In Koalitionsverhandlungen über Österreichs Medienzukunft: ÖVP-Chef Sebastian Kurz mit den Grünen, Signa-Chef und "Krone"-Investor René Benko (rechts) mit den Dichands über die gemeinsame Zukunft bei Österreichs größter Tageszeitung.

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Wien – Nicht allein ÖVP und Grüne führen gerade Koalitionsverhandungen auch über Österreichs Medienzukunft. Parallel laufen die Koalitionsverhandlungen bei einem der größten Player in dieser Medienbranche, der "Kronen Zeitung", zwischen der Eigentümerfamilie Dichand und Neo-Gesellschafter und Immobilienmilliardär René Benko. Ihre Koalitionsgespräche brauchen schon deutlich länger als zwischen Türkis und Grün.

Recht schnell dürften ÖVP und Grüne in Medienfragen bisher unterwegs sein. Zwei Termine gab es nach STANDARD-Infos zu Themen wie ORF und Gebühren, Medienförderungen und Informationsfreiheit. Daraus kann man auf überraschend schnelle Einigkeit bei teils weit auseinander liegenden Ausgangspositionen schließen. Oder darauf, dass die Regierungsverhandler gerade wegen schwer vereinbarer Positionen wesentliche Teile lieber erst einmal offen lassen. Einzelne Themen sind schon markiert und damit reserviert für Schlussrunden auf hoher Ebene.

Die Verhandler schweigen auch zu Medienthemen recht eisern. Ein paar Grundlinien und Schlaglichter lassen sich aber – ohne Gewähr – absehen.

GIS und Haushaltsabgabe

Von den – vor allem von der FPÖ getriebenen – Ideen, den ORF statt aus Rundfunkgebühren aus dem Staatsbudget zu finanzieren, dürfte sich die ÖVP fürs Erste verabschiedet haben. Sieben von neun österreichischen Bundesländern nehmen rund 150 Millionen Euro pro Jahr aus Abgaben auf die GIS-Gebühren ein und verzichten darauf nur sehr ungern, zeigten zuletzt Länderproteste gegen die Abschaffung der GIS erst im Frühjahr. Oberösterreich und Vorarlberg haben zwar schon keine regionalen GIS-Abgaben, Niederösterreich und Steiermark aber heben neben Wien die höchsten ein.

Die GIS dürfte nach bisherigen Infos aus den Verhandlungen auch künftig bleiben. Bisher fällt sie aber nur auf TV- und Radio-Empfang an, nicht aber auf Streaming von Rundfunkinhalten. Die Grünen haben eine Haushaltsabgabe wie in Deutschland in die Verhandlungen eingebracht, unabhängig vom Empfang(sweg). Wesentliche Teile der ÖVP lehnen eine Haushaltsabgabe wie bisher als neue Steuer ab. Ein Kompromiss könnte in der GIS auch für Streaming, aber ohne das Label Haushaltsabgabe liegen.

Medienförderungen, Quoten, Kooperation

Wesentliche Mehreinnahmen aus einer erweiterten GIS dürften eher nicht dem ORF zugute kommen, sondern in Förderungen für private Medien fließen. Im Frühjahr haben ÖVP und FPÖ noch rasch die Förderung für kommerzielle Sender von 15 auf 20 Millionen erhöht; beim folgenden Antragstermin holte die Mediengruppe Österreich gleich die höchsten Förderbeträge von der RTR. Nun dürften auf Drängen der Grünen jedenfalls auch die Mittel für nicht kommerzielle Sender erhöht werden.

Für den ORF wird spannend, wie weit er Privaten entgegenkommen muss. Kooperation österreichischer Medien dürften beide Parteien gut finden. Einzelne Privatsender wünschen sich wesentlichen Zugriff auf ORF-Inhalte – bei den Grünen soll das nicht so gut ankommen wie bei der ÖVP. Ähnliches soll für die ÖVP-Pläne gelten, dem ORF Programmanteile (Genres und österreichische Inhalte) für jeden Kanal vorzuschreiben.

