Christkind oder Weihnachtsmann? Stille Nacht oder Jingle Bells? Besinnlichkeit oder Rummel? Jahr für Jahr wird diese Diskussion geführt. Immer gereizter. Christliches Brauchtum gehört zu unserer Kultur, sagen die einen. Man kann in einer säkularen und multireligiösen Gesellschaft Anders- und Nichtgläubigen keine christlichen Feiern aufoktroyieren, sagen die anderen. Kein Kompromiss in Sicht. Wirklich nicht?

Kommt Weihnachten von Wein, fragte vor Jahren eine muslimische Deutschkursteilnehmerin ihre Lehrerin. Eine durchaus logische Frage, hatte die junge Frau doch überall die adventlichen Punschhütten gesehen und gefolgert, das höchste Fest hierzulande bestehe aus Saufen und Geldausgeben. Tatsächlich: Wenn man dem Weihnachtsfest die religiöse Grundlage entzieht, bleiben nur der Konsum- und Kaufrausch übrig.

Die Lehrerin erzählte der überwiegend muslimischen Deutschklasse daraufhin die biblische Weihnachtsgeschichte, inklusive Christkind, Krippe, Ochs und Esel und Engelchor. Und fragte ihrerseits, ob die Teilnehmer etwas dagegen hätten, wenn ihre Kinder diese Geschichte in der Schule erzählt bekämen. Das geschah in deren Brennpunktschule aus Rücksicht auf die nichtchristliche Schülermehrheit nämlich nicht. Einhellige Antwort der muslimischen Eltern: Ja, diese Geschichte soll erzählt werden.

Superfromm oder Superösterreichisch

Man muss kein Christ, man muss auch nicht gläubig sein, um dem Kern des Weihnachtsfests etwas abgewinnen zu können. Die Erzählung vom armen Fremdenkind im Stall, dem Hirten und Könige ihre Gaben bringen, vom Engelchor, der den Frieden auf Erden verkündet, ist jedem zumutbar. Das Christkind gehört allen. Nichts gegen den Weihnachtsmann. Er soll ruhig sein Hohoho rufen und seinen Rentierschlitten steuern – aber die biblische Weihnachtsgeschichte sollte er nicht verdrängen. Im Laufe der Zeit ist das hiesige Weihnachtsfest auch durch allerlei fremde Bräuche erweitert worden. Der geschmückte Lichterbaum kommt aus dem protestantischen Norden, der weihnachtliche Putenbraten aus Amerika. Der Panettone, jetzt überall erhältlich, aus Italien. Gut so.

Und soll Weihnachten fromm und still oder laut und fröhlich gefeiert werden? Bach-Choräle oder Heavy Metal? Das soll jeder machen, wie er will. Und auch der unvermeidliche Weihnachtskitsch hat seine Berechtigung. Glitzersterne und Plastikengel? Warum nicht, wenn es Freude macht? Die festlich geschmückte Stadt begeistert sowieso alle, vor allem die strahlenden Glasluster, die den Wiener Graben in einen Ballsaal verwandeln.

Es hat sich in den letzten Jahren eingebürgert, aus Weihnachten und der Art, wie man es feiert oder nicht feiert, eine Ideologie zu machen. Entweder muss alles superfromm oder superösterreichisch sein, oder es darf nur ja kein Jesulein vorkommen, um niemandem zu nahe zu treten. In Wahrheit stört das Christkind weder Muslime noch Juden noch Agnostiker. Es versteht sich freilich von selbst, dass die Mehrheitsgesellschaft auch die Feste anderer kennt und versteht. Es gehört einfach zur Allgemeinbildung, zu wissen, was Chanukka und was das Opferfest ist. Dann können, Weihnachten oder nicht, alle einander entspannt und frohgemut schöne Feiertage wünschen. (Barbara Coudenhove-Kalergi, 4.12.2019)