Junge Unternehmer auf einer Messe in Abidjan, der Hauptstadt der Elfenbeinküste, zeigen Produkte für den US-Markt.

Foto: AFP / Issouf Sanogo

Die neue afrikanische Freihandelszone sollte das Wachstum weiter ankurbeln, sagt der Experte Landry Signé.

Foto: World Economic Forum

Die Wirtschaft in Afrika ist im vergangenen Jahrzehnt schneller gewachsen als in den meisten anderen Weltregionen, und der Aufschwung könnte sich noch weiter beschleunigen. Das ist die Botschaft von Landry Signé, der als Afrika-Experte der renommierten Brookings Institution in Washington und der Standford University forscht. "Afrika ist schon lange nicht mehr der hoffnungslose Kontinent, wie ihn der 'Economist' einst bezeichnet hat", sagt Signé im STANDARD-Gespräch. "Heute gibt es die größten Chancen seit der Unabhängigkeit vor 70 Jahren."

Signé verweist auf das Ende der Schuldenkrise, eine bessere Wirtschaftspolitik, zahlreiche unternehmerfreundliche Reformen, die Erfolge der Demokratisierung und die rasche Schaffung einer afrikanischen Freihandelszone (AfCFTA), an der praktisch alle afrikanischen Staaten von Ägypten bis Südafrika beteiligt sind.

Die Freihandelszone wurde in einer Rekordzeit ausgehandelt, trat in Mai in Kraft und sollte ab kommendem Sommer voll wirksam sein. Dadurch könne der derzeit kaum ausgeprägte innerafrikanische Handel deutlich zunehmen, die Industrieproduktion wachsen und die Abhängigkeit von Importen sinken, ist Signé überzeugt. Vor allem die großen Volkswirtschaften wie Südafrika, Kenia und Nigeria dürften davon anfangs profitieren, "aber langfristig wird es allen Staaten nutzen. Sie haben die Chance, Teil von regionalen Lieferketten zu werden."

Kenia, Ruanda, Botswana und Ghana

Afrika hat gute Chancen im Bereich von neuen Industrien, die mehr auf Technologie und Dienstleistungen basieren als auf schmutzigen Produktionsabläufen, betont Signé. Ein Beispiel sei etwa die kenianische Hauptstadt Nairobi mit ihrem Technologiehub und zahlreichen innovativen Start-ups.

Eine besondere Erfolgsgeschichte sei Ruanda. "Ich bin kein Fan der Politik von Präsident Kagame", sagt Signé. "Aber er hat bewiesen, dass es für ein kleines Land möglich ist, aus einem Bürgerkrieg herauszukommen und durch gute Rahmenbedingungen für Unternehmen und den Aufbau guter öffentlicher Dienstleistungen ein ganz starkes Wachstum zu erzielen." Auch Botswana und Ghana seien positive Beispiele, die auf andere Staaten ausstrahlen würden.

Signé ist in Kamerun geboren und studierte Politikwissenschaften in Frankreich, Kanada und den USA. Er ist Hauptredner bei der Konferenz "Unternehmen global engagieren" in der Wirtschaftskammer Österreich am Mittwoch, die von der österreichischen Entwicklungsplattform Corpor-AID organisiert wird.

Warum China so beliebt ist

Westliche Regierungen und Unternehmen hätten lange Zeit Afrika ignoriert und damit China den Raum für große Investitionen gegeben. Trotz Bedenken gegen chinesische Geschäftspraktiken sei China in Afrika beliebt, "weil sie etwas tun", sagt Signé. "Die Chinesen sind nicht dogmatisch, sondern haben einen sehr pragmatischen Zugang zu Entwicklung. Deshalb sind sie in Afrika so erfolgreich."

Nun sei es an Europa, sich stärker zu engagieren, nicht nur mit Entwicklungsgeldern, sondern vor allem mit Direktinvestitionen aus dem Privatsektor. "Europa kann China wieder überholen, wenn es die richtige Politik verfolgt, Afrika als Partner behandelt."

Die Migration bremsen

Anders als andere Entwicklungsexperten wie Paul Collier ist Signé überzeugt, dass ein solches Engagement den Migrationsdruck aus Afrika bremsen wird, wenn es mehr Wachstum und Arbeitsplätze bringt. "Wenn junge Menschen eine Chance auf interessante Arbeit haben, dann gehen sie nicht weg. Eine bessere Wirtschaft und mehr Freiheit werden die Menschen im Land halten." Gerade deshalb sei ein Investitionsschub aus Europa so wichtig.

Den Fokus auf eine saubere Politik und die Menschenrechte, der bei China völlig fehle, müssten die Europäer beibehalten, sagt Signé. Denn die Qualität der politischen Führung in Afrika sei der entscheidende Erfolgsfaktor, dies habe auch der Arabische Frühling und dessen Ausläufer bestätigt. "Die afrikanischen Politiker müssen liefern, was sie versprechen. Tun sie es nicht, werden die Menschen nicht mehr still bleiben." (Eric Frey, 4.12.2019)