De 63 Chalets in Neukirchen am Großvenediger wurden ohne Umweltverträglichkeitsprüfung in einer gelben Gefahrenzone gebaut. Fünf Biotope waren auf der Fläche ausgewiesen.

Foto: Karin Dollinger

In Mittersill regt sich Widerstand gegen das Luxusprojekt am Pass Thurn: Rund 200 Menschen demonstrierten bei einer Mahnwache dagegen.

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Es ist wohl die derzeit am häufigsten diskutierte Baustelle Salzburgs. Am Pass Thurn in der Gemeinde Mittersill im Oberpinzgau entsteht das Resort Six Senses mit einem Hotel mit 77 Zimmern, 45 Appartements sowie 13 Luxus-Chalets. Wobei diese Chalets mit den namensgebenden Sennhütten auf Schweizer Almen nichts mehr zu tun haben. Vier bis fünf Schlafzimmer auf bis zu vier Stockwerken und 400 Quadratmeter Wohnfläche verdienen wohl eher den Namen Alpenvilla.

Der Stein des Anstoßes war letztlich, dass es zu den Villen zum Preis von 5,5 bis 8,5 Millionen Euro einen Elektro-Porsche Taycan dazu gibt. Das fand auch Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) "zu protzig". Für Landesrat Josef Schwaiger, der für Raumordnung zuständig ist, schlägt der Porsche dem Fass den Boden aus. In Mittersill stößt das Projekt vielen Bewohnern sauer auf. Zu einer Mahnwache Anfang Oktober kamen rund 200 Menschen, um gegen das Luxusresort und die Auswüchse des Tourismus zu demonstrieren.

Luxus am Hochmoor

Gleich neben der Baustelle für die Luxushütten liegt das Naturschutzgebiet Wasenmoos. Das Feuchtgebiet auf 1.200 Meter Seehöhe ist seit 1978 als Naturdenkmal ausgewiesen, 2004 wurde es als Ramsar-Schutzgebiet anerkannt. Erst heuer wurde diese speziell geschützte Fläche im Zuge der Moorinitiative der Österreichischen Bundesforste von 190 auf 220 Hektar erweitert und aufwendig renaturiert.

Bisher steht nur die Lärmschutzwand, die die gut betuchten Gäste vor dem Lärm der Landstraße nach Kitzbühel schützen soll.
Foto: Karin Dollinger

Wald und Weiden grenzten früher an das Hochmoor. 2011 haben die Bundesforste die Fläche dann an einen Immobilienentwickler verkauft, gleichzeitig ist sie umgewidmet worden. "Die Bundesforste haben das Grundstück um 2,6 Millionen Euro verkauft. Kurze Zeit später wurde es mit 43 Millionen Euro bewertet", sagt die Naturschutzsprecherin der SPÖ, Karin Dollinger.

Etwa die Hälfte des Tannenwaldes wurde bereits abgeholzt. Gebaut wurde bisher aber nur eine Lärmschutzwand an der Landstraße, die nach Kitzbühel führt. Es würde noch eine gewerberechtliche Bewilligung und ein Änderungsbescheid für die Baugenehmigung fehlen, sagt Dollinger. "Das hört der Betreiber und die Gemeinde nicht gern, aber es ist noch nicht völlig genehmigt." Der Mittersiller Bürgermeister Wolfgang Viertler verteidigt das Projekt: Ohne dieses würde es weder das Wasenmoos in dieser Form geben noch die Panoramabahn, die Mittersill an das Skigebiet Kitzbühel anbinde.

Auch die örtlichen SPÖ-Gemeinderäte stehen hinter der Feriensiedlung und wollten wegen der Kampagne der Landespartei kurzzeitig sogar aus der Partei austreten. Der zuständige Landesrat Schwaiger sagt, man könne die Zeit nicht zurückdrehen. Das Land wolle aber mit einem Bündel an Maßnahmen bei den Zweitwohnsitzen auf die Bremse steigen.

