Der iranische Vertreter Abbas Araghchi (Mitte rechts) und die deutsche Vertreterin Helga Maria Schmid (Mitte links) in Wien.

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Wien– Die Stimmung war angespannt, nicht nur der Tagesordnung wegen: das langsame Zerbröseln des Atomdeals. Das Treffen der Vertragspartner des Abkommens am Freitag in Wien musste kurzfristig in EU-Räumlichkeiten verlegt werden, weil eine Gruppe Exiliraner vor dem Tagungsort, einem Wiener Hotel, einen Protest plante. Die iranische Delegation drohte mit Boykott.

Demonstrationen gegen das iranische Regime sind ja nichts Ungewöhnliches: Aber nachdem bei Protesten vor zwei Wochen in nur vier Tagen vielleicht hunderte Menschen von Sicherheitskräften getötet worden waren, haben sie derzeit eine spezielle Qualität.

Das Treffen der sogenannten Joint Commission, die nach dem Ausstieg der USA aus dem Atomdeal im Mai 2018 aus der EU, den sogenannten E3 (Großbritannien, Frankreich, Deutschland), Russland, China und eben dem Iran besteht, stand unter schlechten Vorzeichen. Die Aussichten auf die Rettung des Wiener Atomdeals von 2015 schwinden. Vor allem die E3 werden zunehmend ungeduldig mit dem Iran, der den Ausstieg der USA seit einigen Monaten mit eigenen, zunehmend substanziellen Übertretungen des JCPOA – Joint Comprehensive Plan of Action, so heißt der Atomdeal offiziell – kontert.

Frankreichs Außenminister Jean-Yves Le Drian stellte kürzlich in den Raum, dass der "Disputlösungsmechanismus", den der JCPOA bei gröberen Unstimmigkeiten der Partner vorsieht, eingesetzt werden könnte. Dieser Prozess durchläuft mehrere Stadien, könnte aber letztlich in den Uno-Sicherheitsratsbeschluss münden, die Sanktionen gegen den Iran wiedereinzuführen.

Die Aufhebung der im Atomstreit seit 2006 verhängten Sanktionen gegen den Iran auf der einen, die strenge Beschränkung des iranischen Urananreicherungsprogramms auf Jahre hinaus auf der anderen: Das ist der Sukkus des Atomdeals. Allerdings haben die USA den JCPOA 2018 nicht nur verlassen, sondern ab 2019 auch Sanktionen gegen Staaten und Unternehmen eingeführt, die mit dem Iran Geschäfte machen. Der Iran profitiert immer weniger von der Einhaltung.

"Instex" ist ein Flop

Die EU versuchte zwar mit der Schaffung von "Instex" (Instrument in Support of Trade Exchanges) die Auswirkungen des US-Ausstiegs für den Iran abzufedern. Das ist nicht gelungen. Seit einiger Zeit baut der Iran nun die eigenen Verpflichtungen im JCPOA ab, um eine "Balance" zu schaffen, wie Teheran das beschreibt.

Der Iran produziert zu viel und etwas höher als im JCPOA vorgesehen angereichertes Uran und arbeitet mit höher entwickelten Zentrifugen, als er sollte. Auch in der unterirdischen Anlage Fordo, wo laut JCPOA ein Forschungszentrum hätte entstehen sollen, wird wieder angereichert.

In diesem Zusammenhang gab Russland am Donnerstag bekannt, dass es ein Projekt mit dem Iran für Fordo einstelle. Dabei geht es um die Herstellung radioaktiver Isotope für medizinische Zwecke. Das sei technisch unmöglich, wenn in Fordo gleichzeitig Uran angereichert werde, sagen die Russen – ohne die iranische Übertretung direkt zu kritisieren.

Iranisches Wegbewegen

Das Wiener Treffen fand nicht auf Ministerebene statt, auch deshalb wurden keine dramatischen Entscheidungen der E3 erwartet. Der "dispute resolution mechanism" wurde nicht ausgelöst. Die Befürchtung besteht, dass in diesem Fall Teheran nicht nur den JCPOA, sondern den Atomwaffensperrvertrag (NPT) verlässt.

Schritte der E3 könnten dennoch bald kommen. Sie sind nicht nur deshalb verärgert, weil sich der Iran konstant vom JCPOA-Text wegbewegt. In ihrem Iran-Report vom 11. November berichtet die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien außerdem von einem Fund von "Partikeln von Natururan anthropogenen Ursprungs". Das ist zwar kein angereichertes Uran, weist aber dennoch darauf hin, dass die Anlage, wahrscheinlich ein Lagerhaus in Turquz Abad an der Teheraner Peripherie (der IAEA-Bericht sagt nicht, wo), etwas mit dem Atomprogramm zu tun hatte, aber nicht deklariert wurde. Die Information über dieses Warenhaus kam von Israel.

Zudem haben die E3 in einem mit 21. November datierten Brief den Iran beschuldigt, an ballistischen Raketen zu arbeiten, die mit nuklearen Sprengköpfen bestückt werden könnten. Das sei eine Verletzung von Uno-Resolution 2231 von 2015, durch die der JCPOA in Kraft trat. Teheran bestreitet das vehement und weist die Kriterien zurück, die die E3 verwenden, um eine solche Rakete zu definieren. Die E3 versuchten nur, ihr eigenes Versagen zu überspielen. (Gudrun Harrer, 7.12.2019)