Meriania hernandoi findet man im ekuadorianischen Nebelwald und wird von Bienen bestäubt.

Foto: Uni Wien/Agnes Dellinger

Wien – Blütenformen und ihre Bestäuberinsekten sind das klassische Beispiel für Koevolution: Zwei völlig unterschiedliche Spezies, die sich wechselseitig an aneinander angepasst haben, um von dieser Beziehung zu profitieren. Was allerdings bisher unbeantwortet blieb, ist die Frage, ob sich bei diesem Prozess die ganze Blüte oder nur einzelne Teile davon adaptieren. Wiener Forscher zeigten nun am Beispiel einer tropischen Pflanzengruppe, dass die Anpassung tatsächlich modular erfolgt und sich etwa die Blütenblätter rascher als Staubblätter oder Stempel verändern.

Blütenpflanzen zeichnen sich durch eine große Vielfalt an unterschiedlichen Blütenformen und -größen aus. Dies ist eine Folge der evolutionären Anpassung an unterschiedliche Bestäuber wie etwa Bienen, Fliegen, Schmetterlinge, Kolibris oder Fledermäuse.

Rätselhafte Blütenanpassung

In zahlreichen Studien konnte bereits gezeigt werden, dass unterschiedliche Bestäuber jeweils einen starken Selektionsdruck auf Pflanzen ausüben können. So haben etwa vor allem von langschnabeligen Kolibris bestäubte Pflanzen Blüten mit langen röhrenförmigen Kronblättern ausgebildet. Doch das Wissen, wie sich die Blüten tatsächlich an die Bestäuber anpassen, ist nach wie vor lückenhaft.

Evolutionsbiologen um Agnes Dellinger und Jürg Schönenberger vom Department für Botanik und Biodiversitätsforschung der Universität Wien haben nun in einer im Fachjournal "Nature Communications Biology" veröffentlichten Studie die Blüten von 30 Pflanzenarten einer tropischen Pflanzengruppe (Merianieae) aus den Anden analysiert. "Jede dieser Pflanzenarten hat Anpassungen an entweder Bienen-, Vogel-, Fledermaus- oder Mäusebestäubung entwickelt", erklärte Dellinger. So haben etwa vorwiegend von Bienen bestäubte Arten eher offene Blüten mit vielen Pollen, während beispielsweise von Vögeln bestäubte Blüten eher glockenförmig sind und Nektar bilden, sagte die Biodiversitätsforscherin.

Organische Unterschiede

Die Wissenschafter erzeugten hochauflösende 3-D-Bilder der Blüten und analysierten diese mittels geometrisch-morphometrischer Methoden. So konnten sie zeigen, dass die Blütenevolution nicht homogen über die gesamte Blüte verläuft. Beispielsweise passten sich die bunten Blütenblätter schneller an die unterschiedlichen Bestäuber an als der Rest der Blüte. Die reproduktiven Organe der Blüte, also Staubblätter und Stempel, veränderten sich dagegen am langsamsten. Die Wissenschafter sind nun gespannt, ob "auch in anderen Pflanzengruppen eine ähnliche evolutionäre Entkopplung der Blütenorgane zu finden ist". (red, APA, 6. 12.2019)