Ein Feuerwehrmann kämpft an einer Feuerfront nahe Kioloa in New South Wales gegen die Flammen.

Foto: EPA / Dean Lewins

Rauch über Sydney.

Foto: imago images/AAP

Mitglieder des Rural Fire Service sammeln sich in Kulnura in New South Wales.

Foto: EPA/DAN HIMBRECHTS

David Loft drückt auf den roten Knopf. Auf dem Dach seines Einsatzfahrzeugs beginnen die Alarmlichter zu flackern. Rot und blau. Eine Sirene heult auf. "Da hinten hat sich eine neue Brandfront entwickelt, da müssen wir jetzt hin", sagt Loft mit ruhiger Stimme. Und drückt aufs Gaspedal.

Einsatz bei einem Waldbrand in der Nähe des Dorfs Braidwood, drei Stunden südlich von Sydney. Es ist einer von 100 Bränden, die an diesem Tag allein im Bundesstaat New South Wales wüten. Die Feuerfront frisst sich über einen Hügel, durch einen Eukalyptuswald und nähert sich Agrarland – Häusern, Gehöften, Vieh. 27.000 Hektar sind hier in den letzten Tagen abgebrannt. David Loft ist der oberste Verantwortliche vor Ort, zuständig für die Sicherheit von rund 400 Einsatzkräften der Rural Fire Brigade.

Wo immer die Flammen neu aufflackern, fährt er hin. "Ich analysiere die Löschstrategie des lokalen Kommandanten, weise auf mögliche Sicherheitsprobleme hin." Der Albtraum eines Feuerwehrmanns ist, von den Flammen überrollt zu werden, wenn sich die Windrichtung plötzlich ändert. "Wir haben zwar Sprinkleranlagen auf unseren Fahrzeugen", sagt Loft. Trotzdem gebe es immer wieder Fälle, in denen Einsatzkräfte in den Flammen umkommen.

Bezahlung als Beleidigung

David Loft ist ein erfahrener Brandermittler. Seit Jahren untersucht er Unfälle, analysiert Schäden. Sogar im Ausland ist der Australier ein gefragter Spezialist bei der Ermittlung der Ursachen eines Feuers: Blitzeinschlag, eine weggeworfene Zigarette, Brandstiftung. Dabei verdient Loft keinen Cent. "Wir sind alle Freiwillige", sagt der Mittsechziger, wie praktisch alle rund 70.000 Mitglieder des Rural Fire Service (RFS), der größten ländlichen Feuerwehrorganisation der Welt. "Wir wären beleidigt, wenn man uns bezahlen wollte."

Die Bereitschaft zur Aufopferung mag auf den ersten Blick erstaunen. Freiwilligendienst gehöre aber "seit Beginn der Kolonialisierung des Kontinents zur Kultur Australiens", so Loft. Dann rasen drei Löschfahrzeuge an seinem Fahrzeug vorbei durch dichten Rauch an die Feuerfront.

Loft kennt alle Kollegen. "Der Fahrer dort ist von Beruf Metzger. Der andere hat ein Hubschrauberunternehmen. Und der da hinten ist ein ehemaliger hoher Armeeoffizier". Viele seiner Kameraden seien nach wochenlangen Einsätzen der Erschöpfung nahe. "Dabei hat der Sommer noch nicht einmal begonnen".

In New South Wales gibt es zwar rund 7000 bezahlte Berufsfeuerwehrleute. Deren Arbeit konzentriert sich aber auf Städte und größere Gemeinden. Auf dem Land, dem australischen Busch, regiert der RFS. Laut Stuart Ellis, Ex-Feuerwehrchef des Bundesstaats Südaustralien, gibt es praktische Gründe, weshalb die Buschfeuerwehrleute Freiwillige sind. Zum einen sei der Bedarf an Einsatzkräften zu verschiedenen Jahreszeiten unterschiedlich. Es sei schwierig, vorherzusagen, wann und wo die größten Buschfeuer entstehen werden. Und selbst wenn ein Brand begonnen habe, könne eine Veränderung der Windrichtung die Situation und damit den Bedarf an Löschkräften innerhalb von Minuten ändern.

