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Die Conch-Schnecke steht in Belize nur einige Monate auf dem Speiseplan. Das restliche Jahr über muss man mit Langusten vorliebnehmen.

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Oberhalb des karibischen Meeresspiegels haben die Pelikane das Sagen.

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Unterhalb teilen Schildkröten das zweitgrößte Riff der Welt mit vielen anderen Meeresbewohnern. Und dazwischen staunen die Schnorchler.

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Eine Minute ist eine lange Zeit: Man kann eine Bluse bügeln, 15 Liegestütze machen, mit der U1 eine Station von Schwedenplatz bis Stephansplatz fahren oder wie Roberto mit einem Atemzug in zehn Meter Tiefe abtauchen und vom Meeresboden eine oder zwei Conch klauben. Eben noch hatte sich die Schnecke auf der Suche nach Futter mit ihrem Verschlussdeckel, den sie wie einen Fuß einsetzen kann, über eine Seegraswiese gezogen, schon schaukelt sie in einem Einbaum auf dem Meer. Bis zu 70 dieser Tiere sammelt Roberto, der ohne Gerät bis zu 30 Meter tief taucht, an einem Tag ein.

In Belize wird das Jahr nicht nur in Regen- und Trockenzeit, sondern auch in Conch- und Lobster-Saison eingeteilt. Das kleine mittelamerikanische Land mit seiner 386 Kilometer langen Küstenlinie war bis in die 1970er -Jahre der größte Conch-Exporteur der Welt – mittlerweile ist es Indien. Die Bedeutung, die die Große Fechterschnecke (Strombus gigas) für Belize hatte, lässt sich auch daran erkennen, dass die spanischen Besatzer eine der wichtigsten Maya-Tempelanlagen im Landesinneren Caracol getauft haben – das ist das spanische Wort für Schnecke.

Geld- oder Gefängnisstrafe

Durch Überfischung gingen die Bestände jedoch drastisch zurück. Die Regierung war gezwungen, strenge Regeln einzuführen. So ist den Fischern, sprich: den Tauchern, die Verwendung von Pressluftflaschen verboten, die Gehäuse der Schnecken müssen länger als 17 Zentimeter und ihr Filet schwerer als 85 Gramm sein. Außerdem dürfen Conch nur während der Saison von 1. Oktober bis 30. Juni gefangen werden. Während dieser Zeit tauchen auf den Speisekarten der Küstenregionen überall Conch-Fritters, Conch-Chowder, Conch-Ceviche, Conch-Nachos und Conch-Burritos auf. Wer außerhalb der Saison mit diesen Delikatessen erwischt wird, dem droht eine Geld- oder sogar eine Gefängnisstrafe.

Die Fischindustrie trägt mit ihren Hauptprodukten Conch und Spiny Lobster, bei dem es sich streng genommen nicht um Hummer, sondern Langusten handelt, noch immer drei Prozent zum Bruttoinlandsprodukt von Belize bei und beschäftigt rund 2.700 hauptberufliche Fischer. Für Roberto ist das Muscheltauchen aber nicht einfach nur ein Job: "Das ist mein Leben, so halte ich mich fit. Ich würde nie etwas anderes machen wollen." Nähert sich die Sonne dem Horizont, beginnt für Roberto die wirklich harte Arbeit. Im knöcheltiefen Wasser vor Ranguana, einer nicht einmal einen Hektar großen Privatinsel im Süden von Belize, zerteilt der geborene Guatemalteke seinen Fang.

Mit einem spitzen, hammerähnlichen Werkzeug bohrt er ein Loch in den oberen Teil der Spindel und durchtrennt so den Muskel. Mit einem scharfen Messer werden der Schnecke, die älter als 30 Jahre werden kann, bei lebendigem Leib Kopf, Kiemendeckel, Stielaugen, Rüssel, Eingeweide und Mantel abgetrennt. Zuletzt wird die Haut abgezogen, bis nur noch ein Stück weißes Fleisch – das Filet – überbleibt. Die Schalen werden an Land oder im Flachwasser entsorgt, wo sie oft eindrucksvolle Berge bilden. Die Schalen im tieferen Wasser loszuwerden ist verpönt, da die Tiere all jene Stellen, an denen sie auf die Überreste ihrer Artgenossen stoßen, meiden.

Gedanken in der Hängematte

Die Gäste auf Caye Ranguana bekommen von der grausam anmutenden Filettierungsaktion nicht viel mit. Sie paddeln mit Kanus oder auf SUP-Boards um die Insel, lassen in einer Hängematte ihre Gedanken baumeln, spielen Volleyball im feinen Sand, strecken sich auf einer Sonnenliege aus und beobachten die Pelikane bei ihren spektakulären Flug manövern oder – wenn sie zur richtigen Zeit vor Ort sind – Schildkrötenjunge bei ihren ersten Schritten.

Die vorgelagerte Sandzunge ist bei Fliegenfischern beliebt, die hier auf Jagd nach Grätenfischen gehen. Und das Flachwasser im Osten der Insel lockt viele Schnorchler, die hier den Lebensraum der Conch erforschen und dabei Barrakudas, Stech- und Adlerrochen, Ammenhaien, Delfinen und Schildkröten begegnen. Rund um die verstreuten Korallenblöcke gibt es jede Menge bunter Rifffische zu bewundern. Auch das Belize-Barrier-Riff, das zweitgrößte der Welt und ein Highlight für Gerätetaucher, kann man von Ranguana in wenigen Bootsminuten erreichen. Und zum berühmten Gladden Spit, wo sich zu Vollmond die Walhaie versammeln, werden von den in Placencia stationierten Tauchbasen viele Ausflüge angeboten.

Essen unter Palmwedeln

Während die Touristen hungrig in Bully’s Beach Bar auf ihr Abendessen warten, heißt es für Roberto, wieder zu seinem Mutterschiff zurückzupaddeln. Die Naneska, ein rund sieben Meter langes, traditionelles Holzsegelboot mit Gaffelrigg, hat vor Ranguana ihren Anker geworfen. An Deck stapeln sich die Einbäume, die Flossen hängen an den Wanten. Platz ist knapp auf der Naneska, die für eine Woche sechs Fischer beherbergt. In ihrem Bauch, einer mit Eis gefüllten Bilge, lagert die kostbare Fracht, die in der Fischereikooperative in Placencia gelöscht wird. Geschlafen wird meist an Deck, wobei die Fischer besonders bei Sturm aufpassen müssen, dass sie im Schlaf nicht ins Wasser kullern. "Bei besonders hohem Wellengang fragen wir nach, ob wir nicht irgendwo auf der Insel übernachten dürfen", verrät Roberto seine Schlechtwetterstrategie.

Doch diese Nacht ist ruhig, die Sterne blitzen vom Himmel, und Fledermäuse ziehen ihre Runden. Zum Abendessen bekommen die Gäste unter einem mit Palmwedeln gedeckten Dach das Ergebnis von Robertos Tagwerk serviert. Für fünf große Conch-Filets, insgesamt fast ein Kilogramm reinstes Muschelfleisch, haben sie dem Fischer 15 US-Dollar bezahlt. Die Resort-Mitarbeiter verwandelten das rohe Fleisch mit Limettensaft, Salz, Chilis, Kräutern, Tomaten, Karotten und Gurken in ein köstliches Ceviche – gut für die Conch, dass bald wieder ihre Schonzeit beginnt. (Verena Diethelm, 6.12.2019)