Der Duft von gebratener Wurst und Spareribs liegt in der Luft, an der holzvertäfelten Wand hängt ein Werbeposter für eine Biermarke. Draußen funkeln die bunten Lichter des Wiener Praters, doch drinnen, in einem Nebenraum des Restaurants Kolariks Luftburg, wird es schlagartig dunkel.

Der Stargast an diesem Novemberabend ist im Anmarsch, durch ein Fenster sehen die Gäste sie kommen: Valentina Grbic, 21 Jahre, im achten Monat schwanger, im Dezember erwartet sie ihr Baby. Freundinnen und Cousinen stehen mit ihren Kindern und Babys um den gedeckten Tisch und halten ihre Smartphones hoch. "Überraschung!", schreien sie, als Valentina mit ihrer Mutter und dem kleinen Bruder den Raum betritt.

In einem Lokal im Wiener Prater feiert die schwangere Valentina mit 19 Freundinnen ihre Babyshower: "Am besten sind die Geschenke!"
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Babyparty gehört dazu

Valentina umarmt, teilt Küsschen aus, wirklich überrascht wirkt sie aber nicht. Auch wenn ihre Mama Tanja sie damit gelockt hat, Abendessen gehen zu wollen. Sie hat das Fest organisiert. "Eine Babyparty gehört für eine Schwangere dazu", sagt sie. "Ein bisschen hab ich es geahnt", sagt ihre Tochter, als sie Platz genommen hat.

Valentina trägt Glitzerohrringe und die langen Haare zum Zopf gebunden, die Fingernägel sind manikürt. Die Schleife ihres dunkelgrünen Pullovers hängt über dem kugelrunden Bauch. Um sie herum werden Pepsi und Red Bull bestellt, aus den Lautsprechern tönt nun nicht mehr Enya, sondern serbische Musik. Die Gespräche drehen sich um Hebammen, um das Konzert der serbischen Folksängerin Ceca in Wien und die richtige Temperatur von Babymilch.

In der Babyshower feiert man die werdende Mutter.
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Babypartys erfreuen sich in Österreich immer größerer Beliebtheit. Die letzte Veranstaltung dieser Art, an der Valentina als Gast teilgenommen hat, war vor wenigen Monaten für jenes Baby, das in der Zwischenzeit seit zwei Monate auf der Welt ist und auf ihrem Schoß sitzt.

Der Trend der Babypartys stammt aus den USA, ist auf Europa übergeschwappt und wird auch in Österreich neudeutsch als "Babyshower" zelebriert. Entstanden ist er so, wie die meisten Trends entstehen: Ein Industriezweig erfindet ein Bedürfnis, sucht dafür einen griffigen Namen, bezahlt ein paar Influencerinnen für Instagram-Auftritte, woraufhin Medien über den "neuesten Trend" berichten.

Alle Schwangerschaftsstadien werden gefeiert

Derer gibt es im Lebensbereich "Elternschaft" einige: So reicht es nicht mehr nur, die Geburt zu feiern – wirklich alle Stadien der Schwangerschaft werden als Event inszeniert. Bei sogenannten "Gender-Reveal-Partys" wird Familie und Freunden mit großem Überraschungsbrimborium und bei Geschenken mitgeteilt, welche primären Geschlechtsmerkmale auf dem letzten Ultraschallbild zu erkennen waren.

Diese Partys sind derart beliebt, dass sich auf Instagram, Pinterest oder Youtube unter diesem Hashtag weit über eine Million Beiträge finden. Verreist eine Schwangere, dann fährt sie nicht mehr einfach nur auf Urlaub, sie begibt sich in den "Babymoon". Und wenn das Kind erst da ist ...

Man bastelt Torten aus Windeln und schenkt die Erstausstattung fürs Baby.
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In der Wiener Luftburg finden pro Monat im Schnitt zwei Babyshower-Partys statt. Dass es der Hype aus der aufpolierten Instagram-Welt in den Wurstelprater geschafft hat, zeigt, wie sehr er im Mainstream angekommen ist. Auf Valentinas Party serviert ein Kellner Fladen- und Schwarzbrot, Eiaufstrich, Liptauer, dazu Apfel- und Traubensaft in Sektgläsern.

