Cordon bleu und Schnitzel Holstein (Foto unten) sind die wesentlichen Argumente des Salon Marie in Graz. Gute Argumente!

Foto: Gerhard Wasserbauer

Es ist kein Geheimnis, dass wir Österreicher uns auf das Wiener Schnitzel ein bisserl etwas einbilden. Es ist aber auch kein Geheimnis, dass es vergleichsweise schwierig ist, hierorts ein Wirtshaus oder Restaurant namhaft zu machen, in dem die weltberühmte, keusch und katholisch als Brot verkleidete Delikatesse tatsächlich mit der nötigen Hingabe dargebracht wird.

So hat es eine Grazer Hoteliersfamilie gebraucht, damit Wien wieder ein Restaurant bekommt, in dem das Wiener Schnitzel mit der entsprechenden Ehrerbietung aufs Podest gehoben wird.

Das Meissl & Schadn im Weitzer-Hotel Grand Ferdinand hat sich der Aufgabe seit ein paar Jahren angenommen und extra die Schnitzelküche in den Gastraum verlegt, auf dass man das fachgerechte Klopfen schon von weither höre und auch Touristen sich ein Bild davon machen können, wie der große Lappen der Wiener Küche akkurat paniert und gebacken gehört.

Gerade beim Schnitzel, das allzu oft verschämt vom Tiefkühler direkt in die Fritteuse befördert wird, bevor es als wahrer Stolz unserer Küchenkunst aufgetragen wird, war es hoch an der Zeit, es buchstäblich vor den Vorhang zu bitten.

Unterschiedliche Schnitzel-Ideale

Dass man sich im Meissl & Schadn auch noch aussuchen kann, ob es in Schmalz, Butterschmalz oder Pflanzenöl gebacken werden soll, unterstreicht nur, dass es verschiedene Vorstellungen vom idealen Schnitzel gibt – und dass ein Restaurant von Rang sich durchaus nichts vergibt, wenn es versucht, den Ideen der informierten Kundschaft entsprechend entgegenzukommen.

Jetzt hat der Erfolg der Schnitzelkathedrale im Grand Ferdinand die Weitzers offenbar dazu inspiriert, in Graz noch eins draufzusetzen. Statt des – auch nicht unspektakulären – auf allerhand Grillgerichte fokussierten Speisesaals wird man im Grand Hôtel Wiesler nunmehr im Salon Marie empfangen.

Worauf der Name Bezug nimmt, bleibt im Dunkeln, die Speisekarte aber setzt den Akzent deutlich auf internationale Schnitzelvarianten. Cordon bleu, dem Vernehmen nach eine Schweizer Erfindung, wird im Salon mit Brie und Parmaschinken gefüllt. Schnitzel Holstein, das der Legende nach einst im Berliner Original-Borchardt für einen Geheimrat dieses Namens aufgetischt wurde, der aus Zeitgründen Vor- und Hauptspeise auf demselben Teller verspeiste, ist ein ziemlich abenteuerliches Gericht aus paniertem Schnitzel mit einer Garnitur aus Sardellen, Spiegelei und Kapern (siehe Bild).

Ursprünglich sollen auch noch Räucherlachs und Kaviar auf das als Brot getarnte Schnitzel gepackt worden sein, das hat sich aber nicht durchgesetzt. Jedenfalls ist Schnitzel Holstein bis heute in englischen Nobelrestaurants, aber auch in der einen oder anderen Pariser Brasserie ein klassisches Gericht.

Das Holstein versteht sich gewissermaßen als Sardellen-Ei-Brot.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Marmeladebrot

Es macht auch richtig Freude: Während das Schnitzel in West- und Südösterreich routinemäßig als Marmeladebrot (Preiselbeeren!) interpretiert wird, versteht sich das Holstein gewissermaßen als Sardellen-Ei-Brot.

In der Version des Salon Marie kommt es mit schulmäßig soufflierter Panier zu Tisch, das Fleisch ist saftig, weil (endlich einmal!) nicht zu dünn geschnitten, die Auflage sorgt für Pikanz, ganz köstlich. Dass neben Risipisi doch auch Preiselbeeren in einem Extraschüsselchen aufgetragen werden, verwirrt hingegen.

Und sonst? Gibt es ein tadelloses Tunfisch-Tataki mit Wasabicreme zur Vorspeise, die frittierten Calamari überzeugen mit einer fantastischen Salsa aus eingelegten Zitronen und Chili, selbst der vegane Massaman-Curry, lauter herrlich knackiges Gemüse in gar nicht schüchtern gewürzter Kokossauce, ist keineswegs eine Verlegenheitsoption. (Severin Corti, RONDO, 6.12.2019)

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