Der Malerstar Arnulf Rainer ist 90.

Foto: Toppress Austria

Wien – Das übermalte Gesicht von Arnulf Rainer ist eine der Ikonen der österreichischen Nachkriegskunst geworden: Dank seines umfangreichen Werks, das über die markante Übermalung bis zur Fotografie in späteren Jahren reicht, ist Rainer seit Jahrzehnten in den Museen der Welt zu Hause und hat einen Dauerplatz an der Spitze der hiesigen Kunstschaffenden. Heute, am 8. Dezember, feiert er seinen 90. Geburtstag.

Die öffentlichen Geburtstagsfeierlichkeiten hat Rainer, der seinen Ehrentag auf seinem Wohnsitz auf Teneriffa begehen wird, bereits hinter sich gebracht. Bereits Anfang November eröffnete mit "Revue" eine umfassende Werkschau im Arnulf Rainer Museum in Baden, in deren Rahmen der Künstler bei einem Fest mit dem großen Ehrenzeichen der Republik und dem silbernen Komturkreuz des Landes Niederösterreich ausgezeichnet wurde. Auch die Albertina widmet dem Jubilar bereits seit Ende September "Eine Hommage" mit 43 Werken aus der eigenen Sammlung.

Führend in der "Kunstkompass"-Liste

Auf der renommierten "Kunstkompass"-Liste der international meistbeachteten zeitgenössischen Künstler findet sich Rainer nach wie vor unter den – wenigen – heimischen Künstlern und belegte zuletzt Rang 60 hinter Erwin Wurm (Platz 50) und vor Heimo Zobernig (Platz 85). Auch dies ist nicht zuletzt der ungebrochenen Kreativität des Künstlers zu verdanken, der neben seinem Passauer Domizil auch von seinem adaptierten Bauernhof im Innviertler Enzenkirchen, aus Wien oder im Winter aus Teneriffa seine Galeristen mit immer neuen Werken bedient.

Geboren wurde Arnulf Rainer am 8. Dezember 1929 in Baden bei Wien. Von 1940 bis 1944 besuchte er die Nationalpolitische Erziehungsanstalt in Traiskirchen und danach die Staatsgewerbeschule in Villach, wo er 1949 maturierte. In Folge wurde er sowohl an der Hochschule für angewandte Kunst als auch für bildende Kunst aufgenommen, die er aber beide nach wenigen Tagen wegen Kontroversen mit seinen Lehrern verließ. Gemeinsam mit Ernst Fuchs, Anton Lehmden, Arik Brauer, Wolfgang Hollegha und Josef Mikl gründete er 1950 die "Hundsgruppe" und begegnete 1953 dem Priester Otto Mauer. In dessen "Galerie nächst St. Stephan" war Rainer schließlich mit seinen ersten Einzelpräsentationen sowie mit Hollegha, Markus Prachensky und Mikl als Malergruppe "Galerie St. Stephan" zu Hause.

Wurzeln im Surrealismus

Mit Beginn der 50er-Jahre wandte sich Rainer nach erstem Interesse für Surrealismus und Informel seinen heute für ihn charakteristischen Übermalungen zu. Eigene und fremde Bilder, Selbstporträts und Fotos kamen ihm unter Farbe, Kohlestift und Kugelschreiber, 1961 wurde er in Wolfsburg wegen der öffentlichen Übermalung eines prämierten Bildes sogar gerichtlich verurteilt. Gerade wegen seiner radikalen Verhüllung von oft auch religiösen Symbolen war Rainer jahrelang umstritten – von kirchlicher Seite wurde seine Arbeit aber mit mehreren Auftragsarbeiten und Ehrendoktoraten sowohl der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität von Münster als auch der Kath.-Theol. Privatuniversität Linz zunehmend gewürdigt.

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"Als Künstler bin ich immer unzufrieden. Ich sehe immer die schwachen Punkte, wenn ich auf meine Bilder schau. Da ist immer ein 'Ungenügend' da", erklärte Rainer einmal in einem Interview. Von Interpretationen des eigenen Werks sah er stets ab, zur Bedeutung seiner Übermalungen erklärte er allerdings einmal: "Bei mir ist es keine Negation, sondern ich versuche, etwas lebendiger zu machen. Etwas, was aus der Geschichte kommt, lebendig zu machen für die Gegenwart."

Ab 1963 arbeitete Rainer in verschiedenen Studios in Berlin, München, Köln und schließlich Wien, wo 1968 im Museum des 20. Jahrhunderts auch seine erste Retrospektive stattfand. Als ihm 1974 der Kunstpreis der Stadt Wien verliehen werden sollte, verweigerte er die Teilnahme an der Übergabezeremonie – der Preis wurde ihm wieder aberkannt. 1977 nahm er an der documenta 6 teil, ein Jahr später vertrat er Österreich bei der Biennale von Venedig. Im November 1978 erhielt er den Großen Österreichischen Staatspreis und wurde im gleichen Jahr Mitglied des Österreichischen Kunstsenates.

"Großmeister einer Publikumsbeschimpfung"

Der Auszeichnungsreigen sollte 2005 gekrönt werden, als Rainer als erster nicht spanischer Künstler den Aragon-Goya Preis für sein Lebenswerk erhielt. 2014 ehrte ihn sein Heimatbundesland mit dem "Großen Goldenen Ehrenzeichen für Verdienste um das Bundesland Niederösterreich", 2015 wurde ihm das "Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst 1. Klasse" verliehen. Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder nannte Rainer damals einen "rabenschwarzen Pessimisten" und "Großmeister einer Publikumsbeschimpfung".

Ab 1981 hatte Rainer eine Professur an der Akademie der bildenden Künste in Wien inne. Dort wurden 1994 allerdings 36 Bilder, die in seinem Akademie-Atelier aufbewahrt waren, übermalt und beschädigt. Ermittlungen gegen Rainer und seine Galeristin wurden im Jahr darauf eingestellt. Rainer selbst ließ sich auf den Schock hinaus auf eigenen Wunsch emeritieren. Als Hauptverdächtiger stellte sich ein ehemaliger Student heraus, der anschließend Selbstmord begangen haben soll. "Nicht ich bin das Opfer, sondern dieser junge Mensch", sagte Rainer Jahre später. Für geistig Behinderte und psychisch Kranke interessierte sich Rainer vor allem als Kunstsammler – in 50 Jahren Sammlertätigkeit hat er aus Art Brut und anderen Schulen eine beachtliche Kollektion zusammengetragen.

In aller Welt gezeigt

Die Museen der Welt würdigten die künstlerische Arbeit des Malers mit zahlreichen Personalen und Retrospektiven – vom Centre Pompidou in Paris (1984) über das Guggenheim in New York (1989) bis zur Pinakothek der Moderne in München, die Rainer 2002 einen eigenen Raum widmete. In Wien waren große Personalen etwa in der Albertina (2014) oder im Kunstforum (2000) zu sehen. 2009 wurde in Baden, seiner Geburtsstadt, das eigens ihm gewidmete Museum im einstigen Frauenbad eröffnet. In den zehn Jahren seines Bestehens wurden dort bisher 15 Ausstellungen gezeigt, die jeweils einzelne Aspekte Rainers beleuchten oder sie in Beziehung zu anderen Künstlern setzen. 2017 waren 143 neue Papierarbeiten im Linzer Lentos zu sehen. Die Albertina, die noch bis zum 19. Jänner die "Hommage" zeigt, hatte ihm bereits von fünf Jahren eine umfassende Schau mit rund 150 Werke aus allen Schaffensperioden gewidmet. (APA, 8.12.2019)