Keine Therapeutin: Annegret Kramp-Karrenbauer.

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Nach dem nächsten Wochenende wissen wir mehr – das ist im Moment jener Satz, der in Berlin häufig bemüht wird. Ab Freitag treffen sich die Sozialdemokraten ja drei Tage lang in Berlin zum Parteitag, und dort sollen wichtige Weichen gestellt werden. Formal steht natürlich die Wahl des neuen Führungsduos Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans an. Die beiden sind keine Fans der großen Koalition, und so wird der Leitantrag des Parteitags mit Spannung erwartet.

Abzusehen ist, dass die Delegierten ein paar Hürden für die Fortsetzung der großen Koalition aussprechen – etwa mehr Mindestlohn oder mehr Investitionen in das Straßen- und Schienennetz.

"Wir sind keine Therapieeinrichtung"

"Es geht übrigens auch nicht ums Neuverhandeln, das ist vielleicht auch das Missverständnis, den Begriff haben wir nicht verwendet", sagt Esken. Sie will lieber von einem "Update" des Koalitionsvertrags reden. Was wie begriffliche Haarspalterei klingt, hat folgenden Hintergrund: Die Union lehnt eine Neuverhandlung des Koalitionsvertrags mit der neuen SPD-Führung strikt ab.

CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer (AKK) wurde dabei recht deutlich und erklärte: "Wir sind keine Therapieeinrichtung für die jeweiligen Koalitionsregierungsparteien." Schließlich hätten, seit der Koalitionsvertrag unterschrieben wurde, auch die CSU (von Horst Seehofer zu Markus Söder) und die CDU (von Angela Merkel zu AKK) ihre Führung gewechselt; niemand habe danach neue Verhandlungen verlangt.

Da noch nicht klar ist, wie tragfähig die Basis zwischen Union und SPD sein wird, spielt man in den Parteizentralen aber schon einmal alle möglichen Varianten durch, wie es nach einem "Groxit", einem Ende der großen Koalition also, weitergehen könnte.

Jamaika oder Minderheit

Natürlich ist von Neuwahlen die Rede. Aber angesichts der Verluste, die die Union bei den vergangenen Landtagswahlen erlitten hat, ist die Bereitschaft dazu wenig ausgeprägt. Zudem gilt auch der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der den Bundestag auflösen müsste, als Gegner. Er war es, der nach dem Scheitern von Jamaika (Union, Grüne, FDP) die SPD in die Bundesregierung gedrängt hat.

Sollten die SPD-Ministerinnen und Minister das Kabinett verlassen, dann könnte Merkel es zunächst mit einer Minderheitsregierung versuchen. Zugute käme ihr, dass der Haushalt gerade vom Bundestag beschlossen wurde.

Merkel hätte aber auch die Möglichkeit, einen neuen Jamaika-Versuch zu starten. Allerdings könnte diesmal nicht die FDP der Wackelkandidat sein, sondern es könnten die Grünen sein. Sie liegen in Umfragen so gut, dass sie wohl auf Neuwahlen pochen würden. (Birgit Baumann aus Berlin, 2.12.2019)