Förderung auch für digitale Medien und nicht alleine für gedruckte ist Thema auf beiden Seiten. Die ÖVP widmete 15 Millionen Euro aus der noch vor der Wahl mit der FPÖ beschlossenen Digital(werbe)steuer für eine digitale Medienförderung, die das Gesetz darüber nicht näher bestimmt.

ORF-Entscheider

Schwierig wird es bei den Entscheidungs- und Aufsichtsgremien des ORF. Die Grünen wünschten sich im Wahlkampf einen Konvent, der den Stiftungsrat des ORF beschickt. Die ÖVP dürfte wenig Handlungsbedarf sehen – sie stellt nach bisherigem Reglement die weitaus größte Fraktion im Stiftungsrat mit den Mandaten von Bundesregierung, Parteien, Bundesländern und mehrheitlich vom Kanzler beziehungsweise Medienminister bestimmten Publikumsrat. Der Stiftungsrat bestellt bisher die Führung des ORF und entscheidet alle wesentlichen unternehmerischen Fragen. Ein Vorstand für den ORF statt eines Alleingeschäftsführers ist erklärtes Ziel der ÖVP.

Alleingeschäftsführer des ORF ist Alexander Wrabetz, bestellt bis Ende 2021. Er hat gerade im Publikumsrat des ORF erklärt, dass er es mit Gremien oder Finanzierungsfragen nicht so eilig hat – solche grundlegenden Fragen sollten auch gründlich diskutiert werden.

Digitalpaket

Wrabetz wünscht sich ein rasches Digitalpaket, das dem ORF erlaubt, Sendungen und Inhalte alleine oder zuerst für Onlineangebote zu produzieren und Sendungen länger als sieben Tage abrufbar zu halten, im Gespräch ist da ein Jahr. Für eine gemeinsame Online-Werbevermarktung mit privaten Medien ("Austria Markteplace") müsste der Gesetzgeber ihm Werbe-Targeting erlauben. Wrabetz plädierte (wieder einmal) im Publikumsrat, diese Themen vorzuziehen.

In einem Punkt dürften ÖVP und Grüne rasch einig sein: Ein Informationsfreiheitsgesetz statt des Amtsgeheimnisses haben beide vor der Wahl versprochen beziehungsweise gefordert. Das tun fast alle Parteien im Nationalrat allerdings schon eine lange Weile ohne Ergebnis. Im Detail könnten da bei rascher Einigkeit für ein Regierungsprogramm noch einige Diskussionspunkte warten.

Noch vor dem Ende der ÖVP/FPÖ-Regierung schickte der damalige Medienminister Gernot Blümel (ÖVP) einen Gesetzesentwurf in Begutachtung, der eine namentliche Registrierungspflicht für die Teilnahme an Onlineforen verlangte. Die Grünen und ihre neue Mediensprecherin Eva Blimlinger haben sich bisher entschieden dagegen und für die Moderation von Foren als sinnvollere Maßnahme ausgesprochen. Der langjährige Mediensprecher der Grünen, Dieter Brosz, berät die Partei inzwischen als Experte für Verhandlungen.

Verhandler und Experten

Medienthemen werden in den Koalitionsverhandlungen in der Gruppe "Staat, Gesellschaft und Transparenz" besprochen, federführend hier Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka für die ÖVP und Alma Zadić für die Grünen. Eva Blimlinger verhandelt hier als Mediensprecherin der Grünen wesentlich mit, für die ÖVP der weiter sehr medieninteressierte Exmedienminister Gernot Blümel. Blümel greift gerne weiter auf das medienjuristische Wissen von Philipp König zurück, den er 2018 als Experten in sein Kanzleramtsministerium für EU, Kultur, Medien geholt hat.

