Rafal Tomkiewicz gibt den Dramaking.

Foto: Herwig Prammer

Sein Aufstieg vom Bauer zum Selfmade-Kaiser ist bemerkenswert – und das in einer Zeit, in der soziale Durchlässigkeit in etwa so verbreitet war wie Flugscham. Obwohl: In seiner Inszenierung von Georg Friedrich Händels Giustino hat James Darrah den Handlungsgang der Barockoper ja vom Byzanz des vierten Jahrhunderts in das Jahr 1970 sowie in ein Motel am Rande der kalifornischen Mojave-Wüste verlegt. Den Aspekt des American Dream schenkt Darrah her, die wechselnden Szenerien des Librettos müssen der Enge eines Motelzimmers weichen, in der sich crazy gekleidete Sektenmitglieder sekkieren (Ausstattung: Adam Rigg). Gut, dass da wenigstens die detailgenaue Personenführung des Regisseurs und die Spielfreude der Sänger für Action sorgen.

Mit Verve stürzt sich etwa Rafal Tomkiewicz in die Rolle des Anastasio: ein echter Dramaking auch dank seines durchsetzungsfähigen Countertenors. Zur vokalen Regentin des Abends steigt Jenna Siladie als Anastasios Gattin Arianna auf, den Bad Guy Vitaliano gibt Johannes Bamberger mit keuschem Tenor und Kristján Jóhannesson weiß als intriganter Amanzio die Bärenstärke seines Baritons besonders fein zu dosieren.

Leider fällt der Interpret der Titelpartie etwas ab: Meili Li verleiht Giustino zwar sympathische Züge, die schlaffen Piani machen die Arien des Countertenors aber zum rezeptpflichtigen Schlafmittel. Mal aufgekratzt, mal schwebend wie ein Atemhauch: So interpretiert das Bach Consort Wien unter der Leitung von Markellos Chryssicos die (gekürzte) Fassung von Ulrike Becker im Orchestergräbchen. Die letzte Präzision wird sich bei den Folgevorstellungen sicher noch einstellen. Premierenjubel. (sten, 5.12.2019)