Man sieht es der sattgrünen Pflanze in Andrea Bamachers Büro in Wien nicht an: Sie ist zumindest im Sinne des Suchtmittelgesetzes harmlos. Wer einen Joint rauchen will, greift zu THC-haltigem Cannabis. Bamachers Unternehmen verarbeitet Industriehanf zu Tees, Flocken, Ölen, Extrakten – alles bio. Die psychoaktive Substanz Tetrahydrocannabinol (THC) ist herausgezüchtet, nicht aber der Wirkstoff Cannabidiol (CBD). Behörden tun sich mit dieser Unterscheidung schwer, sagt Bamacher. Die hat ihr viel Ungemach beschert. Trotzdem ist das Deep Nature Project zu einem der größten Hanflebensmittelproduzenten Europas herangewachsen.

STANDARD: Sie verfolgen die Regierungsbildung wohl mit Argusaugen. Immerhin lag vor zwei Jahren ein Verkaufsverbot von Hanfpflanzen und Hanfsamen in Österreich in der Luft.

Bamacher: Na ja, es gibt bei den Parteien schon eine öffentliche Haltung zum Thema Hanf. Die FPÖ hätte das Verbot im Programm gehabt. Das Problem ist, es wird vieles vermischt. Redet man von Hanf, glaubt jeder, man redet von Kiffen, Marihuana und THC (die psychoaktive Substanz Tetrahydrocannabinol verursacht die berauschende Wirkung), und alles ist Droge und verboten. Dabei heißt die Gattung Cannabis, der Überbegriff für alle Hanfsorten. Marihuana ist THC-haltiger Hanf. Im Industriehanf wurde das THC herausgezüchtet.

Der Erfolg der CBD-Produkte überraschte Bamacher, Gründerin, Miteigentümerin und Geschäftsführerin von Deep Nature Project.
STANDARD/Regine Hendrich

STANDARD: Ist der Unterschied nicht dem letzten Laien klar?

Bamacher: Bei der Bevölkerung ja, aber nicht in den Behörden.

STANDARD: Sie hatten vor Jahren die Justiz am Hals, weil Sie nicht nur Stecklinge verkauft, sondern auch Ratschläge zur Ernte erteilt haben sollen.

Bamacher: Wir haben 2011 in Gols ein Stecklingsgeschäft eröffnet. Im Vorfeld habe ich auf der Bezirkshauptmannschaft Rechtsauskunft verlangt, ob das legal ist. Ist es, hieß es im Bescheid. Ich habe gewusst, dass es immer wieder einmal Razzien gibt und die Geschäfte dann weiter verkaufen dürfen. 2014 ist man dann in Gols draufgekommen: Nein, wir wollen dieses Geschäft so hier nicht. Es wurde zugesperrt, sechs Wochen versiegelt, alles umgeschnitten.

STANDARD: Aufgegeben haben Sie trotzdem nicht?

Bamacher: Wir haben beschlossen, dass wir nicht aufgeben, sondern mit dem Industriehanf weitermachen. Wir hatten schon 2013 Öle entwickelt, die wir in den letzten sechs Jahren verbessert haben. 2014 sind wir mit dem ersten CBD-Produkt auf der Hanf-Messe gestanden. Das hat unglaublich gut funktioniert.

STANDARD: Der im Industriehanf enthaltene Wirkstoff Cannabidiol (CBD) ist nicht psychoaktiv. Im Herbst 2018 gab es aber neuerlich einen Rückschlag. Die damalige Ministerin Hartinger-Klein hat das Inverkehrbringen CBD-haltiger Lebensmittel per Erlass für unzulässig erklärt. Wie ging es da weiter?

Bamacher: Durch den Erlass haben sich viele Firmen genötigt gefühlt, statt Nahrungsergänzungsmittel Aromaöl, Raumspray oder irgendetwas auf ihr Hanföl zu schreiben, um nicht in Konkurs zu gehen. Das führt dazu, dass sie jetzt nicht mehr kontrolliert sind. Die könnten jetzt also reinmischen, was sie wollen.