Schwierige Situation für Selbstständige

In einem Land mit nur 25 Millionen Menschen und einer Größe von 7,7 Millionen Quadratkilometern die notwendige Zahl von Feuerwehrleuten zu bezahlen sei schlicht unmöglich, glaubt Loft. Die Wirtschaft muss mitmachen: Arbeitgeber können seit ein paar Jahren dafür bestraft werden, wenn sie einen Mitarbeiter entlassen, wenn er im freiwilligen Einsatz ist. Schwieriger ist die Situation für Selbstständige. Ich verdiene nichts, wenn ich hier bin", sagt Lofts Unteroffizier Liam Macwilliams, von Beruf Tischler. "Ich erhalte nur Unterkunft und Essen."

Bei der Vielzahl von Bränden, die an der australischen Ostküste seit September toben, fahren Einsatzkräfte oftmals Hunderte von Kilometern, um die örtlichen Kollegen zu entlasten. Trotzdem, so Loft, sei Übermüdung in allen Truppen ein großes Problem. Es komme immer wieder zu Beinaheunfällen: "Tanklastfahrer, die von der Straße abkommen. Einsatzkräfte, die ihre Wachsamkeit verlieren und Gefahr laufen, vom Feuer überrannt zu werden".

Der Faktor Klimawandel

Die Feuerwehren Australiens dürften in den kommenden Wochen und Monaten an die Grenzen ihrer Kapazitäten gelangen, sagen Experten. Eine Koalition von 23 früheren Feuerwehr- und Katastrophenkommandanten warnt, der Klimawandel habe einen eskalierenden Einfluss auf die Zahl, die Häufigkeit, die Intensität und das Verhalten von Feuern. Denn höhere Durchschnittstemperaturen würden zu einem zusätzlichen Austrocknen der Vegetation führen.

Und das zu einer Zeit, in der weite Teile des Landes schon seit Jahren unter einer Dürre leiden. "Katastrophen werden größer und dauern länger", so Neil Bibby, ehemaliger Kommandant der Feuerwehr im Bundesstaat Victoria. Loft bestätigt diese Einschätzung. Hätten seine Einsätze noch vor wenigen Jahren Ende Dezember begonnen und im Februar geendet, dauere seine Saison nun ein halbes Jahr.

Die von Skeptikern des Klimawandels dominierte Regierung dagegen streitet den Zusammenhang zwischen erhöhter Feuergefahr und Klimawandel weitgehend ab – entgegen klaren wissenschaftlichen Erkenntnissen. Wie lange Canberra diese Position halten kann, ist fraglich. Im Volk wächst das Bewusstsein für die Gefahren.

Klimanotstand abgelehnt

Immer häufiger sind auch Randgebiete der Großstädte von Feuer bedroht. Vergangene Woche habe die tägliche Schadstoffbelastung der Atemluft in der Innenstadt von Sydney dem Rauch von 23 Zigaretten entsprochen, rechnete eine Zeitung aus. Für die Koalition der Feuerwehrkommandanten jedenfalls ist klar, dass nur eine sofortige Bekämpfung der Ursachen des Klimawandels langfristig die Gefahr noch größerer, katastrophaler Feuerinfernos abwenden könne. Doch eine Forderung der Experten, den Klimanotstand auszurufen, wurde von der Regierung sofort abgeschmettert.

Loft will dazu keine Stellung nehmen. "Ich kann nicht politisch werden", meint er. Seine Stimme geht im ohrenbetäubenden Lärm eines Löschbombers unter. Die Boeing 737 wirft aus nur 200 Metern Höhe eine rote, feuerhemmende Flüssigkeit ab. "Die ziehen eine Art chemische Brandschneise", sagt Loft. Dann fährt er wieder los. Zur nächsten Feuerfront. (Urs Wälterlin aus Braidwood, 7.12.2019)