Am Montag waren Wortspenden zum "Hirntod"-Kommentar von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron das große Thema, am Dienstag die langen Pressekonferenzen Donald Trumps, am Mittwoch ein unbemerkt aufgenommenes Gespräch, in dem sich Kanadas Premier Justin Trudeau über den US-Präsidenten amüsierte: Die Chefs der größten Nato-Staaten haben offenbar die kurze Aufmerksamkeitsspanne Trumps übernommen. In ihrem Fokus stand beim Nato-Gipfel in London oft das Unwichtige.

Die Nato-Staaten haben sich bei ihrem Gipfel auf eine gemeinsame Abschlusserklärung geeinigt.
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Dabei gäbe es genug Besorgniserregendes zu diskutieren: dass der Nato-Partner Türkei Ansprüche auf das halbe Mittelmeer anmeldet und seine Kampagne gegen die Kurden zum Fall für das Militärbündnis machen will – und von Trump kaum in die Schranken gewiesen wird; dass man sich einig darüber ist, China und seine Tech-Giganten ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu rücken – es aber großen Dissens darüber gibt, wie; und auch dass sich die Nato in den Weltraum schießen und diesen so stärker militarisieren will.

Die Art, wie in der Nato diskutiert wird, verdeckt wichtige Fragen bezüglich ihres Handelns – und berechtigte Reformforderungen. Wenn Macron vom "Hirntod" spricht, dann ist der Befund, dass das Bündnis ohne die USA wenig tun kann, ebenso richtig wie problematisch – doch die Wortwahl verunmöglicht Debatten. Trump mag das Bündnis derzeit nicht mehr "obsolet" nennen. Er würde es wohl trotzdem am liebsten begraben. Andere Staatschefs werden ihm diese Arbeit abnehmen, so sie ihr Vorgehen nicht bald ändern. (Manuel Escher, 4.12.2019)