STANDARD: Sie produzieren Tee, Samen, Tropfen. Anlass für den Erlass war auch die Neuinterpretation der EU-Novel-Food-Richtlinie. Mit welchen Folgen?

Bamacher: Dieser Erlass ist an die Lebensmittelbehörden der Länder gerichtet. Aber es wird enorm hoher Druck erzeugt. In Wien geht das Marktamt zu den einzelnen Shops und sagt, sie müssen die Produkte aus den Regalen entfernen. In Vorarlberg gibt es solche Sachen nicht, im Burgenland, in Niederösterreich oder Wien schon. Es gibt da wahrscheinlich in der Industrie ein Interesse.

Marihuana darf nur die Ages anbauen. Das eine ist Cola, das andere Bier. Es heißt nur Hanf. So sieht sie das.
Foto: STANDARD/Regine Hendrich

STANDARD: Aber die Novel-Food-Novelle ist in erster Linie zum Schutz der Konsumenten gedacht. Sie umfasst alles, was nach 1997 erstmals auf dem Markt verkauft wurde und wo man nicht ausreichend zu wissen scheint, ob das schädlich ist. Ist das nicht gut?

Bamacher: Ich sehe vollkommen ein, dass Konsumenten geschützt werden. Bei Produkten, die ganz neu sind, die im Labor entwickelt werden, die genetisch veränderte Pflanzenstoffe beinhalten. Bei einer Pflanze, die seit tausenden Jahren verwendet wird, sehe ich das nicht ein. Wir sind biozertifiziert, ein Lebensmittelproduzent, der ganz strenge Regeln hat, eine Chargenrückverfolgung. Wir wissen vom Samen, auf welchem Feld er gewachsen ist. Wir starten gerade Studien, die zeigen sollen, das CBD-Produkte keine schlechten Nebenwirkungen haben.

STANDARD: Sie dürfen nur Dinge wie Harmonie und innere Balance versprechen. Wie weiß ich als Konsument, dass das besser ist als Granderwasser oder Rosmarin?

Bamacher: Da will ich überhaupt nicht bewerten, ob Mistel, Granderwasser oder Rosmarin der bessere Extrakt oder die bessere Pflanze für die Gesundheit sind.

STANDARD: Es ist aber ein Unterschied, ob ich Rosmarin aus dem Garten hole oder 40 Euro für 30 Milliliter Öl hinblättere.

Bamacher: Der große Unterschied zwischen Hanf und anderen Kräutern oder Pflanzen ist: Da sind Cannabinoide drin. Das produziert unser Körper auch. Hanf wirkt so harmonisierend auf den ganzen Körper, weil die Moleküle im Hanf und im Körper sehr ähnlich sind. Wir haben in unserem Körper Rezeptoren, wo die Moleküle andocken können.

STANDARD: Wer sagt mir als Konsument, dass das nicht nur ein teures, kultiges Lifestyleprodukt ist?

Bamacher: Ich kann auf die Erfahrung von vielen unserer Kunden zurückgreifen. Die nehmen das, weil es ihnen guttut. Es gibt mittlerweile auch Studien, die zeigen definitiv, dass es in vielen Bereichen auch heilende, verbessernde oder bei Krankheiten unterstützende Wirkung im Heilungsprozess gibt. Völlig falsch wäre es, zu sagen, Hanf ist ein Wundermittel. Es ist auch nichts, was man in rauen Mengen jeden Tag über die nächsten zwanzig Jahre nehmen sollte. Aber viele Leute nehmen im Herbst auch eine höhere Dosis an Vitamin C, weil sie der Meinung sind, es stärkt das Immunsystem. So ähnlich ist das zu betrachten. Ich als Lebensmittelproduzentin muss wahnsinnig darauf achten, was ich über das Produkt sage. Ich komme ganz schnell in eine Zwickmühle.

Hanf ist nicht gleich Hanf. Die Konsumenten wissen das sehr gut, sagt Andrea Bamacher. Nur die Behörden tun sich noch ein bisschen schwer.
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STANDARD: Da reite ich Sie gleich wieder hinein: Sie legen viel Wert auf die Begriffe. Dabei sind die ersten Aufzeichnungen von der Anwendung zu rituellen Zwecken 2500 Jahre alt. Haschischkonsum war in Europa verbreitet. Wir haben einen Ort namens Hanfthal. Hanf hat doch eine große Tradition?

