New York hat mit 1,1 Millionen Schülern und mehr als 1.800 Schulen das größte öffentliche Schulsystem der USA. Es ist außerdem sehr vielfältig, was mit enormen Herausforderungen verbunden ist. Kinder aus den unterschiedlichsten Familien, sozialen Schichten und mit diverser Herkunft besuchen die Grundschulen, Middle-Schools und High-Schools in den fünf Stadtteilen. Das Department of Education bietet beispielsweise Dokumente in elf verschiedenen Sprachen an, darunter Arabisch, Bengali, Chinesisch, Englisch, Französisch, Haitianisch, Kreolisch, Koreanisch, Russisch, Spanisch und Urdu – ein Spiegel der New Yorker Gesellschaft. Fast 73 Prozent der Schüler kommen aus wirtschaftlich benachteiligten Familien, wobei 114.000 Schüler nicht einmal ein festes Zuhause haben und in Notunterkünften oder temporär bei Familienmitgliedern untergebracht sind. 

Der Großteil der städtischen Schüler ist hispanischer Abstammung, gefolgt von afroamerikanischen oder schwarzen Schülern. Asiatische und weiße Kinder stellen die Minderheit in den New Yorker Schulen dar.

Offizielle Zahlen des New Yorker Department of Education.
Foto: Stella Schuhmacher

Segregation beginnt in der Grundschule

Das New Yorker Schulsystem ist nicht nur groß und vielfältig, sondern auch eines der meist segregierten des gesamten Landes. Schulen, die fast ausschließlich von Kindern aus weißen Mittelklassefamilien besucht werden, liegen in unmittelbarer Nähe von Schulen mit 95 Prozent afroamerikanischer und hispanischer Schülerschaft. Manche Schulgebäude beherbergen sogar unter demselben Dach verschiedene Schultypen mit durch Herkunft und Einkommensschicht getrennten Schülern. Differenzen was Schulausstattung oder Notendurchschnitt betrifft, klaffen auf engstem Raum weit auseinander. Aktive "Parent Associations" in den wohlhabenden Schulen veranstalten regelmäßige Fund-Raisers und unterstützen so massiv die Schulen ihrer Kinder, finanzieren Büchereien, Zusatzprogramme und Ausstattung der Klassenzimmer. In den wirtschaftlich benachteiligten Schulen fehlt häufig das absolute Minimum.

Die Segregation beginnt bereits von klein auf. Der Einzugsbereich für die meisten Grundschulen ist grundsätzlich an den Wohnort geknüpft. Die Grundschulen, die in den guten Wohngegenden liegen, werden von Kindern der Mittelschicht besucht, deren Familien sich die Wohnpreise dort leisten können. Den "Public Housing"-Anlagen für einkommensschwache New Yorker, die manchmal direkt neben Wohngebäuden mit teuren Wohnungen liegen, sind häufig separate Grundschulen zugeteilt, in denen die ärmeren Kinder vom Rest der Nachbarschaft getrennt sind. In Stadtteilen wie Bronx oder Queens, die eine hohe Konzentration einkommensschwacher Familien mit Migrationshintergrund oder afroamerikanischer Bevölkerung aufweisen, reflektieren die Grundschulen die demographische Realität der Gegend. Diese geografische Segregation wird zusätzlich noch von den sogenannten "Talented and Gifted Programs" verschärft, die hauptsächlich von weißen oder asiatischen Kindern in Anspruch genommen werden.

Demonstranten.
Foto: Stella Schuhmacher

Diskussion über Aufnahmetest für Middle und High-Schools

Die Segregation im Middle- und High-School-Bereich ist auf die Berücksichtigung von Zeugnisnoten, das Abschneiden bei standardisierten Tests und separate Prüfungen für die Aufnahme in manche Schulen zurückzuführen. Bei den jährlich stattfindenden standardisierten Tests, die vor allem Englischkenntnisse und Mathematikwissen überprüfen, schneiden Kinder aus den guten Schulen meist besser ab. Auch bereiten sich viele Schüler lange auf die schwierigen Aufnahmetests für die besten High-Schools vor, oft mit der kostspieligen Unterstützung von Nachhilfelehrern. Unter den 830 Middle- und High-Schools der Stadt wählen 190 sogenannte "screened schools" Kandidaten nach den oben erwähnten Kriterien aus, was dazu führt, dass die Schüler dort hauptsächlich weiß oder asiatischer Herkunft sind. 

