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Papst Benedikt XVI. (Anthony Hopkins) und der zukünftige Papst Franziskus (Jonathan Pryce) diskutieren über Gott und die Welt. Gleich werden sie beim Italiener Essen bestellen.

Foto: AP

Irgendwann einmal fällt in diesem Film tatsächlich der berühmte Spruch, dass auch Christus nicht vom Kreuz herabstieg. Wir schreiben das Jahr 2012. Der das sagt, nennt sich Papst Benedikt XVI. alias Joseph Aloisius Ratzinger. In seinem nahe Rom gelegenen Sommersitz Castel Gandolfo wird der Heilige Vater bald einen mit Helikopter eingeflogenen Kardinal aus Argentinien empfangen.

Der bescheidene Mann aus den Straßen von Buenos Aires namens Jorge Mario Bergoglio wird den Papst darum bitten, ihn aus seinem Amt zu entlassen. Jorge will wieder als einfacher Priester daheim in den Slums die Armen mit Suppe ausspeisen und Jugendliche von Bandenkriminalität abhalten. Lebenslang zum Kardinalstum verdammt, ist es ja auch nicht unbedingt tagesfüllend, auf Konklaven herumzusitzen, bis aus der Sixtinischen Kapelle weißer Rauch aufsteigt oder es schon wieder Probleme mit der Vatikanbank gibt. Ja, stimmt, die katholische Filmkommission wird gegen diesen Film nicht protestieren.

Mit dem Krückstock Richtung Oscar

Bevor es so weit ist, muss Bergoglio allerdings noch eine Leibspeise des aus dem bayerischen Marktl am Inn nahe dem Wallfahrtsort Altötting und seiner berühmten Gnadenkapelle kommenden amtierenden Oberhaupts der katholischen Kirche zu sich nehmen. Es geht um herzhaft in einer Suppe herumschwimmende Leberknödel. Kreiz Teifi, die kellnerierende Nonne versteht das angesichts der italienischen Küche im Umland auch nicht so recht.

Der Film The Two Popes dauert jetzt eine Viertelstunde. Man verspürt ein Völlegefühl. Nach einem Drehbuch von Anthony McCarten (Bohemian Rhapsody) und unter der Regie des mit der Favela-Blutoper City of God bekannt gewordenen Fernando Meirelles werden sich Anthony Hopkins als mit dem Krückstock Richtung Oscar tippelnder Benedikt XVI. und Jonathan Pryce als – Spoiler! – zukünftiger Papst Franziskus auch weiterhin kulinarischen Genüssen widmen. Da lässt sich der Produzent Netflix nicht lumpen.

Netflix

Hinter den Mauern des Vatikans prallen auch ideologische Gegensätze aufeinander. Es wird in diesem eher schlicht fürs Fernsehformat gedrehten "Schauspielerfilm" mit tüchtig eingesetzten Close-ups ordentlich etwas weggeredet. The Irishman im Priestermilieu. "Modernere" Theologie trifft auf konservative Bibelauslegung. Die Beatles und Dancing Queen von Abba kommen auch vor. All das, so wird behauptet, beruht auf wahren Gegebenheiten. Das ist Blödsinn. Leider kann man diesen ab sofort nicht mehr aus der Welt schaffen.

Während der rücktrittswütige Kardinal und der zeitschindende Bischof von Rom also 126 Minuten lang unter anderem auch in der nachgebauten (!!!) Sixtinischen Kapelle über Gott und die Welt, über Glaubenszweifel, die Tradition, den Fortschritt und andere Sachzwänge reden, wird zwischendurch Pizza picante gemampft und – Achtung, Schleichwerbung! – Fanta getrunken. Für den vergeistigten Benedikt XVI. kommt das einer weltlichen Ausschweifung schon sehr nahe.

Sieg für das Team Vatikan

Bevor Benedikt XVI. aufgrund seiner körperlichen Hinfälligkeit vom Kreuz herabsteigt und Bergoglio 2013 zum Papst Franziskus gewählt wird, bereitet The Two Popes als philosophisch angehauchte Bibelauslegungsromanze zwischen zwei katholischen Sturschädeln doch noch einige Probleme hinsichtlich des Drehbuchs.

Erstens wird die fragwürdige Rolle Bergoglios als früherer Leiter des Jesuitenordens in Argentinien während der Militärdiktatur (1976–1983) in ästhetisch gehaltenen Folterkellerbildern und Wackelkamerafahrten gesühnt. Zweitens blendet man die Themenbereiche Kindesmissbrauch von Priestern oder die Finanzgeschäfte des Vatikans diskret aus. Am Ende schauen die beiden Päpste miteinander Fußball und trinken Bier. Zwei zu null für das Team Vatikan. Prost! (Christian Schachinger, 6.12.2019)