Alles Bestandteil des Standardpakets, das Valentinas Mutter gebucht hat. Im Preis ab 210 Euro laut Anbieter-Website enthalten: der "herzig dekorierte Tisch", alkoholfreie Aperitifs, Snacks plus Sachertorte, mit Babyprodukten gefüllte Geschenksäckchen und thematisch passende Spiele, etwa ein Baby-Stadt-Land-Fluss mit Überthemen wie Babyspielzeug oder -nahrung.

Außerdem Babybrei zur Blindverkostung und Fragebogen für ein Baby-Mama-Quiz (Bauchumfang aktuell? Gewichtszunahme bis zur Geburt? Dauer der Geburt? Augenfarbe des Babys?).

"Das Beste sind die Geschenke", sagt Valentina und lacht. Auf dem Tisch hinter ihr liegen Kleidung, eine aus Windeln geformte Torte, Arrangements aus Cremes, Feuchtigkeitstüchern, Trinkflaschen, Schnullern und Rasseln.

Ein Profi-Shooting im Kreißsaal

Dass wirklich jeder Aspekt von Elternschaft auf seine kapitalistische Vermarktbarkeit abgeklopft wird, zeigen ein paar Klicks im Internet, wo man vom Zubehör für die Babyshower- oder Gender-Reveal-Party bis zum Babymoon-Thermenangebot wirklich alles buchen kann. Konditoren bieten Motivtorten und -Cupcakes an; in Krankenhäusern lässt sich der Fotograf oder die Fotografin für Profiaufnahmen direkt in den Kreißsaal bestellen.

Valentina wurde die Überraschungsparty von ihrer Mama geschenkt.
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Julian Amenth war einer der ersten Eventplaner in Österreich, der Gender-Reveal-Partys in sein Sortiment aufnahm. Seine 2012 gegründete Firma ist auf Hochzeiten und Kinderfeste spezialisiert. Nun organisiert er zwei Gender-Reveal-Partys im Jahr, Tendenz steigend.

"Anfangs konnte niemand etwas damit anfangen", sagt Amenth. Das habe sich geändert. Mittlerweile kooperiert er nicht mehr nur mit alteingesessenen Institutionen, sondern mit einer Reihe von kleinen Backstuben, die sich auf Motivtorten spezialisiert haben.

Party machen geht ins Geld

Auch Ekaterina Kozarova, die als "Party-Fee" Feste in Österreich organisiert, bemerkt eine Zunahme der Anfragen für Babyshower- und Gender-Reveal-Partys. Die rasante Verbreitung im Internet sorge für größere Bekanntheit der Anfragen. Die meisten organisierten ihre Feier allerdings immer noch privat: "Nicht alle sind bereit, große Summen für professionelle Dekoration auszugeben."

Das beobachtet Barbara Taussig-Schiebel anders. Seit 2014 bietet sie in ihrem Onlineshop Littleparty.at Partyzubehör an: Strohhalme, Einladungskarten, Girlanden, Pappbecher, alles gibt es für jedes Motto, von Bauernhof, Dinosaurier, Einhorn, Smiley bis zu Prinzessin. Sie bemerkt einen Trend, dass Eltern "mehr und prunkvollere Partys veranstalten und vor allem auch mehr investieren." Die Farben und Sujets entsprechen dabei in der Regel den klassischen Genderklischees. "Das wird sich auch nicht so schnell ändern", glaubt Taussig-Schiebel.

Ein bisserl Rosa fürs Mäderl

Die Frage, ob ein Baby als Bub oder Mädchen auf die Welt kommt, wird heute fast immer in Rosa oder Hellblau beantwortet. Dabei verhielt es sich jahrhundertelange umgekehrt. Rosa galt bis in die 1940er-Jahre als "helles Rot" und damit als Signalfarbe der Männlichkeit.

Blau ordnete man Mädchen zu, da sie die Farbe der Jungfrau Maria war. Babygewand war neutral, zumeist weiß gehalten. Bis Kleiderhersteller in den USA das bis immer noch gängige Farbschema einführten.

Die Feier findet mit viel Deko, speziellem Merchandising und in immer größerem Rahmen statt.
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Heute, wo die Frage der Geschlechtsidentität neu diskutiert wird, wird auch das hinterfragt. Dass Babyshowers in geschlechtergebundener Farbgebung gehalten werden, dass Gender-Reveal-Partys überhaupt stattfinden – all das widerspricht der Vorstellung, wonach das biologische Geschlecht und soziale Zuschreibungen nicht zwingend übereinstimmen müssen.