Bis 2021 soll das luxuriöse Feriendorf auf dem Pass Thurn errichtet sein. Die geplanten Chalets inklusive E-Porsche sorgen für Aufregung.
Foto: Karin Dollinger

Six Senses wirbt neben der Nähe zum nicht einmal 20 Minuten entfernten Kitzbühel und der direkten Lage an der Mittelstation des Skilifts auch mit dem Naturschutzgebiet. "Die Kunst des nachhaltigen Lebens" heißt der Slogan auf der Homepage. Für den Naturschutzbund eine scheinheilige Werbung. "Es braucht Pufferzonen zwischen den neuen Störfaktoren", sagt der Vorsitzende Winfrid Herbst. Der Mindestabstand von zehn Metern dürfe bei guten Gründen sogar unterschritten werden.

Siedlungen würden nicht nur scheue Vögel, das Ökosystem und Lebewesen beeinträchtigen, Schutzgebiete seien auch zur Erholung der Menschen wesentlich. "Es ist was anderes, wenn ein Biotop im Hinterhof liegt oder in einer Naturlandschaft", betont Herbst. Die Naturschutzgebiete seien "wie eine Muttersau, die daliegt und die Ferkel rundherum zu zuzeln beginnen", zieht der Vorsitzende des Naturschutzbundes einen Vergleich. Rundherum würden Chaletdörfer, Feriendomizile oder Jugendherbergen gebaut. "Das kann nicht ohne Beeinträchtigung gehen."

Skilift durch mehr Betten

So auch in Krimml im Talschluss des Salzachtals. Wegen der höchsten Wasserfälle Mitteleuropas ist die 840-Einwohner-Gemeinde ein Touristen-Hotspot. Rund um das Europaschutzgebiet Sieben Möser in Hochkrimml werden seit Jahren Feriendomizile gebaut. Schon mehrfach sei eine Seilbahn von Krimml nach Hochkrimml abgelehnt worden, weil das Projekt wegen der geringen Frequenz auch keine ökonomische Basis hätte, sagt Herbst. "Nun wird auf Teufel komm raus gebaut, ein Bau nach dem anderen, um möglichst viele Betten zu haben, sodass dann eine Seilbahn gerechtfertigt ist." Auch im Koalitionsvertrag der schwarz-grün-pinken Landesregierung steht, sie unterstütze die Bestrebungen der Oberpinzgauer Touristiker, das Skigebiet durch eine Seilbahn zu erschließen.

Chaletdorf in der Gefahrenzone

30 Kilometer vom Pass Thurn entfernt, in Neukirchen am Großvenediger, wird seit drei Jahren an einem Chaletdorf am Rossberg mit Blick auf den Nationalpark Hohe Tauern gebaut. Eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) gab es dafür nie, obwohl die Bettenanzahl über der gesetzlich festgelegten Grenze von 500 Betten liegt.

Die Betreiber hätten hier einfach größer gebaut als eingereicht und Fakten geschaffen, ohne dass es Konsequenzen gibt, sagt die SPÖ-Umweltsprecherin. "Wenn ein Privater drei statt zwei Garagen baut, wird sie abgerissen, weil es ein Schwarzbau ist. Bei Großprojekten wird weggesehen", ärgert sich Karin Dollinger.

Gleichzeitig stehen die 63 Chalets in einer gelben Wildbachgefahrenzone, und fünf Biotope sind auf der Projektfläche laut Biotopkartierung eingetragen. Die Auswirkungen des Projekts auf diese Schutzgüter seien mit "erheblich" einzustufen, heißt es in einer Anfragebeantwortung von Schwaiger. Genehmigt wurde das Projekt trotzdem. Das räumliche Entwicklungskonzept weise hier einen Siedlungsstandort mit touristischer Funktion aus. Aber es müssten sieben Auflagen, etwa Objektschutzmaßnahmen für Hochwasser, eingehalten werden.

Kein Überblick über die Chalets

Wie viele derartige Chaletdörfer es in Salzburg überhaupt gibt? "Wir wissen es wirklich nicht", sagt Schwaiger. Diese Form der Beherbergung sei keine eigene Kategorie. Aber das Land plane eine Kennzeichnungspflicht für alle touristischen Beherbergungsbetriebe, dann könnten die Gemeinden durch den Bebauungsplan einzelne Nutzungsformen ausschließen. "Da geht es um tausende Betten und Milliardeninvestitionen, das müsste man wissen, wenn man für das Ressort zuständig ist", sagt Dollinger. (Stefanie Ruep, 5.12.2019)