Das Kernkraftwerk (Philippsburg, Baden-Württemberg) als Symbol einer Energie, deren Restbestände Lagerungsprobleme verursachen.

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Umwelthistorikerin Verena Winiwarter

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Es war im Juli 1977, als die "New York Times" am unteren Ende ihrer Titelseite eine Meldung brachte, die sicher weit weniger Aufsehen erregte als etwa die Außenpolitik des damaligen US-Präsidenten Jimmy Carter. Es ging um die Warnung von renommierten Wissenschaftern, die Nutzung von fossiler Energie und der damit verbundene Ausstoß von CO2 würde wohl zu einem Klimawandel führen. Der für die National Science Foundation publizierte Report der Forscher entsprach damit dem damaligen Wissensstand über die Erderwärmung durch Luftverschmutzung. Davor waren noch einige Forscher der Ansicht, dass Treibhausgase auch zu einer Abkühlung führen können.

In den darauf folgenden 1980er-Jahren, das Wissen über die Ursachen des Klimawandels wurde immer detailreicher, habe der Mensch die Chance vertan, den Klimawandel allein durch Reduktion umzukehren, sagt die Umwelthistorikerin Verena Winiwarter vom Institut für soziale Ökologie an der Universität für Bodenkultur in Wien. Die Industrie hätte stattdessen weiterhin auf fossile Energie gesetzt.

Man könne den Folgen der Erderwärmung, ob es sich nun um Hitzewellen im Sommer oder das häufige Auftreten von extremen Wetterereignissen handelt, nicht mehr allein durch Reduktion von Emission bekämpfen. Es brauche zusätzlich noch Anpassung an den Klimawandel. Aber was genau ist das?

Erster Schritt: Aufklärung

In Europa werden unterschiedliche Strategien zur Umsetzung verfolgt – sie beginnen aber meist mit bloßer Aufklärung über die ökologischen und gesundheitlichen Folgen der Erderwärmung. Laut Winiwarter wirkt sich Anpassung vor allem im regionalen Bereich schnell positiv aus – und wird deshalb in Politikerreden, die rasche Erfolge versprechen, erwähnt. Anpassungen wären Schutzmaßnahmen für innerstädtische Ökosysteme wie die Donauinsel in Wien genauso wie eine vorsorgliche Raumplanung, damit starke Niederschläge, die zu Murenabgängen führen, Siedlungen nicht gefährden. Erst kürzlich wurden Häuser in Salzburg verschüttet. Der Niederschlag war durch feuchte Luft über den zu warmen Ozeanen entstanden und nach Europa gezogen.

„Die Natur lässt sich eben nicht so regulieren, wie wir Menschen das gern hätten“, sagt die Wissenschafterin. Ein ähnliches Problem sieht sie in der Donauregulierung, die 1875 abgeschlossen wurde: Davor seien vier Prozent des Siedlungsgebiets im Überschwemmungsbereich gewesen, danach waren es 50 Prozent. Ihr Fazit: „Wenn wir über Anpassung reden, müssen wir uns auch bewusst sein, dass wir die Erde zu einem Zeitpunkt verbaut haben, als Klimawandel noch kein großes Thema war. Und das Material, das wir verwendet haben, immer mehr wird und uns bei Anpassungen zum Problem werden kann.“

Elf Kilo Plutonium sind die kritische Masse

Als Beispiel führt die Umwelthistorikerin die Ergebnisse einer Studie vom Institut für soziale Ökologie an: Demnach würde allein der derzeit weltweit verbaute Beton reichen, um einen fünf Zentimeter dicken Betonmantel um die Erde zu legen. Ein deutlich kritischeres Thema: die Lagerung von Plutonium. Derzeit gebe es 2000 Tonnen Plutonium in diversen Zwischenlagern, 75 würden pro Jahr dazu kommen. Nur elf Kilo werden als kritische Masse bezeichnet, mit der man eine Bombe bauen könnte. Winiwarter: „Wenn man bedenkt, dass Plutonium 25.000 Jahre Halbwertszeit hat, dann wird einem vielleicht bewusst, mit welchem zusätzlichen Risiko wir leben, das von den offensichtlichen Folgen des Klimawandels nicht losgelöst betrachtet werden kann.“

Der Mensch habe seit der industriellen Revolution zu viel „Zeug“ angesammelt. Da man es – siehe Plutonium – nicht einfach loswerden könne, müsse man es sicher managen. „Aus der Nummer kommen wir nicht so schnell heraus.“ Von einer nachhaltigen Gesellschaft seien wir gegenwärtig trotz aller Anpassungs- und Reduktionspläne von Schadstoffen so weit entfernt wie das Frühmittelalter von der Gegenwart. Und wie würde man dorthin kommen?

Winiwarter meint: „Durch Dematerialisierung.“ Dazu müsste man, im Kleinen beginnend, den Status in der Gesellschaft neu denken, damit Reichtum nicht mehr von Besitz abhängig ist. Zeit für sich, die Familie und Freunde müsste dann mehr Wert haben. Ein sehr reizvolles Modell, meint die Umwelthistorikerin, die auch die Kommission für Interdisziplinäre Ökologische Studien an der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) leitet. Nur brauchte es dafür eine „Postwachstumsgesellschaft“. Eine Gesellschaft, die nicht mehr darauf abzielt, immer mehr Umsätze zu machen. (Peter Illetschko, 4.12.2019)