Die Nato ist die erfolgreichste Allianz der Geschichte, sagt Generalsekretär Jens Stoltenberg beim Bündnisgipfel.

Foto: EPA/NEIL HALL

Alle 29 Staats- und Regierungschefs der Nato und Stoltenberg.

Foto: EPA/FACUNDO ARRIZABALAGA

Es ist eine heikle Phase für das Bündnis.

Foto: EPA/FACUNDO ARRIZABALAGA

Trotz aller Bemühungen, Geschlossenheit zu demonstrieren: Als die Staats- und Regierungschefs der 29 Nato-Mitgliedsstaaten am Mittwoch erneut zu ihrem Jubiläumstreffen in London zusammenkamen, traten die Risse im Militärbündnis klar hervor. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron schwächte seinen "Hirntod"-Befund der Nato rhetorisch etwas ab, im Kern aber blieb er bei seiner Diagnose des politischen Zerwürfnisses.

Er stehe "absolut" zu seinem Befund, hielt er am Mittwoch im Ward Hotel am Rande von London fest: "Er hat dazu geführt, dass wir hier eine grundlegende Debatte führen." Diskutiert hat Macron in erster Linie mit dem US-Präsidenten. Donald Trump, der die Nato in der Vergangenheit seinerseits als "obsolet" bezeichnet hatte und seine Auftritte im Rahmen des 70. Geburtstags der Nato nutzte, um Macron für seine harsche Kritik am Bündnis zu schelten. Jene Europäer, die immer noch nicht den anvisierten Budgetwert von zwei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung erreichten, bezeichnete er als "Verbrecher". Die prinzipielle Erhöhung der Rüstungsausgaben verbuchte er als sein Verdienst.

Verständnis für Erdoğan

Verständnis brachte Trump hingegen für den türkischen Präsidenten auf. Beim Gros der Alliierten sorgte Tayyip Erdoğan in London aber in mehreren Punkten für Kritik. Die Anschaffung eines russischen Raketenabwehrsystems goutierten die Nato-Partner ebenso wenig wie seinen Alleingang in Syrien oder die Worte, mit denen er auf Macrons Analyse reagiert hatte: Er attestierte ihm seinerseits den "Hirntod".

Das Sicherheitsaufgebot war enorm.

Ankaras Forderung, die syrisch-kurdische YPG als Terrorgruppe zu deklarieren, erteilte der US-Verteidigungsminister eine klare Absage: Marc Esper schloss aus, was schon Macron ausgeschlossen hatte. Auch Washington wird die YPG nicht als Terrororganisation einstufen. Die Differenzen drangen auch beim Empfang der Queen Dienstagabend nach außen. Ein Video aus dem Buckingham Palace zeigte, wie sich der kanadische Premier Justin Trudeau mit Macron, dem niederländischen Regierungschef Mark Rutte und Gastgeber Boris Johnson darüber mokierte, dass Trump den informellen Gipfel als Bühne benütze.

Trump reagierte Mittwochnachmittag mit der Bemerkung, Trudeau sei "doppelzüngig". Seine zum Abschluss angekündigte Pressekonferenz ließ er ausfallen.

Johnson im Hintergrund

Auffällig im Hintergrund hielt sich die meiste Zeit der britische Premierminister. Medien unterstellten ihm, wahlkampfbedingt ein Foto mit dem in Großbritannien äußerst unbeliebten US-Präsidenten gemieden zu haben. So musste die deutsche Kanzlerin Angela Merkel Trump im Ward Hotel am Rande von London zur Räson zu bringen. Sie soll das Gespräch genützt haben, um Trump aufzufordern, die Europäer nicht länger als Juniorpartner zu behandeln.

Einig waren sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zumindest, was die Gefahren von außen anging. Zum einen erklärten sie das Weltall neben Boden, Luft, See und Cyberspace zum fünften Einsatzgebiet der Nato. Zum anderen bezeichnete die Nato erstmals China als Bedrohung. Peking verzeichne nach den USA die höchsten Militärausgaben, verfüge über neue Waffen, darunter auch nukleare, und breite sich nicht nur auf militärischem Weg weiter aus.

Bereits am Dienstag war China Thema im Bündnis.

Als Problembereich bezeichneten die Nato-Mitglieder den MobilfunkStandard 5G, bei dem das chinesische Unternehmen Huawei als führend gilt. Die von den USA gewünschte Selbstverpflichtung für Nato-Staaten, beim 5G-Aufbau ganz auf Huawei-Produkte zu verzichten, stand allerdings nicht in der Abschlusserklärung.

Meinungsverschiedenheiten bestanden auch darin, wer nun der größte Feind sei. Neben China oder dem Terrorismus bestanden vor allem die baltischen und osteuropäischen Staaten auf der Festlegung, dass die größte Gefahr immer noch von Russland ausgehe. (Anna Giulia Fink aus London, 4.12.2019)