Berichte über Banknotenbündel in der Sporttasche und im Rucksack von Heinz-Christian Strache haben in der vergangenen Woche den Eindruck erweckt, dass die FPÖ-Spitze ein sehr inniges Verhältnis zu Bargeld hat. Nun wird ein weiterer Fall bekannt, der viele Fragen aufwirft. Denn laut Ermittlungen der Staatsanwaltschaft bevorzugt auch die frühere freiheitliche EU-Abgeordnete Barbara Kappel Cash.

Heinz-Christian Straches Finanzgebarung wird wieder einmal beanstandet.
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Ende November hatte der "Kurier" enthüllt, dass Kappel von einem Unternehmer 55.000 Euro erhalten und in der Parteizentrale abgeliefert habe. Recherchen führten den STANDARD zu einem bulgarischen Geschäftsmann, der schon öfters mit Kappel zu tun hatte und indirekt auch in einem Streit um den Mineralwasserhersteller Güssinger an der FPÖ anstreifte.

"H.-C. will das Geld"

Er macht, zu den Vorgängen befragt, keinen Hehl daraus, dass Kappel das Geld von ihm erhalten habe, und zwar in Form eines Darlehens, wie Herr S. erklärt. Auch zum Hintergrund der Ausleihung gibt S. Auskunft: Kappel habe ihm gesagt: "H.-C. will das Geld, damit ich wieder ins EU-Parlament komme." Mit H.-C. meint S. Heinz-Christian Strache.

Barbara Kappel soll Geld für ihr Mandat geliehen haben.
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Der Bulgare mit geschäftlichen Aktivitäten in Österreich korrigiert auch die ursprünglich genannten Beträge. Von Strache seien 100.000 Euro verlangt worden, soll ihm Kappel erzählt haben. S. habe die Summe gemeinsam mit drei Kollegen aufgebracht. Die Geldübergaben sollen vor rund einem Jahr stattgefunden haben.

Dementi Straches

Der Rechtsanwalt Straches, Johann Pauer, weist die Angaben zurück: "Die Vorwürfe gegen meinen Mandanten werden von Tag zu Tag absurder. Mein Mandant hat zu keinem Zeitpunkt von Frau Kappel Geld gefordert oder erhalten", sagt er. Kappel selbst war nicht zu erreichen. Christian Ragger, Anwalt des FPÖ-Parlamentsklubs, beteuert nach entsprechenden Recherchen: "Bei uns ist nichts eingegangen." Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.

Die FPÖ reagierte am Samstag: Dass man für ein EU-Mandat Geld verlangt beziehungsweise erhalten habe, sei eine "dreiste Lüge", erklärte FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker. Und: "Unsere Anwälte sind bereits in Kenntnis gesetzt und bereiten alle nötigen Schritte vor." Die Methoden, mit denen man gegen die Freiheitlichen vorgehe, würden immer absurder. Dies werde man nicht widerspruchslos hinnehmen.

Kappel war am Freitag trotz mehrmaliger Anfragen nicht erreichbar. Am Samstag reagierte sie empört auf den Artikel. "Es stimmt nicht, dass ich ein Mandat kaufen wollte bzw. Bezahlung seitens der Partei oder des Altobmanns verlangt wurde", teilte sie dem STANDARD mit. Kappel weist zudem zurück, dass sie ein Darlehen von S. oder Personen aus dessen Umfeld angefragt oder erhalten habe. Warum S. dann solche Informationen verbreite wisse sie, Kappel, nicht.

Differenzen mit der Zentrale

Im Mai fanden die EU-Wahlen statt. Kappel – von 2014 bis 2019 Abgeordnete im Europaparlament – schaffte es dann nicht mehr auf die Liste. Es wurde spekuliert, dass die frühere Wiener Gemeinderatsabgeordnete in vielen Fragen von der Parteilinie abgewichen sei. Bekannt wurde eine Auseinandersetzung um das gescheiterte EU-US-Handelsabkommen TTIP.

Bargeld in der Sporttasche sorgte erst kürzlich für Aufregung.

Der heutige FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl rüffelte seine Parteifreundin damals öffentlich, weil sie den Pakt nicht vollinhaltlich abgelehnt habe. In der Staatsanwaltschaft Wien, die in der Sache ermittelt, gibt man sich zugeknöpft. Es handle sich um eine Verschlussakte, teilte eine Sprecherin mit. Informell ist zu hören, dass weder Kappel noch S. als Beschuldigte geführt werden. Dem Vernehmen nach wird in der Causa wegen Betrugs ermittelt.

Mandatskauf nicht strafbar

Mandatskauf ist in Österreich schon einmal intensiv diskutiert worden, nachdem der frühere FPÖ-Abgeordnete Thomas Schellenbacher dank einer Millionenzahlung ukrainischer Oligarchen an die Freiheitlichen den Sprung ins Parlament geschafft haben soll. Die Staatsanwaltschaft stellte die Ermittlungen 2018 ein, weil die Erstellung von Listen durch eine Partei kein Amtsgeschäft sei.

Mit Schellenbacher beginnt auch jener Kreis, der sich beim Bulgaren S. schließt. Mittendrin steht der aus Russland stammende Geschäftsmann K. Sie verbindet oder trennt ein Streit um das burgenländische Mineralwasser Güssinger, das K. gehört. S. wiederum hat K. angesichts der schwierigen Geschäftslage geholfen und soll einen Kredit übernommen haben, den die – russische – Sberbank gewährt hatte. Dafür wurden Sicherheiten gegeben, darunter die Anteile an der Gesellschaft, der Güssinger gehört.

Mysteriöser Todesfall

Seit geraumer Zeit sind sich Bulgare und Russe nicht ganz grün, wobei die Formulierung eine Untertreibung darstellt. Neben zivilrechtlichen Ansprüchen gibt es mehrere Anzeigen bei der Staatsanwaltschaft, die in Richtung Betrug gehen. Der bisherige Höhepunkt wurde erreicht, als Geschäftsmann S. seinem Widersacher vorwarf, ihn umlegen lassen zu wollen. Daraufhin wurde K. samt angeblichen Auftragskillern verhaftet. Alle bestreiten die Vorwürfe.

Dass ein österreichischer Berater von S. Ende September in Bulgarien ums Leben kam, nährte weitere Spekulationen. Doch Sofia soll den Wiener Kriminalisten mitgeteilt haben, dass es sich um einen Unfalltod gehandelt habe. Erstaunlich ist, dass die Behörden nicht einmal dazu offizielle Angaben machen können.

Freiheitlich-russische Verbindung

K. soll über beste Kontakte zu Schellenbacher und Ex-FPÖ-Klubchef Johann Gudenus verfügen. Überliefert ist auch ein Treffen der beiden – K. wurde im Juli aus der Haft entlassen – im Wiener Hotel Marriott, bei dem es zu einem Zwischenfall kam. Ein Vertreter der bulgarischen Güssinger-Gläubiger ohrfeigte offenbar Gudenus nach einer verbalen Auseinandersetzung rund um Korruptionsvorwürfe.Wie auch immer: Während die russische Seite offenbar eng mit den Freiheitlichen verbandelt ist, gibt es auch eine enge Connection der bulgarischen Investoren mit den FPÖ. Zumindest dürfte Barbara Kappel über eine solche verfügen. Sie bestreitet ein Naheverhältnis zu dem Geschäftsmann. (Renate Graber, Andreas Schnauder, 7.12.2019)