In allen Ländern der westlichen Welt bestehen Menschen auf dem Recht, sich nicht auf ein Geschlecht festlegen lassen zu müssen. Wieder sind die USA Vorreiter: In den Streit darüber, welche öffentlichen Toiletten Menschen, die sich weder als Mann noch als Frau fühlen, benützen dürfen, griff sogar Präsident Barack Obama ein. 2016 ordnete er per Weisung an, dass jedes Kind die Toilette seiner Wahl benützen dürfe.

Sein Nachfolger Donald Trump kippte die Anordnung 2017 als eine seine ersten Maßnahmen. Die Diskussion berührt eine verhältnismäßig kleine Anzahl von Menschen direkt, betrifft aber grundlegende Bürgerrechte. Die Heftigkeit, mit der die Diskussion geführt wird, offenbart die Polarisierung in sozial progressive und konservative Lager.

Die Gegenbewegung zum Trend ist schon im Gange

Die Debatte um Geschlechter, Sprachregelungen und Deutungshoheiten umfasst auch Babyshowers und Gender-Reveal-Partys. Und so stammt nicht nur der Trend aus den USA – auch die Gegenbewegung dazu wurde dort geboren.

Ausgerechnet jene Amerikanerin, die als Erfinderin der Gender-Reveal-Partys gilt, plädiert nun für ihre Abschaffung. Begonnen hat alles mit einem Blogeintrag im Jahr 2008: Darin schildert Jenna Karvunidis, wie sie Freunde und Familie einlud, mit ihr das Geschlecht ihres Kindes zu erfahren.

Sie bat ihren Frauenarzt, das Geschlecht in einem Brief mit versiegeltem Kuvert festzuhalten und diesen ungeöffnet an ihren Konditor zu schicken. Der wieder sollte den Brief öffnen und die Füllung des für die Feier bestellten Kuchens entsprechend einfärben. Als Karvunidis im Beisein aller den Kuchen anschnitt, offenbarte sich das Geschlecht in Form von rosa Creme. Der Blogeintrag verbreitete sich in Windeseile viral, das Konzept der Gender-Reveal-Party war geboren.

Bis zu den über die Tischdecke verteilten Stoff-Babyfüßen ist hier alles in Blau gehalten.
Foto: Heribert Corn www.corn.at

Seither werden weltweit eingefärbte Kuchen aufgeschnitten, Ballons mit Botschaft zum Platzen gebracht und farblich eindeutige Konfettiregen organisiert. Auf Youtube finden sich nicht nur rund 900.000 Vorbild-Clips für Gender-Reveal-Partys, sondern auch weniger geglückte Versionen.

Eines der bekanntesten Videos zeigt den Versuch eines 37-jährigen Mannes aus Arizona, blauen Rauch aus einer mit hochexplosivem Material gefüllten Box aufsteigen zu lassen. Der Nebeneffekt: Er löste damit einen kleinen Waldbrand aus.

Diese "Verrücktheiten" habe sie niemals lostreten wollen, schrieb Karvunidis mehr als ein Jahrzehnt nach ihrem ersten Blogeintrag auf Facebook. Sie hätte es damals gut gefunden, "weil es noch nicht 2019 war und wir nicht wussten, was wir heute wissen.

Alles in Blau fürs Bubi

Dass eine Geschlechterzuordnung bei der Geburt so viel Potenzial und Talente der Kinder außer Acht lässt, die nichts damit zu tun haben, was zwischen ihren Beinen ist." Ihre Tochter, führt die inzwischen dreifache Mutter aus, trage im Übrigen keine Röcke oder Kleider, schreibt sie.

Derlei Gedanken plagen die Runde bei der Babyshower-Party im Wiener Prater nicht, es überwiegt die Freude. Eingestickte Goldbuchstaben auf der sorgsam drapierten Kuscheldecke verraten den Namen von Valentinas Baby: Mateo.

Dass es ein Bub wird, hätte man bereits an der Deko erraten können. Von den Luftballons über die Servietten bis zu den über die Tischdecke verteilten Stoff-Babyfüßen ist hier alles in Blau gehalten. Das tut hier aber niemandem weh. (Anna Giulia Fink, 7.12.2019)