Frauen, die die Pille im Langzeitzyklus einnehmen, haben keine Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit zu fürchten, generelle Empfehlung gibt es aber trotzdem nicht.

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In Großbritannien wird die durchgehende Einnahme der Pille seit Anfang des Jahres offiziell empfohlen. In den neuen britischen Leitlinien heißt es, die Pillenpause biete keinen gesundheitlichen Nutzen und die durchgehende Einnahme sei sicherer. In Deutschland und Österreich existiert bislang keine offizielle Empfehlung. Dennoch gibt es auch hier schon viele Frauen, die die Pille in dieser Form nehmen.

"Grundsätzlich meint Langzyklus die pausenfreie Einnahme einer Kombinationspille länger als drei Wochen", sagt Inge Reckel-Botzem, niedergelassene Frauenärztin in Hainburg. Kombipillen enthalten die beiden Hormone Östrogen und Gestagen und werden normalerweise im Schema 21+7 eingenommen: 21 Tage lang schlucken Frauen täglich eine Pille, wodurch die Entwicklung des Eies und der Eisprung verhindert werden. Danach unterbrechen sie die Einnahme für sieben Tage. In dieser Pause kommt es zur Entzugsblutung, weil der Körper keine Hormone bekommt.

Hormone steuern

In Österreich verhüten insgesamt 38 Prozent der Frauen mit der Pille, bei den unter 30-Jährigen sind es 53 Prozent. Damit ist die Pille die häufigste Verhütungsmethode. Richtig eingenommen, gilt sie als sehr sicher. Doch ausgerechnet die Pillenpause ist ihre größte Schwachstelle: Während der hormonfreien Pause steigt das sogenannte follikelstimulierende Hormon an. Dies kann zur Entwicklung eines Eibläschens (Follikel) führen, das sich auch noch in der ersten Woche des neuen Pillenzyklus weiterentwickelt. "Ein Einnahmefehler in der ersten Woche kann somit zu einer unerwünschten Schwangerschaft führen", sagt Christian Thaler, Leiter des Hormon- und Kinderwunschzentrums am Klinikum der Uni München.

Laut einer 2017 veröffentlichten Studie kommt es bei der Hälfte aller Frauen zu Einnahmefehlern während eines Beobachtungszeitraums von drei Monaten. Weswegen versucht wird, die Schwachstelle weniger fehleranfällig zu machen. Eine Möglichkeit ist die Verkürzung der Pillenpause auf vier Tage. Oder der Langzyklus. Er geht noch einen Schritt weiter: Hier wird für mehrere Wochen oder Monate ganz auf die Pause verzichtet. Somit kommt es nicht zum Abfall des Hormonspiegels, und das Risiko, dass Eibläschen heranreifen, verringert sich weiter, was die Verhütungssicherheit wiederum erhöht. Für viele Frauen ist das Ausbleiben der Entzugsblutung angenehm. Manche nutzen diese Möglichkeit nur hin und wieder, um die Blutung zum Beispiel nicht im Urlaub zu bekommen.

"Der Langzyklus kommt vor allem für Frauen infrage, die ihre Periode als Qual empfinden", sagt Doris Maria Gruber, Frauenärztin an der Med-Uni Wien. Wenn sie etwa unter zyklusabhängigen Beschwerden wie Migräne, Endometriose, heftigen und schmerzhaften Blutungen oder dem prämenstruellen Syndrom leiden.

Blutung nicht notwendig

Grundsätzlich kann aber jede Frau, die die Pille verträgt, sie auch durchgehend nehmen, denn medizinisch notwendig sind eine Pillenpause und die Entzugsblutung nicht. "Jede Pillenanwenderin kann sich individuell für einen Langzyklus entscheiden", sagt Reckel-Botzem, "empfohlen werden bisher bis zu sechs Blister einer Kombinationspille, also bis zu 121 Tage hindurch einzunehmen, und anschließend eine Woche Pause."

Internationale Untersuchungen zeigen, dass die Mehrheit der Frauen aller Altersgruppen weniger Menstruationen bevorzugt oder ganz auf die Blutungen verzichten würde. "Es gibt aber auch Frauen, die das nicht wollen, weil die Menstruation ein Bestandteil ihrer Weiblichkeit ist", so Thaler. Betrachtet man die Geschichte, haben Frauen noch nie so häufig menstruiert wie in der heutigen Zeit. In früheren Jahrhunderten waren sie öfter schwanger und stillten ihre Kinder länger, sodass sie durchschnittlich zwischen 50 und 160 Menstruationsblutungen hatten. In den Industrieländern erlebt eine Frau heute durchschnittlich 450 Monatsblutungen.

Ausdrücklich für den Langzyklus zugelassen wurde ein Pillenpräparat erstmalig 2003 in den USA. In Österreich gibt es das Präparat Seasonique. Die anderen verfügbaren Pillen sind offiziell nicht für den Langzyklus zugelassen. "Manche Ärzte verschreiben sie dennoch als sogenannten Off-Label-Use, also nicht Standardgemäße Verabreichung. Hier hat der Arzt eine erhöhte Verantwortung, da nicht der Hersteller für mögliche Nebenwirkungen belangt werden kann", so Thaler.

Fruchtbarkeit unbeeinträchtigt

Wer die Pille durchgehend nimmt, kann im ersten Jahr mit Schmierblutungen zu kämpfen haben, die sich mit der Zeit legen. "Danach beeinträchtigt die Pille – welches Präparat auch immer – die Fruchtbarkeit der Frau nicht", sagt Reckel-Botzem. "Nach langjähriger Pillenanwendung wird die Fruchtbarkeit überwiegend vom Alter der Frau bestimmt. Es dauert manchmal, bis der eigene Zyklus wieder abläuft und die körpereigene Fruchtbarkeit eintritt."

Die Risiken beim Langzyklus sind vergleichbar mit denen der zyklischen Einnahme – vor allem das Thromboserisiko ist leicht erhöht. "Frauen, die die Pille durchgehend nehmen, haben aber wegen der fehlenden Pausen eine leicht erhöhte Hormonlast", so Thaler, "und die Datenlage zur zyklischen Einnahme, die seit fast 60 Jahren erforscht wird, ist höher als die zum Langzyklus."

Gruber spricht sich gegen eine generelle Empfehlung aus: "Es braucht eine handfeste, individuelle Indikation. Vor allem junge Frauen sollten nicht sofort zyklusfrei gestellt werden und die Gelegenheit haben, ihren natürlichen Zyklus kennenzulernen." Die Leitlinie Empfängnisverhütung wird in Deutschland gerade überarbeitet, auch in Österreich ist das geplant. Experten erwarten, dass der Langzyklus künftig gleichberechtigt neben den anderen Einnahmemodi empfohlen wird. (Juliette Irmer, 4.12.2019)