Bamacher: Aber auch als Nutzpflanze. Wir hatten vor der Prohibition eine intensive Hanfwirtschaft, auch in Gols. Aber eigentlich in ganz Österreich, ja ganz Europa. Sehr intensiv in Italien, Griechenland, Spanien. Die Franzosen haben auch nie aufgehört. Die haben eine riesengroße Hanflandwirtschaft. Der maximale THC-Gehalt von 0,2 Prozent, der in ein paar europäischen Ländern gilt, kommt aus Frankreich. In Österreich gilt 0,3, in Italien 0,6, in der Schweiz ein Prozent. Die Politik müsste sich wirklich damit befassen, um das zu harmonisieren.

STANDARD: An der Pflanze ist nicht erkennbar, um welche Art von Hanf es sich handelt. Bekomme ich im Ernstfall Probleme?

Bamacher: In Deutschland ist diese Pflanze, so wie sie ist, verboten. Man darf Industriehanf mit maximal 0,2 Prozent THC anbauen. Das muss man vorher anmelden, und man braucht auch schon einen Abnehmer für die Ernte. Man geht aber mittlerweile in ganz Europa schon viel liberaler damit um. Wenn ich eine solche Pflanze im Auto mitführe, kommt es auf den jeweiligen Exekutivbeamten an. Das erzeugt Unsicherheit. Momentan kann man als Laie gar nicht abschätzen, ab wann man sich strafbar macht. In Österreich wäre die Pflanze legal. Verboten ist, sie zur Blüte zu bringen, abzuschneiden, zu trocknen und zu rauchen.

STANDARD: Klingt nach einer ganz schön verdrechselten Lösung.

Bamacher: Sie ist historisch entstanden, aber man muss sich überlegen, ob das heute noch gescheit ist. Meiner Meinung nach nein.

STANDARD: In den USA stiegen Investoren dick ins Geschäft mit Cannabis ein. In Europa ist davon weniger zu spüren. Warum?

Auf 600 Hektar in Österreich, Deutschland und Kroatien werden in Kooperation mit Vertragsbauern diese Pflanzen angebaut – verarbeitet wird die gesamte Pflanze.
Foto: STANDARD/Regine Hendrich

Bamacher: Bei uns ist man etwas verhaltener aufgrund der Behördenreaktion. In Amerika entwickelt sich ein Geschäft einfach viel schneller, die haben nicht so strenge Regeln. Da passiert etwas, und dann explodiert das dort. Kiffen und Cannabiskonsum sind in Amerika nie ganz totreguliert worden. Es gab in den 1960er-Jahren die Hippiebewegung. Damals hat man in Amerika schon wieder für die Legalisierung gekämpft. Richtig gekämpft. Das ist dann in den 1970er-, 1980er-Jahren wieder ein bisschen zum Erliegen gekommen. Es hat aber nie aufgehört.

STANDARD: Mittlerweile ist Cannabis in vielen Teilen der USA legal. In Europa ist das in den meisten Mitgliedsstaaten im Gegensatz zu Industriehanf verboten. Sie haben nicht ausgeschlossen, die Firma zu verkaufen, wenn es zu ungemütlich wird in Österreich?

Bamacher: Es bleibt uns nichts anderes übrig. Die Regeln müssen eindeutiger werden, dann kann man sich daran halten.

STANDARD: Das klingt jetzt nicht so, als ob jeden Tag ein Investor anrufen und sagen würde: Frau Bamacher, wie schaut es aus?

Bamacher: Doch. Also nicht jeden Tag. Aber ungewöhnlich oft. Ganz viele Produzenten sind schon an die Kanadier und Amerikaner verkauft. Jetzt kommen die Australier und Chinesen. Wir haben sehr, sehr viele Angebote aus Amerika und Kanada ausgeschlagen. Es ist fast eine Frechheit – sie waren unwiderstehlich. Aber in Wirklichkeit sind wir unverkäuflich.(7.12.2019)