Folgend auf den Black Friday locken auch diese Woche noch zahlreiche Händler mit vorweihnachtlichen Rabatten. Auch Amazon feiert groß den "Cybermonday" und wirbt mit allerlei Preisnachlässen.

Vor den Festtagen herrscht in den Logistikzentren des Unternehmens Hochbetrieb. Kunden schätzen Amazon für seine große Auswahl, oft kompetitive Preise und flotte Zustellung. Doch die Mitarbeiter in den Verteilzentren haben mitunter ein ganz anderes Bild der Firma. Immer wieder gibt es Berichte über problematische Arbeitsbedingungen. Hier reiht sich nun auch Maureen Donnelly ein, die einen Monat lang in einem Amazon-Lager in Staten Island gearbeitet hatte, ehe sie kündigte. Gegenüber der New York Post erklärt sie, warum.

Sie scheue sich nicht vor harter Arbeit, beteuert die Frau gegenüber dem Medium. Denn sie habe schon als Kellnerin, in einem Notfallteam und auf einer irischen Milchfarm gearbeitet. Überall dort habe sie sich wie ein Teil eines Teams gefühlt. Nicht so bei Amazon.

Bild nicht mehr verfügbar.

Das Verteilzentrum von Amazon in Staten Island, New York erstreckt sich über eine Fläche von rund 18 Footballfeldern.
Foto: AP

Enthusiastischer Start

Dabei sei der Anfang noch vielversprechend gewesen. Sie habe zuerst einen Onlinetest bestanden und dann zu einem Orientierungstag gegangen. Dort habe eine sehr enthusiastische Frau erzählt, dass Amazon das "beste" Unternehmen sei und von den ganzen Vorteilen für Mitarbeiter geschwärmt: Ein Stundenlohn von 16 Dollar, eine Viertagewoche, Unternehmensbeteiligungen für Mitarbeiter, Ermäßigungen, wenig verpflichtende Überstunden. Donnelly ließ sich anschließend für Nachtschichten einteilen, die jeweils von Sonntag bis Mittwoch von fünf Uhr nachmittags bis 4:45 Uhr morgens dauerten.

Ihr Standort war das Verteilzentrum JFK8 in Staten Island, benannt nach dem nähesten Flughafen, dem John F. Kennedy Airport. Am ersten Tag wiederholten die Manager vor Ort gegenüber den Neulingen das Lied: Amazon sei "der beste Arbeitgeber." Rückblickend sei das Verhalten "sektenhaft" gewesen, sagt Donnelly.

Probleme bei Klopausen

Für die Mitarbeiter galten zahlreiche Verbote. Kein Essen, keine Getränke in der Halle, abgesehen von Flaschen mit Wasser. Auch Handys waren strikt verboten. Eine alleinerziehende Mutter konnte aus diesem Grund keine Notfallnummer in der Schule an Babysitter und Schule weitergeben. Nach dem Check-in und der Abgabe persönlicher Gegenstände gab es ein zehnminütiges Körperkrafttraining, ehe sie ihre Arbeit als Verstauerin begann. Sie war dafür zuständig, einkommende Produkte in Regalen zu platzieren.

Bild nicht mehr verfügbar.

Ein Förderband in Amazons Verteilzentrum in Staten Island.
Foto: AP

Die Arbeit war monoton und anstrengend. Die Schichtleiter erinnerten beständig daran, ja genug Wasser zu trinken. Das führe allerdings zu mehr Klopausen. Für diese musste man sich nicht nur extra abmelden, sondern man konnte auch Probleme bekommen, wenn man zu oft das WC aufsuchte. Oft würden Mitarbeiter daher versuchen, ihren Klogang bis zu einer der Pausen hinaus zu zögern.

