Für Kritiker der neuen Asylagentur ist die heimische Flüchtlingspolitik nach wie vor eine Baustelle.

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Wien – Für die Koalitionsverhandler sind es besonders harte Brocken. Bei nur wenigen anderen Themen bestehen zwischen Türkis und Grün vergleichbare Differenzen wie bei Asylfragen. Neben der Lehrlingsproblematik ist hier vor allem die bereits auf Schiene befindliche Verstaatlichung von großen Teilen des Umgangs mit Asylwerbern zu nennen.

Die diesbezügliche Schaffung einer staatseigenen Agentur, der BBU, wurde noch unter Türkis-Blau beschlossen – unter lauten Protesten, unter anderem von den Grünen.

Gleiche Leistung?

Geplant ist, sowohl die Flüchtlingsbetreuung als auch die Rechtsberatung Asylsuchender durch Agenturmitarbeiter abzuwickeln – mit dem Ziel einer "Senkung von Administrationskosten bei gleicher Leistung an den Grundversorgten". Letzteres ist der Wirkungsorientierten Folgeabschätzung, WFA, für das BBU-Gesetz zu entnehmen.

Doch laut der Asylsprecherin der Neos, Stephanie Krisper, wird dieser erwünschte Effekt unmöglich zu erzielen sein: "Die Regelung wurde als Verbesserung und Effizienzsteigerung verkauft, die auch noch Geld sparen soll. Doch das geben die Fakten nicht her", sagt sie nach genauem, durch Fachexpertise aufgefettetem Studium der Unterlagen, die das damals von Herbert Kickl, FPÖ, geführte Innenministerium für das Begutachtungsverfahren zur Verfügung gestellt hatte.

Sparen an der Sozialbetreuung

Konkret ist in erwähnter Folgenabschätzung ein empfindliches Minus beim Beschäftigtenstand im Sozialbetreuungsbereich als Einsparmöglichkeit eingepreist; also bei den Kräften, die in den Erstaufnahmezentren für einen funktionierenden Alltag sorgen sollen. Ab dem zweiten Halbjahr 2021 werde man die dortige Mitarbeiterzahl um bis zu 61 Vollzeitstellen verringern, heißt es in dem Papier.

Nicht zurückschrauben hingegen will man die Bürokratie. Von den Mitte 2021 insgesamt 373 in der Grundversorgung tätigen Personen sollen laut den dem STANDARD vorliegenden Informationen 122 ausschließlich administrative Tätigkeiten verrichten. Somit werde Mitte 2021 rund jeder fünfte Asylsozialbetreuer seinen Job verlieren, sagt Krisper. Die Betreuungsqualität werde dann wohl nicht mehr aufrechtzuerhalten sein.

Weniger Rechtsberater

Besagte Einsparungen sind ohne Schätzungen oder Annahmen geplant, dass die Asylantragszahlen bis dahin möglicherweise weiter sinken könnten. Auch konterkarieren sie die dem Vernehmen nach bestehende Absicht, die Betreuungsinfrastruktur für Asylsuchende in den kommenden Jahren in etwa auf gleichem Stand zu lassen, um für Antragssteigerungen gerüstet zu sein.

Personalmangel wiederum dürfte laut den noch unter Minister Kickl erstellten Planungen auf einen besonders umkämpften Arbeitsbereich der neuen Asylagentur zukommen. Die neue Rechtsberatung, die laut dem BBU-Gesetz ab 2021 von Agenturbeschäftigen ausgeübt werden soll, wird – so sie kommt wie geplant – mit relativ wenig Mitarbeitern auskommen müssen; im Bereich der dem Innenministerium unterstehenden Verfahrensschritte, also im Asylzulassungsverfahren, konkret mit nur 110 Beschäftigten.

Krisper: Rechtssicherheit gefährdet

Derzeit teilen sich die Arge Rechtsberatung und der Verein Menschenrechte Österreich diesen Arbeitsbereich. Allein bei der Arge, die weniger als die Hälfte der Beratungen durchführt, gibt es dafür 84 Vollzeitstellen. Aus dem zu den Einsparzahlen befragten Innenministerium kam als Antwort der Hinweis, dass Innenminister Wolfgang Peschorn am Donnerstag die Gründungsurkunde der neuen Asylagentur unterzeichnet habe.

Krisper sieht auf die Rechtssicherheit von Asylsuchenden in Österreich schlechte Zeiten zukommen. "Wenn die Ressourcen für Rechtsberatung verknappt werden, läuft das auf weniger Einsprüche hinaus", sagt sie. Die gescheiterte türkis-blaue Bundesregierung habe Asylwerbern den Zugang zu ihrem Recht erschweren wollen, um kürzere Verfahren zu erreichen: "Das ist der vollkommen falsche Weg und eines Rechtsstaats nicht würdig."

Appelle an Koalitionsverhandler

Damit teilt sie die Ansicht vieler BBU-Kritiker, die sich in den vergangenen Tagen an die Koalitionsverhandler gewandt haben. In einem sieben Punkte umfassenden offenen Brief der von über 30.000 Personen unterstützten Initiative gegen Unmenschlichkeit steht die "Sicherstellung einer unabhängigen Rechtsberatung für Asylsuchende in Österreich" gleich am Anfang.

Vom Asyl-NGO-Zusammenschluss Asylkoordination kommt dazu ein pragmatischer Vorschlag. BBU-Gesetz hin oder her, als rote Linie gelte: "Die operative Rechtsberatung muss durch nichtstaatliche Akteure ausgeführt werden." (Irene Brickner, 6.12.2019)