Schauspielerin Lili Epply.

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Wien – Im Drama "Südpol" kreuzen sich die Wege von Ella (Lili Epply) und Hans (Juergen Maurer) im titelgebenden Lokal "Südpol" im Böhmischen Prater in Wien, wo Hans die Kellnerin Ella als Geisel nimmt. Nikolaus Leytner schrieb das Drehbuch und führte Regie. Der ORF zeigt den Film am Sonntag, 8. Dezember, um 20.15 Uhr in ORF 2.

STANDARD: In "Südpol" steckt Juergen Maurers Figur in einer gröberen Krise und dreht durch. Wie gehen Sie mit Krisen um? Wahrscheinlich nicht so wie Juergen Maurer im Film?

Epply: Ich habe noch keinen Führerschein und kein Auto, das ich wo abstellen könnte (lacht). Ich habe schon viel erlebt, und Erleben ist auch der Grund, warum ich diesen Beruf mache. Entscheidend ist der Umgang mit Situationen und sich darin eine Freiheit und eine Verbindung zum eigenen Bauchgefühl zu bewahren. Beim Spielen geht es gar nicht so sehr um die Bewertung dessen, sondern darum, viel ins Leben einzutauchen und viel zu erleben.

STANDARD: Sie sind ja vom Ballett zum Schauspiel gekommen. Waren der Drill und der Druck so schlimm, oder warum haben Sie das Metier gewechselt?

Epply: Es war die Suche nach anderen Ausdrucksformen, eine davon war zuvor Ballett. Ich hab das sehr gerne und mit viel Enthusiasmus gemacht, wollte aber wissen, welche Möglichkeiten es noch gibt, und Spielen ist einfach so wahnsinnig vielschichtig. In den Begegnungen und der Art des Ausdrucks. Das gibt mir unglaublich viel, und ich habe eine wahnsinnige Energie fürs Spielen. Das Spielen fußt ja auf meinen Erfahrungen mit Ballett. Es ist immer ein Umgang mit dem eigenen Körper und mit Körpern, die sich begegnen.

STANDARD: Sie spielen momentan mehr Theater als Fernsehen. Ist Ihnen die Bühne näher?

Epply: Ich versuche mit all meiner Energie und meinem Herzen, beides machen zu können, weil es da und dort noch so viel zu erleben gibt. Eine Präferenz habe ich nicht, generell ist es einfach auch projektbezogen. Sobald etwas zugesagt wird, geht es darum, Verdichtungen zu schaffen. Wie schaffe ich das möglichst dichteste Leben? Oder was will ich in welchem Rahmen erzählen? Deswegen mag ich es, das an unterschiedlichen Orten auszuprobieren.

STANDARD: In "Südpol" spielen Sie eine Kellnerin. Wie sieht bei Ihnen die Vorbereitung auf solche Rollen aus?

Epply: Ich war davor kellnern. Es geht mir darum, die Welt einer Figur möglichst rund zu gestalten. Speziell an dieser Rolle war, dass ich nie wusste, was am Abend gedreht wird, weil so viel darauf beruht, dass sich zwei Menschen begegnen. Juergen Maurer und ich sind in dem Raum, wir schauen uns in die Augen, und es passiert etwas. In unterschiedlichen Varianten und Nuancen ist das noch einmal mehr, als man sich ausmalen kann.

Das Handy in der Hand und die Angst im Nacken: In "Südpol" spielt Lili Epply die Kellnerin Ella, die von Hans (Juergen Maurer) als Geisel genommen wird.
Foto: ORF/Domenigg

STANDARD: Es gab Raum für Spontaneität und Improvisation?

Epply: Ja, und auch für Zwischentöne, für Ambivalenzen. Wir haben uns gegenseitig den Raum gegeben, um mehr zu erzählen. Juergen Maurer und ich haben uns darauf eingelassen loszulassen, dass man miteinander spielt, das ist dann wie im Leben: Alles kann passieren.

STANDARD: Als Kellnerin rauchen Sie im Lokal. Nach dem Inkrafttreten des Rauchverbots in der Gastronomie sollte das in der Realität jetzt nicht mehr vorkommen.

Epply: Das Gute ist auch, dass noch einmal ein Bewusstsein dafür geschaffen wird (lacht). Im Film hat das Rauchen halt diesen Ort sehr kreiert. Das Lokal existiert ja nicht, sondern es wurde erschaffen, und es hat sich verändert. Dieses Wechselspiel fand ich sehr interessant: Was gibt uns Schauspielern der Raum, und wie gehen wir mit ihm um? Dass es immer derselbe Raum war, war für mich eine neue Erfahrung. Es wurde ein Raum geschaffen, in dem alles passieren kann, und mit einem anderen Raum-Zeit-Verhältnis.

