In Österreich ist das Einfrieren von Eizellen ohne medizinische Indikation nicht erlaubt.

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Seit zwei Jahren liegen in einer Salzburger Kinderwunschklinik 49 Eizellen von Christine W. auf Eis. Die 42-Jährige entschied sich dazu, ihre Eizellen einfrieren zu lassen – um ihre biologische Uhr auszutricksen. Denn mit steigendem Alter wird es für eine Frau erst schwierig und dann unmöglich, auf natürlichem Weg schwanger zu werden. Außerdem steigt mit dem Alter der Mutter das Risiko, dass das Kind mit einer Beeinträchtigung auf die Welt kommt.

Dank der Eizellen, die jetzt bei minus 196 Grad auf flüssigem Stickstoff gelagert werden, kann Christine W. theoretisch auch in vielen Jahren noch mittels künstlicher Befruchtung schwanger werden. Die Eizellen kann sie nämlich jederzeit auftauen, künstlich befruchten und dann in ihre Gebärmutter einsetzen lassen – sie werden dann jene Qualität haben, die sie bei der Entnahme mit 40 hatten. "Damit habe ich mir den Zeitdruck genommen", sagt Christine W. und lächelt zufrieden.

Noch verspürt sie keinen Kinderwunsch, obwohl viele Freundinnen und Freunde längst Nachwuchs bekommen haben. Kinder kann sich W. nur mit dem richtigen Mann "und als Sahnehäubchen einer Beziehung" vorstellen: "Ich will keine Kinder, sondern eine Familie gründen."

Kinderwunsch verschieben

Das Einfrieren von Eizellen ohne medizinische Notwendigkeit wird Social Freezing genannt. Die Methode sorgte vor einigen Jahren für Diskussionen, als Konzerne wie Facebook und Apple ihren Mitarbeiterinnen die Finanzierung der Behandlung anboten, so diese ihren Kinderwunsch der Karriere zuliebe auf später verschieben würden. Während einige es für gut befinden, weil Frauen sich so – theoretisch – nicht mehr zwischen Kind und Karriere entscheiden müssen, fürchten andere, dass Unternehmen sich auf diese Weise in die persönlichsten Lebensbereiche ihrer Mitarbeiterinnen einmischen.

Christine W. heißt in Wahrheit anders. Aber sie möchte mit ihrem Namen nicht in der Zeitung stehen.Früher, erzählt sie bei einem Treffen in einem Wiener Kaffeehaus, sei sie ganz offen mit dem Thema umgegangen. Speziell von Männern sei sie aber oft missverstanden und für ihre Entscheidung angefeindet worden. Ihr sei die Karriere wichtiger als ein Kind, so ein immer wiederkehrender Vorwurf. Dabei hatte ihre Karriere nichts mit der Entscheidung zu tun. Ganz im Gegenteil: Eine Zeitlang zugunsten eines Kindes zu pausieren wäre in ihrem Job kein Problem. Ausschlaggebend sei gewesen, dass sie Single war.

Wieder ausgeredet

Mit 35 sprach Christine W. erstmals mit ihrem Gynäkologen über die Möglichkeit, ihre Eizellen einfrieren zu lassen. Dieser habe sich aber nicht wirklich ausgekannt "und mir das quasi wieder ausgeredet". Fünf Jahre später entschied sie sich dennoch für den Schritt. Damals war sie 40. Das ist schon verhältnismäßig spät, denn mit steigendem Alter wird es immer schwieriger, ausreichend Eizellen zu gewinnen. 15 bis 18 sollten es pro gewünschtem Kind mindestens sein. Bei Frauen um die 40 im Idealfall noch mehr, weil nur noch 20 Prozent der Eizellen intakt sind. Bei Christine W. waren sechs Hormonzyklen notwendig, um 49 Eizellen zu gewinnen. Bei jüngeren Frauen können weniger reichen.

Damit mehrere Eizellen heranreifen, ist eine Hormontherapie notwendig: Christine W. verabreichte sich ihre Hormonspritzen selbst in eine Bauchfalte. Die Hormontherapie vertrug sie gut. Selten kann es aber auch zu einer Überstimulation und damit einer Vergrößerung der Eierstöcke kommen. Christine W. hingegen konnte sogar Sport treiben.

Alle paar Tage machte ihr Frauenarzt einen Ultraschall – und meldete die Anzahl der heranwachsenden Eizellen und deren Durchmesser per E-Mail an die Kinderwunschklinik. Sobald ihre Eizellen die richtige Größe erreicht hatten, wurde ihr eine Reifungsspritze verabreicht und die Hormonbehandlung abgeschlossen. Dann fuhr sie mit dem Zug nach Salzburg, wo ihr unter Kurznarkose die Eizellen durch die Scheide entnommen wurden. "Nach einer Stunde war alles erledigt", sagt sie.

Schwanger bis ins Alter

In Österreich ist das Einfrieren von Eizellen ohne medizinische Indikation nicht erlaubt. Möglich ist es dann, wenn aufgrund von Krankheiten die Fortpflanzungsfähigkeit verlorengeht. Dazu zählen Krebs, aber auch Erkrankungen wie Endometriose, erklärt Andreas Obruca, Leiter des Wiener Kinderwunschzentrums Goldenes Kreuz. In Tschechien und Deutschland steht der Eingriff jederfrau offen.

Ein großes Thema ist Social Freezing laut Obruca in Österreich nicht. Ein bis zwei Anfragen gebe es dazu in seiner Klinik pro Monat. "Die Krux ist aber, dass sich viele Frauen erst melden, wenn sie schon zu alt sind." Sinnvoll könnte das Einfrieren beispielsweise dann sein, wenn jüngere Frauen sich ihre Eierstockreserven testen lassen – und herausfinden, dass sie bereits mit 35 in den Wechsel kommen könnten.

Der Natur sind trotz Social Freezing Grenzen gesetzt: Zwar reduziert man durch jüngere Eizellen viele Risikofaktoren. Schwangerschaftskomplikationen wie Diabetes und Frühgeburten treten bei älteren Frauen dennoch häufiger auf.

Ganz schön teuer

Christine W. empfiehlt das Social Freezing trotzdem jeder Frau über 35, die Single ist. Dafür ist aber ein entsprechendes Budget nötig: Zwischen 2500 und 3000 Euro kostet ein Freezingzyklus, für Medikamente kommen noch einmal um die 800 Euro dazu. Die Lagerung in flüssigem Stickstoff ist mit einigen Hundert Euro pro Jahr da fast schon günstig. Und sollte der Kinderwunsch dann erwachen, kommen noch die Kosten für die In-vitro-Fertilisation dazu. "Ich würde einfach empfehlen, dass sich jede Frau rechtzeitig darüber Gedanken macht, ob sie Kinder will", sagt Obruca.

Diese Entscheidung hat Christine W. mit dem Social Freezing ein Stück weit in die Zukunft geschoben. Ob ihre Eizellen ein Dasein im flüssigen Stickstoff fristen, bis sie sich vom Kinderwunsch verabschiedet hat, oder ob sie irgendwann doch noch zum Einsatz kommen, ist offen. "Aber so weiß ich, dass ich die Option habe", sagt sie. Mittlerweile lebt sie wieder in einer Beziehung. Sie und ihr Freund sind sich einig: Auch ein kinderloses Paar ist eine Familie. Demnächst werden sie zusammenziehen: "Platz für ein Kinderzimmer hätten wir." (Franziska Zoidl, 8.12.2019)