Ihr standen zwei 15-minütige Auszeiten sowie eine 30-minütige, unbezahlte Pause für Essen zu. Als sie einmal dem Drängen ihrer Blase nachgeben musste und fünf Minuten früher aufs Klo ging, sei ihr das von einer Pause abgezogen worden. Die Essenspause war kaum sinnvoll nutzbar, denn aufgrund der Größe des Verzeilzentrums dauerte allein ihr Weg von der Station zur Kantine 15 Minuten.

Unerreichbare Vorgaben

Obwohl die Arbeit körperlich fordernd war, gab es auch keine Sitzgelegenheiten in der Halle, sondern nur in den recht entfernt liegenden Kloräumlichkeiten. In der Halle sei es weiters sehr heiß gewesen. Bitten der Mitarbeiter nach einer Installation von Ventilatoren wurden jedoch abgewiesen mit der Begründung, dass dies die für die Roboter optimalen Umgebungstemperaturen beeinflussen könnte. Wer außerdem den abgegrenzten Arbeitsbereich der Maschinen betrat, riskierte eine sofortige Kündigung.

Für die Regalbetreuer gab es auch ein "Soll", das sie erfüllen sollten. Laut der Ex-Mitarbeiterin lag dieses bei 12 Gegenständen pro Minute, was ihrer Ansicht nach körperlich unmöglich zu schaffen sei. Trotzdem werde man ständig von einem Computer daran erinnert, wenn man unterhalb der Quote lag. Welche Strafe auf die Unterschreitung steht, vermag sie nicht zu sagen, da sie kündigte, bevor sich diese Frage stellte. Sie verweist auf einen Artikel von The Verge, in dem auch über automatische Warnungen und daraus resultierende Kündigungen berichtet wird.

Psychische und physische Belastung

Da sie knapp 12 Stunden in ihrer Arbeit verbrachte und kaum fünf Minuten Zeit hatte, mit irgendwem zu reden, nahm sie die Arbeit psychisch mit. Auch körperlich spürte sie die Last. Sie berichtet über konstante Schmerzen in Knien, Rücken und Schultern sowie Hüftprobleme und stark geschwollene Fußknöchel.

Schon nach zwei Wochen wollte sie gehen, zwang sich aber länger zu bleiben, um ihren Vater nicht zu enttäuschen. Als ihr nach einem Monat mitgeteilt wurde, dass sie aufgrund der nahenden Feiertage mehr Überstunden machen müsse, warf sie allerdings das Handtuch.

"Miesester Job meines Lebens"

Zusammenfassend sei es "der mieseste Job meines Lebens" gewesen, sagt Donnelly abschließend. Niemand bei Amazon sei auch nur "ansatzweise so glücklich" gewesen, wie es die Werbevideos der Recruiting-Abteilung vermittelten. "Die Leute denken, dass ihre Amazon-Sendungen wie von selbst vor ihrer Tür landen. Aber dahinter stecken viele Tränen und Schweiß."

Ende November sah sich Amazon am Standort in Staten Island mit Protesten konfrontiert. Mehr als 100 Mitarbeiter demonstrierten gemeinsam mit Unterstützer demonstrierten gegen ihre Arbeitsbedingungen. Laut einer Untersuchung kam es zudem in diesen Verteilzentrum drei Mal häufiger zu arbeitsbedingten Verletzungen, als im US-weiten Schnitt für vergleichbare Tätigkeiten.

Stellungnahme Amazon

Auf Anfrage des STANDARD hinsichtlich der Vorwürfe der ehemaligen Mitarbeiterin reagiert der Konzern mit einem Dementi. "Für alle, die im Bereich der Lieferkette und Logistik arbeiten wollen, ist Amazon einer der besten Arbeitgeber", heißt es in der Antwort. "Wir behandeln Mitarbeiter mit Respekt."

Man betont, "umfassende Zusatzleistungen, großartige Karrieremöglichkeiten und einen sicheren, modernen Arbeitsplatz" zu bieten und verweist auf Logistikzentrums-Führungen, die einen Einblick in die tägliche Arbeit bieten sollen. (gpi, 02.12.2019)