In den acht öffentlichen Elite-High-Schools in New York, deren Einzugsbereich eigentlich das gesamte Stadtgebiet umfasst, haben die Aufnahmezahlen für schwarze und hispanische Schüler einen historischen Tiefpunkt erreicht. In die renommierte Stuyvesant High-School wurden beispielsweise für dieses Schuljahr nur sieben schwarze Schüler aufgenommen, von insgesamt 895. Dies hat zu einem öffentlichen Aufschrei geführt und die Problematik wurde dadurch ins Rampenlicht gerückt. Es wird nun darüber diskutiert, ob in einem öffentlichen Schulsystem die bisher verwendeten Aufnahmeverfahren und -kriterien überhaupt zulässig sind, da sie eindeutig einen kleinen Prozentsatz der Schüler bevorzugen. Die Frage ist, was die Alternative ist.

Schülerstreiks.
Foto: Stella Schuhmacher

"Educate – not segregate" – es wird demonstriert 

Der New Yorker Bürgermeister Bill de Blasio und sein School Chancellor, Richard Carranza, haben es sich zum Ziel gesetzt, der Segregation ein Ende zu bereiten, sehen sich aber mit starkem Widerstand konfrontiert. De Blasios Vorschlag, die Aufnahmetests für die Specialized-High-Schools abzuschaffen, traf vor allem bei asiatischen Eltern auf so großen Widerstand, dass er seither auf Eis liegt. Und der School Chancellor sagte in einem Gespräch mit der "New York Times": "If I integrated the system, the next thing I’m going to do is I’m going to walk on water." – "Falls es mir gelänge, das System zu integrieren, kann ich wohl bald auf Wasser gehen."

Schüler haben vor kurzem begonnen, durch Demonstrationen auf die Situation aufmerksam zu machen. "Teens Take Charge", eine von Jugendlichen angeführte Bewegung, die sich für Chancengleichheit im Erziehungssystem einsetzt, organisiert regelmäßige Streiks in der Stadt. Einer der Demonstranten formuliert die Problematik folgendermaßen: "As the son of two poor immigrants, neither of whom are fluent in English, I already had obstacles in my path, but by that point, I knew that my educational environment had become one, too." – "Als der Sohn armer Einwanderer, die kaum Englisch können, liegen einige Hindernisse auf meinem Weg. Dann wurde mir klar, dass meine Ausbildungsmöglichkeiten ebenfalls ein Hindernis sind."

Die besten Middle-Schools in einigen der segregiertesten New Yorker Schulbezirke haben letztes Jahr damit begonnen, 25 Prozent der Schulplätze für Kinder zu reservieren, die bei den standardisierten Tests schlecht abschneiden und gleichzeitig aus wirtschaftlich benachteiligten Haushalten stammen. Die übrigen 75 Prozent werden weiterhin durch rigorose und kompetitive Auswahlverfahren ausgesucht. Wie und ob dieser Integrationsversuch funktioniert, wird man erst in den nächsten Jahren herausfinden.

Streikaufruf von Teens Take Charge.
Screenshot: Teens Take Charge

Privatschulen - "Independent Schools"

Neben dem riesigen öffentlichen Schulsystem gibt es in New York eine beträchtliche Anzahl von Privatschulen, darunter einige der besten Schulen der Vereinigten Staaten. Die New Yorker Eliten schicken ihre Kinder vom Kleinkindalter an in diese Schulen mit dem langfristigen Ziel, einen College-Platz an einer der Top-Universitäten zu ergattern. Die jährlichen Kosten für einen Schulplatz in einer Privatschule betragen ungefähr 50.000 US Dollar, wobei einige Schulen finanzielle Unterstützung für einkommensschwache qualifizierte Kandidaten anbieten. (Stella Schuhmacher, 15.12.2019)

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