Selimchan Changoschwili wurde am 23. August am helllichten Tag in einem Berliner Park erschossen. Kurz darauf nahm die Polizei einen russischen Staatsbürger fest. Er schweigt seit seiner Festnahme.

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Es war eine regelrechte Hinrichtung. Am 23. August fuhr ein Mann auf einem Fahrrad durch den sogenannten Kleinen Berliner Tiergarten im Stadtteil Moabit. Gezielt erschoss er – von hinten – einen Fußgänger, radelte ein paar Ecken weiter, warf dann seine Perücke und sein Fahrrad in die Spree und wollte mit einem E-Scooter flüchten. Passanten jedoch war das Verhalten verdächtig vorgekommen, sie alarmierten die Polizei, der Verdächtige, ein Russe, wurde daraufhin festgenommen.

Schnell machten Gerüchte vom Auftragskiller die Runde, zumal der getötete Selimchan Changoschwili die georgische Staatsbürgerschaft hatte und im zweiten russisch-tschetschenischen Krieg zwischen 2000 und 2014 eine tschetschenische Miliz kommandiert und gegen russische Streitkräfte gekämpft hatte.

Spur in den Kreml

Mittlerweile geht auch der deutsche Generalbundesanwalt Peter Frank, also der oberste Ankläger der Bundesrepublik, davon aus, dass die Spur in den Kreml führt. "Es bestehen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass die Tötung (...) entweder im Auftrag von staatlichen Stellen der Russischen Föderation oder solchen der Autonomen Tschetschenischen Republik als Teil der Russischen Föderation erfolgt ist", heißt es in einer Mitteilung vom Mittwoch.

Gleichzeitig erklärte das Außenamt in Berlin zwei Mitarbeiter der russischen Botschaft zu Personae non gratae, die beiden müssen Deutschland verlassen. Damit reagiert Außenminister Heiko Maas (SPD) darauf, "dass die russischen Behörden trotz wiederholter hochrangiger und nachdrücklicher Aufforderungen nicht hinreichend bei der Aufklärung" des Mordes mitgewirkt hätten, wie man im Außenministerium erklärt. Und: "Weitere Schritte in dieser Angelegenheit behält sich die Bundesregierung im Licht der Ermittlungen vor."

Der Tatverdächtige hatte sein Einreisevisum mit einem gefälschten russischen Pass erhalten. Dieser Pass wurde laut dem Recherchenetzwerk Bellingcat von derselben Behörde ausgestellt wie die Dokumente der mutmaßlichen Skripal-Attentäter. Auf den Ex-Agenten Sergej Skripal und seine Tochter Julija war 2018 im britischen Salisbury ein Giftanschlag verübt worden.

Gefälschter Pass

Der Pass des Verdächtigen erwies sich als gefälscht, dennoch glauben die Behörden inzwischen die Identität des Verdächtigen festgestellt zu haben. Demnach handelt es sich um Wadim Krasikow, der 2013 nach einem ähnlich inszenierten Mord an einem kaukasischen Geschäftsmann in Moskau zunächst von der russischen Polizei zur Fahndung ausgeschrieben wurde, dann aber ohne Begründung plötzlich 2015 aus der Datenbank des russischen Innenministeriums gelöscht wurde.

Das sei zumindest merkwürdig, meinen die Ermittler in Berlin, die vermuten, dass Krasikow seither Rückendeckung staatlicher Stellen hat. Der Verdacht wird auch dadurch erhärtet, dass Moskau zwar dem Verdächtigen konsularischen Beistand gewährt, trotz mehrerer Anfragen des Verfassungsschutzes aber keine Angaben machen wollte.

Auf die Ausweisung der zwei russischen Diplomaten hat Moskau hingegen bereits reagiert: Das Außenministerium nannte den Schritt "unbegründet und unfreundlich". Eine "politisierte Herangehensweise bei Ermittlungsfragen ist unzumutbar", sagte ein Sprecher. Mitarbeiter der deutschen Botschaft in Moskau fürchten bereits die Ausweisung deutscher Diplomaten als Reaktion. (Birgit Baumann aus Berlin, André Ballin aus Moskau, 4.12.2019)