Influencer, Coach, Trainer, Ikone oder Guru. Viele Namen beschreiben immer die gleiche Situation: Ein Mensch empfiehlt etwas – und andere hören darauf. Doch wie stark ist das im Internet verbreitet, wird missbraucht oder auch nicht?

Die Gilde der Online-Coaches ist groß

In Deutschland darf sich jeder, der in der Unternehmensberatung tätig ist, Unternehmensberater oder Coach nennen. In der Praxis haben viele Coaches keinen professionellen Hintergrund, versprechen aber den totalen Durchblick. Natürlich gibt es glaubwürdige Coaches und Trainer auch online. Doch sie zu finden, aber vor allem richtig zu identifizieren, ist häufig die Krux und das Problem.

Ein guter Trainer kann helfen, denn häufig liegen psychische Blockaden dem eigenen Erfolg im Weg. Doch solche Analysen erinnern stark an psychologische und therapeutische Behandlungen und sollten auch nur Profis überlassen werden.

Julia Sobainsky betreibt online das Beratungs- und Coaching-Unternehmen Pro Charisma und meint: "Charisma ist ein komplexes Thema. Es enthält etwas nicht Definierbares, etwas nicht Erklärbares." Reduziere man es aber auf Stil, Rhetorik und Körpersprache, ist es erlernbar.

Evolutionstechnisch ist die nonverbale Kommunikation tiefer in unserem Gehirn verankert als die viel jüngere Fähigkeit der Sprache. Allerdings nutzen nicht alle Influencer die nonverbale Kommunikation und das richtige Mindset für ihren Erfolg. Bei den heute so mächtigen Bildmedien wie Instagram, Facebook, TV und Co ist oft auch Manipulation im Spiel.

Foto: APA/AFP/INA FASSBENDER

Influencer versprechen den Schlüssel zum Erfolg

Charismatische Influencer beeinflussen gerade die junge Generation hauptsächlich durch Online-Medien. Beim digitalen Charisma steht an erster Stelle ein Ziel oder eine Vision. Während die einen mit der positiven Denkweise ihr Ziel erreichen, nutzen andere technische Hilfsmittel, um Erfolg zu suggerieren. Für Star-Coach Julia Sobainsky hingegen gibt es
einen ganz anderen, einen authentischen Schlüssel zum Erfolg: „In Zeiten, in denen jeder weiß, wie Fotos zu retuschiert und Aussagen zurecht zu stutzen sind, ist Vertrauen und Begeisterung eine steigende Währung.“

Erfolgsparameter können manipuliert werden

Es gibt die klassischen Erfolgsparameter eines Influencers, nach denen sein Erfolg bemessen werden kann. Allerdings können diese auch relativ leicht manipuliert werden:

  • Anzahl der Follower: Sie sind die eigentliche Zielgruppe des Influencers. Hinter vielen Followern können aber Fake-Accounts stecken.
  • Likes: Sie geben Auskunft darüber, wie die Werbekampagne bei den Followern ankommt. Webseiten wie "fame-booster.de" bieten gegen Bezahlung sogar den Kauf von Likes an, was wir definitiv nicht empfehlen.
  • Engagement Rate: Das sind beispielsweise Kommentare der Follower. Vor allem Ein-Wort-Kommentare können mit Computerprogrammen, den sogenannten Bots, automatisch generiert werden.

Nicht nur automatische Hilfsmittel werden benutzt

Dass Menschen in der Regel nach bestimmten Mustern handeln, ist wissenschaftlich längst bewiesen. Werden diese Muster versucht zu verbergen, ist es nur schwer möglich, zu erkennen, ob hinter all den Followern, Likes und Kommentaren echte Menschen stecken. Ideenreiche Influencer versuchen, automatische Hilfsmittel zu vermeiden und setzen stattdessen auf die Gründung von WhatsApp- oder Facebook-Gruppen. Die Mitglieder dieser Gruppen pushen sich dann gegenseitig mit Kommentaren und Likes, sobald neue Postings erstellt wurden.

Mustererkennung durch maschinelles Lernen

Gerade bei Instagram sind solche Manipulationen nicht leicht zu entdecken und können im Grunde nur durch Computerprogramme, die auf maschinelles Lernen programmiert sind, erkannt werden. Dabei werden Algorithmen zur Mustererkennung genutzt, die die Interaktion des Influencers mit seinen Followern nach wiederkehrenden Mustern durchsuchen.