König arbeitete zuvor für den ORF im Team des Finanzdirektors. Dorthin geholt hat ihn der Bürgerliche Richard Grasl, der sich 2016 fürs Erste aus dem ORF verabschiedet hat, nachdem er Alexander Wrabetz bei der Bestellung des ORF-Generals unterlegen war. Grasl ist inzwischen Mitglied der "Kurier"-Chefredaktion und leitet dort die Digitalredaktion*. Und damit begründet Grasl auf STANDARD-Anfrage auch, dass er "natürlich" nicht für die ÖVP über Medienthemen koalitionsverhandle, wie zuletzt kolportiert wurde. Immer wieder dreht in der Branche die Spekulation ein paar weitere Runden, Grasl könnte über die Zwischenstation der "Kurier"-Chefredaktion einen neuerlichen Anlauf an die ORF-Spitze versuchen.

Grasls Sachkenntnis dürfte in die Koalitionsgespräche einfließen, sagen zumindest Menschen mit Einblick in die Verhandlungen. Etwa über den niederösterreichischen Landsmann Sobotka oder auch über Mitglieder des ORF-Stiftungsrats, die in den Koalitionsverhandlungen eine Rolle spielen sollen.

"Krone"-Koalitionsgespräche

Bei den "Krone"-Koalitionsgesprächen geht es um die künftige Zusammenarbeit der Familie Dichand als 50-Prozent-Gesellschafter von Österreichs größter Tageszeitung mit dem 2018 eingestiegenen Immobilien- und Handelstycoon René Benko. Er hat sich an jener Firma beteiligt, in der die mit den Dichands seit Jahrzehnten streitende deutsche Funke-Gruppe ihre 50 Prozent an der "Krone" und fast 50 Prozent am "Kurier" gebündelt hat.

Benko will die Funke-Anteile komplett übernehmen. Bedingung dafür ist aber ein Ende oder eine Neuregelung der Vorrechte der Dichands: Sie erhalten von den Mitgesellschaftern einen garantierten Jahresgewinn unabhängig vom Geschäftsgang der "Krone", für den inzwischen schon mehrfach die Funke-Gruppe geradestehen und jeweils hohe einstellige Millionenbeträge überweisen musste. Die Dichands haben auch Vorrechte bei der Besetzung der Redaktion und vor allem ihrer Führung.

Schiedsrichter vom Feld

Die Funke-Gruppe hat die Vorrechte gekündigt, die Dichands haben dagegen (wieder einmal) ein Schiedsgericht nach Schweizer Recht angerufen. Die für diesen Herbst erwartete Entscheidung könnte sich verzögern: Nach unbestätigten STANDARD-Infos hat sich der von der "Krone" entsandte Schiedsrichter vor einigen Wochen aus dem Schiedsgericht zurückgezogen.

Weit fortgeschritten – schon im September

Wie die Gespräche bei der "Krone" laufen, kann man aus Kleinigkeiten ableiten: Die von Eva Dichand geführte Gratiszeitung "Heute" brachte in ihrer Fotostrecke zu Sebastian Kurz' Adventempfang "Punsch & Maroni" diese Woche Bilder von Kurz mit Eva und ihrem Mann Christoph Dichand, dem "Krone"-Eigentümervertreter und -Herausgeber, ebenso wie von Kurz mit Benko, einem Vertrauten des ÖVP-Chefs. Benkos für die Dichands überraschender Einstieg bei der "Krone" im Herbst 2018 trübte die davor ausgeprägte redaktionelle Begeisterung der "Krone" für Kurz vorübergehend spürbar.

Eva Dichand sprach allerdings schon Anfang September 2019 von "sehr weit fortgeschrittenen" Gesprächen der Dichands mit Benko über das Zusammenleben in der "Krone". Dichand ist an "Heute" beteiligt, nicht aber an der "Krone".

Nun gilt für beide Koalitionsgespräche über Österreichs Medienzukunft jedenfalls und recht einfach im Kalender abzulesen: Für einen Abschluss vor Weihnachten ist nicht mehr viel Zeit. (fid, gra, 6.12.2019)