite wahrnimmt und diese Kinder als "Integrationsproblem" behandelt. Ich wünsche ihnen engagierte Lehrerinnen, unbeugsame Expertinnen und Bildungspolitiker, die über die nächste Legislaturperiode hinaus denken. Ich wünsche diesen Kindern eine schulische Umgebung, die sie in diesem Land willkommen heißt. Denn die Schule ist der erste und zunächst oft der einzige Ort, der sie mit der Mehrheitsgesellschaft bekannt macht. Hier sollten wir uns von unserer besten Seite zeigen. (Olivera Stajić, 2.12.2019)