Fallstudie zeigt Manipulationen auf

In Zusammenarbeit mit dem "WDR" und "1LIVE" hat Deep Data Analytics eine Fallstudie erarbeitet, bei der solche Manipulationen nachgewiesen werden konnten. Dabei wurden die Accounts dreier weibliche Influencer unter die Lupe genommen. Es ging nicht darum, diese Influencer vorzuführen, sondern lediglich um den Beweis der Manipulation.

Nach Konfrontation mit den Ergebnissen der Studie, die bei den drei untersuchten Influencer-Profilen ein hohes Maß an Manipulation aufwiesen, hat eine Influencerin die Manipulation sofort zugegeben und eine andere ihre Social-Media-Accounts deaktiviert.

Die Gefahr beim Influencer-Marketing

Die Studie zeigt, dass bei einigen Influencern nicht immer alles so ist, wie es scheint. Experten sehen darin eine große Gefahr. Wenn Unternehmen erst einmal das Vertrauen und die Glaubwürdigkeit in diesen Marketingkanal verloren haben, hat sich die Branche selbst ins eigene Fleisch geschnitten. Alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um den Gewinn zu maximieren, ist nur die eine Seite der Medaille. Wenn Unternehmen diesen Kanal nutzen und dafür bezahlen, müssen die Influencer aber auch ein gewisses Maß an Verantwortung übernehmen. „Entscheidend sind Ehrlichkeit und Authentizität.“ weiß Julia Sobainsky durch ihre langjährige Erfahrung als Coach und rät: „Ohne diese beiden tragenden Pfeiler verlieren Unternehmen, wie auch Influencer, dauerhaft ihre Glaubwürdigkeit und damit potenzielle Kunden bzw. Follower.“

Die Rechtsprechung hat Nachholbedarf

Die gesetzlichen Regelungen zu diesem Thema sind immer noch nicht ausgereift oder fehlen ganz. Immer mehr deutsche Gerichte müssen sich mit Schleichwerbung von Influencern, gekauften Likes und ähnlichen Themen beschäftigen. Im folgenden Video erklärt Carsten Föhlisch, Bereichsleiter Recht der Trusted Shops GmbH, dass gekaufte Facebook-Likes wettbewerbswidrig sind. Das entschied kürzlich das Landgericht Stuttgart.

Kanzlei WBS

Influencer-Marketing muss erwachsen werden

Es gibt kaum einen Marketing-Kanal, der näher am Kunden dran ist als Influencer-Marketing. Damit das so bleibt, muss die Branche erwachsen werden. Dass verlangt auf der einen Seite, dass Unternehmen mehr hinterfragen, welchen Influencern sie wirklich vertrauen können. Auf der anderen Seite müssen sich Influencer ihrer Verantwortung bewusst sein und einfach ehrlich arbeiten. Potenzial und Wertigkeit eines Influencers sollten dem entsprechen, was er selbst vorgibt zu sein.

Fazit: Nur eine klare Gesetzeslage schafft das Fundament für Ehrlichkeit

Ob Blogger, Instagramer oder Youtuber, jeder kann zum Werbeträger werden. Über die Rechtslage herrscht allerdings noch auf allen Seiten Unsicherheit. Richtlinien, wie die des Deutschen Rates für Public Relations (DRPR) sind ein Anfang. Das Werk verlangt unter anderem Absendertransparenz in der Online-Medienarbeit, bei Kommentaren und beim Sponsoring. Dabei müssen die Antworten auf alle wichtigen Fragen für jeden Internetnutzer klar ersichtlich sein. Wer hat für den Beitrag bezahlt? Wer kommentiert ihn und verbreitet ihn weiter?

Um Klagen vorzubeugen, sind einige Influencer inzwischen dazu übergegangen, jedes ihrer Postings als Werbung zu kennzeichnen. Das hilft allerdings wenig dabei, herauszufinden, ob ein Posting privat, redaktionell oder werblich ist. In der Zukunft wird es darauf ankommen, hier eine klare Rechtslage zu schaffen. (Christian Allner, 14.12.2019)