STANDARD: Rauchen war Teil des Spiels. In einer Szene bieten Sie Juergen Maurer eine Zigarette an.

Epply: Ich finde es so schön am Schauspiel, dass man so viel sagen kann, indem man nichts sagt. Man macht nur eine kleine Geste. Das gemeinsame Rauchen nimmt in dem Film einen sehr wichtigen Platz ein. Es steht stellvertretend für das, was zwischen den beiden passiert.

STANDARD: Der Film wurde im Böhmischen Prater gedreht. Haben Sie eine spezielle Beziehung zu Rummelplätzen?

Epply: Ich liebe den Wiener Prater, mag aber auch den Böhmischen Prater. Den kannte ich zuvor nicht so gut. Der ist so speziell und so sehr Wien. Da steckt so viel von der Stadt drinnen: sehr morbide und gleichzeitig sehr charmant. Der Böhmische Prater ist voller Geheimnisse, die es zu entdecken gibt. Als ich klein war, war ich oft im Prater. Das Kasperlspiel habe ich geliebt.

STANDARD: Sie sind in Wien aufgewachsen.

Epply: Generell kann ich sehr gut mit dieser Stadt. Man kann hier gut das Leben leben, das man leben möchte. Die kulturellen Möglichkeiten sind genauso toll wie die Infrastruktur, die Stadt bietet viele Möglichkeiten der Freizeitgestaltung. Und hat ein sehr gutes Leitungswasser, das ist nicht selbstverständlich. Und es schmeckt auch nicht überall, auch wenn man es trinken kann (lacht). Außerdem kann man in Wien sehr gut Menschen beobachten, das ist gut für das Spielen.

STANDARD: "Südpol" wird am Sonntag im ORF ausgestrahlt. Schauen Sie überhaupt noch lineares Fernsehen, oder sind Sie bereits umgestiegen und streamen nurmehr?

Epply: Ich sehe alles, was mich interessiert, und gebe fast allem eine Chance. Ich bin schon oft überrascht worden. Das Schöne an den Streaminganbietern ist das zusätzliche Angebot. Das macht es nicht unbedingt leichter, aber dafür bunter.

STANDARD: Welche Serien mögen Sie?

Epply: Ich mag das düstere Norwegische, Schwedische. "Die Brücke" finde ich zum Beispiel toll. Das erzählt so viel über diesen Ort und die dortige Filmlandschaft. Deswegen hat mich das auch so fasziniert. Ich spiele aber auch selbst gerne in Serien mit. "Schnell" finde ich ein sehr cooles Format mit einem tollen Cast. Man lebt seit Jahren mit der Uschi mit (Ursula Strauss, Anm.). In Serien lernt man einen Menschen kennen, der verändert sich auch. Ich habe in zwei Staffeln gespielt, mich aber auch in diesem Drehzeitraum verändert. Man begegnet dieser Figur dann wieder neu. Ich schaue aber auch gerne "Willkommen Österreich" und finde es generell wichtig, dass es Satire und Komödie gibt. Auch als Modell der anderen Umschreibung. Tragödie ist immer auch Komödie – auch "Südpol" ist in manchen Momenten sehr lustig, finde ich.

STANDARD: Sie spielen im Musikvideo "Columbo" der Band Wanda mit. Gefällt Ihnen das Pendeln zwischen den Genres?

Epply: Das war etwas ganz anderes, das habe ich davor noch nie gemacht. Ich mag das Spiel der Möglichkeiten im Ausdruck, wenn etwas reduziert wird. In dem Fall gab es mit dem Lied ja bereits die Tonebene, da blieb nur noch der Körper übrig, um mit der gesamten Gestik und Mimik etwas zu erzählen. Der ganze Körper erzählt ja immer etwas.

wandamusikVEVO

STANDARD: Müssen Sie sich mit der Rolle und in dem Fall dem Lied ein Stück weit identifizieren, oder ist das egal und Sie würden auch in einem Musikvideo von Hansi Hinterseer auftreten?

Epply: Es ist nie egal. Etwas zu machen ist eine bewusste Entscheidung, um etwas geben zu können. Ich bin sehr dankbar dafür, was ich machen darf. Ich finde, "Columbo" ist ein ganz tolles Lied mit einem ganz tollen Musikvideo. (Oliver Mark, 6.12.2019)

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