Halicephalobus mephisto in 200-facher Vergrößerung.
Foto: John Bracht, American University

Tief unter der Erdoberfläche ist unser Planet keineswegs tot. Vor genau einem Jahr veröffentlichte das internationale Forschungsprojekt Deep Carbon Observatory seine Erkenntnisse darüber, wie sich jener Bereich gestaltet, für den der japanische Forscher Fumio Inagaki und seine Kollegen den schönen Begriff "intraterrestrische Ökosysteme" verwenden. Ihre Daten basieren auf Hochrechnungen dessen, was bei mehrere Kilometer tiefen Bohrungen im Meeresboden sowie in Bohrlöchern und Minenschächten auf verschiedenen Kontinenten gefunden wurde.

Enorme Artenvielfalt in der Tiefe

Die Zahlen sind beeindruckend: So gehen die Forscher davon aus, dass die Mikroben der Erdkruste eine Gesamtmasse von 15 bis 23 Milliarden Tonnen Kohlenstoff ausmachen – 245- bis 385-mal mehr als der Kohlenstoff aller Menschen auf Erden. Und diese Unmenge an Mikroorganismen bewohnt einen Lebensraum von 2 bis 2,3 Milliarden Kubikkilometern, fasst doppelt so groß wie das Volumen der Ozeane.

Die Probebohrungen des Deep Carbon Observatory haben gezeigt, dass die Erdkruste von allen drei Domänen des Lebens bewohnt wird – Bakterien, Archaeen und Eukaryoten, also Lebewesen mit Zellkern. Die Artenvielfalt ist so groß, dass die Forscher davon ausgehen, dass 70 Prozent aller Bakterien und Archaeen der Erde unter deren Oberfläche leben. Und obwohl es ungeheuer viele verschiedene Spezies sind, hat man manche Gattungen an allen untersuchten Stellen gefunden – was die Frage aufwirft, ob diese Mikroben durch geologische Prozesse rund um den Globus getragen wurden oder ob sie selbst auf irgendeine Weise mobil sind.

Der König der Kruste

Proben solcher Mikrobengemeinschaften wollten auch die Geowissenschafter Gaetan Borgonie von der Universität Gent und Tullis Onstot von der Princeton University entnehmen, als sie 2008 in die Tiefen einer südafrikanischen Goldmine abstiegen. Was sie stattdessen fanden, war zu ihrer immensen Überraschung ein "Riese".

Der Fadenwurm, der seit 2011 die taxonomische Bezeichnung Halicephalobus mephisto und den inoffiziellen Namen "Teufelswurm" trägt, ist zwar nur gut einen halben Millimeter lang. Aber er ist ein vielzelliges Tier und somit im Vergleich zu dem, was sonst so in seiner Nachbarschaft lebt, ein Gigant. Seit der Erstentdeckung hat man Mephisto-Exemplare in verschiedenen Tiefen gefunden – selbst 3,6 Kilometer unter der Erdoberfläche und damit deutlich tiefer, als jemals irgendein anderer vielzelliger Organismus gesichtet wurde.

H. mephisto lebt in jahrtausendealten Grundwasserreservoirs und ernährt sich von den dort vorkommenden Bakterien. Eine Lebensgrundlage ist damit gegeben, aber gemütlich sind die "intraterrestrischen" Verhältnisse nicht. Der Wurm muss mit einem oft extrem niedrigen Sauerstoffgehalt im Wasser ebenso zurechtkommen wie mit hohen Anteilen von Methan. Und natürlich mit hohen Temperaturen: Bis zu 37 Grad Celsius hält der Teufelswurm in seiner Hölle aus. Das mag für uns Menschen keine besondere Gabe sein, aber die allermeisten Fadenwurmarten würden diese Hitze nicht überleben.

Genetische Anpassungen

Forscher der privaten American University in Washington, D.C. sind der Frage nachgegangen, wie H. mephisto mit diesen ungemütlichen Bedingungen zurechtkommt. Ein Team um John Bracht hat das Genom des Wurms – und damit des ersten unterirdisch lebenden Tiers überhaupt – sequenziert und festgestellt, dass in ihm einige entscheidende Gene jeweils in mehrfacher Form enthalten sind: eines, das die "Hitzeschockproteine" Hsp70 kodiert und in einfacher Form in allen Organismen vorhanden ist, sowie das AIG1-Gen, das bei Tieren und Pflanzen mit dem zellulären Überleben in Verbindung gebracht wird.

Die Forscher werten das Vorhandensein mehrfacher Kopien dieser Gene als eine evolutionäre Anpassung des Wurms. Beim Vergleich mit anderen Organismen haben die Forscher festgestellt, dass auch bei manchen Muscheln die betreffenden Stellen im Genom erweitert sind. Auch bei diesen Weichtieren dürfte es sich um eine Anpassung an Hitze, der man nicht entkommen kann, handeln.

Um die Rolle von Hsp70 zu bestätigen, wollen die Forscher in weiteren Studien das betreffende Gen bei Teufelswürmern "abschalten", um zu sehen, wie die Tiere auf Hitzestress reagieren. Als weitere Möglichkeit ziehen sie Gen-Transfer in Betracht: Der in der Forschung gerne als Modellorganismus herangezogene Fadenwurm Caenorhabditis elegans, ein entfernter Verwandter des Teufelswurms, ist nämlich nicht hitzetolerant – er könnte es aber durch einen gentechnischen Eingriff werden.

Wo es wirklich höllisch wird

Aber es ist wie gesagt "Hitze" auf gemäßigtem Niveau. Was das Überleben bei extremen Temperaturen betrifft, ist der Teufelswurm alles andere als ein Rekordhalter. Dieser Titel dürfte dem Einzeller Geogemma barossii, einem Archaeon, zustehen, wie das Deep Carbon Observatory in seiner gloablen Bestandsaufnahme berichtete. Diese kugelförmigen Archaaen leben in hydrothermalen Quellen am Meeresgrund und schaffen es selbst bei 121 Grad Celsius noch, zu wachsen und sich fortzupflanzen. (jdo, 26.12.2019)