Klement Tockner fordert 100 Millionen Euro pro Jahr für die Exzellenzinitiative

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Viel war in den vergangenen Jahren von einer besseren Finanzierung der Grundlagenforschung, einer Exzellenzinitiative für die heimische Wissenschaft und einem Wachstumspfad für Fördermittel die Rede. Umgesetzt wurde bis dato nichts davon. Zuerst fehlte die Einigung mit dem Finanzministerium über die Höhe der Mittel, dann kamen Ibiza und das Ende der schwarz-blauen Koalition. Klement Tockner, Präsident des Wissenschaftsfonds FWF, erneuert anlässlich der schwarz-grünen Regierungsverhandlungen seine Forderung, diese Pläne umzusetzen.

STANDARD: Was erwarten Sie sich von der vermutlich schwarz-grünen Bundesregierung?

Tockner: Wir haben seitens der Allianz österreichischer Wissenschaftsorganisationen klare Empfehlungen für den Wissenschaftsbereich abgegeben. Wir sind uns einig, dass mehr Mittel über den Wettbewerb vergeben werden müssen. Der Wissenschaftsfonds FWF zum Beispiel hat derzeit bereits rund 60 Millionen Euro pro Jahr zu wenig, um alle exzellent begutachteten Projektanträge auch bewilligen zu können. Wir haben außerdem eine große Vielfalt an Forschungseinrichtungen. Diese Vielfalt ist dann ein Wert, wenn sich Synergien zwischen den Institutionen ergeben, zum Beispiel über eine Exzellenzinitiative. Es geht aber auch um Vertrauen in das Forschungsland, und dazu braucht es einen ambitionierten Wachstumspfad. Ich erinnere dabei an den Pakt für Forschung und Innovation in Deutschland, durch den es 25 Jahre lang kontinuierliches Wachstum in der Forschung gibt. Das schafft Vertrauen aufseiten der Forschenden.

STANDARD: Zur Exzellenzinitiative: Wie kann die aussehen?

Tockner: Österreich hat großartige Forschungsbereiche, die man langfristig stärken muss, damit sie Weltklasse bleiben oder werden. Dann braucht es sogenannte Emerging Fields, in denen Österreich in fünf bis zehn Jahren eine internationale Führungsposition einnehmen kann. Da liegt Pionierarbeit vor uns. Insgesamt geht es darum, die besten Forschenden zu gewinnen, zu fördern und auch zu halten. Die Exzellenzinitiative unterstützt dabei die Universitäten und Forschungseinrichtungen in ihren eigenen strategischen Planungen. Auch Länder wie Neuseeland, Taiwan oder Tschechien haben Exzellenzinitiativen gestartet. Fast alle führenden Länder oder solche, die es werden wollen, investieren massiv in die Forschung. Es ist ein Signal: Wir investieren in unsere Zukunft.

STANDARD: Konkreter: Sie sprechen die Grundlagenforschung allein an?

Tockner: Die Exzellenzinitiative muss in erster Linie bottom-up sein, also von den Forschern ausgehen, aufbauend auf dem kreativen Potenzial, das im Land da ist, ohne Themen vorzugeben. Das schließt selbstverständlich Bereiche von großer gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Relevanz mit ein. Ich erwarte mir Anträge, die grenzübergreifend sind. Nicht nur innerhalb der Molekularbiologie und der Quantenphysik, um zwei Beispiele zu nennen. Man kann auch internationale Partner ins Boot holen, der Projektlead muss in Österreich bleiben.

STANDARD: Kann man mit einem derartigen Programm die Rolle von Wissenschaftern in der Gesellschaft stärken?

Tockner: Ich bin überzeugt davon. Forschende sichern Fakten ab, auch wenn Ergebnisse manchmal unbequem sind. Es ist unsere Verantwortung, das beste verfügbare Wissen in die Gesellschaft zu tragen, selbst wenn sich manche Gruppen dadurch vor den Kopf gestoßen fühlen. Wissenschafter sind allerdings keine Advokaten für eine bestimmte Mission, sondern "honest broker". Forschende dürfen sich nicht davon abhalten lassen, Unbequemes auszusprechen, und sollen zugleich zu konkreten Lösungen beitragen.

STANDARD: So wie Sie die Exzellenzinitiative beschreiben, klingt das nach einem millionenschweren Programm. Wie groß müsste eine solche Initiative wirklich sein, um etwas zu bewirken?

Tockner: Unsere Empfehlung ist es, das Programm auf zehn bis fünfzehn Jahre anzulegen, idealerweise mit einem Call jährlich. Die Wissenschafter müssen die Chance haben, sich auf eine Ausschreibung vorbereiten zu können und zu sagen, wir wollen in zwei Jahren so weit sein, um uns erfolgreich bewerben zu können. Die Initiative soll die Forschungslandschaft stimulieren und nicht nur die bestehenden Stärken stärken. In Deutschland gab es alle sieben Jahre eine Ausschreibung, das wäre für Österreich zu wenig. Ich denke an eine Größenordnung von 100 Millionen pro Jahr für die nächsten zehn bis fünfzehn Jahre.

STANDARD: Und wenn es nur einen Bruchteil der Mittel gibt?

Tockner: Würden wir nur 30 Millionen pro Jahr in die Förderung der Initiative geben, wären wir eher Wissenschaftsklempner. Es reicht einfach nicht, an kleinen Schrauben zu drehen, ein Exzellenzprogramm geht weit darüber hinaus. Österreich braucht einen Turbo für die Forschung. Forschende benötigen Freiraum ohne Vorgaben und Förderorganisationen die nötigen Mittel, um das vielfältige und kreative Potenzial zu heben. Ich setze auf den Mut und die Weitsicht der kommenden Regierung, die Exzellenzinitiative in vollem Umfang umzusetzen. Ich sehe auch gar keine Alternative. Wenn man will, dass es wieder zehn Jahre Stillstand gibt, dann legt man sie zurück in die Schublade. Wenn man jetzt zu dünn aufträgt, dann sind es verlorene Mittel. Entweder man macht es richtig, oder man macht es gar nicht. Besser als nichts ist nicht das, was wir haben wollen.

STANDARD: Österreichs Forschungspolitik bäckt gern kleine Brötchen. Der angesprochene Wachstumspfad für Fördermittel wirkt dagegen sehr ambitioniert.

Tockner: Es geht ja auch darum, aufzuholen. Drei Prozent Steigerung pro Jahr wäre ja nur die Abgeltung der Inflation und Kostensteigerung bei den Forschenden. Wir brauchten im Mittel sieben Prozent Anstieg pro Jahr, wobei es nicht um mehr Geld für den FWF, sondern um mehr Geld über den FWF an die Forschenden geht. Die Qualitätssicherung durch den FWF benötigt weniger als ein Prozent der jährlichen Antragssumme. Und die Nachfrage steigt, allein mit den 360 zusätzlichen Professuren kommen insgesamt etwa tausend Leute neu in den österreichischen Wissenschaftsbereich. Dazu die Central European University (CEU) sowie das wachsende IST Austria, um jetzt nur drei Beispiele zu nennen.

STANDARD: Ist mehr Geld für Projektanträge und für die Exzellenzinitiative die einzige Forderung an die kommende Bundesregierung?

Tockner: Nein. Ich erwarte mir, dass die Autonomie der Unis und Forschungseinrichtungen nicht nur erhalten, sondern weiter ausgebaut wird. Wenn wir von Freiheit der Wissenschaft reden, ist Autonomie zentral. Die Leute, die jetzt an die Universität kommen – dank Universitätsmilliarde –, müssen auch die Mittel bekommen, um im Wettbewerb bestehen zu können. Mehr Mittel über den Wettbewerb zu vergeben ist eine Notwendigkeit. Meine Forderung ist, nicht nur das Basisbudget des FWF zu erhöhen, sondern auch die Overheads für die Projekte zu finanzieren, also jene Kosten, die durch diese Projekte an den Unis zusätzlich entstehen. Wenn wir wirtschaftlich nicht ein Zulieferungsland werden wollen, dann müssen wir selbst die Innovation in diesem Land schaffen. Grundlagenforschung sichert die Zukunft aller Menschen, von der Medizin über das Klima bis zu den Arbeitsplätzen. (Peter Illetschko, 8.12.2019)