Der britische Premier Boris Johnson zeigt sich angesichts der schlechteren Umfragewerte nervös.

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London – Der britische Premierminister Boris Johnson liegt vor der Parlamentswahl am Donnerstag in Umfragen nicht mehr ganz so deutlich vorne. Auf die Frage, ob ihn dies nervös mache, sagte der konservative Politiker am Wochenende: "Natürlich, wir kämpfen schließlich um jede Stimme. Ich denke, dass dies ein kritischer Moment für unser Land ist."

In vier am Samstag veröffentlichten Umfragen führen die Konservativen acht bis 15 Prozentpunkte vor der größten Oppositionspartei Labour mit ihrem Spitzenkandidaten Jeremy Corbyn. Die Konservativen seien weiter Favorit, aber nicht so weit vorne, dass ihr Sieg angesichts des Mehrheitswahlrechts garantiert sei, sagte der Wahlforscher John Curtice der BBC. Beim Brexit-Referendum 2016 und den vorgezogenen Neuwahlen 2017 lagen viele Umfragen weit daneben.

Johnson sagte dem Sender Sky, der britische EU-Austritt sei eine radikale Veränderung für das Land. "Der Brexit ist unabdingbar – es kann nicht vorangehen ohne den Brexit." Johnson hat zuletzt keine Mehrheit für einen geordneten EU-Austritt im Unterhaus zustande gebracht. Anders als zunächst versprochen, wurde der Brexit-Termin erneut verschoben – auf den 31. Jänner 2020. Johnson sagte, er werde den Brexit über die Bühne bringen, sollte er die Mehrheit der 650 Sitze im Parlament bekommen. Außerdem hat er versprochen, die Zuwanderung mit einem Punktesystem verringern zu wollen.

Heftiges TV-Duell

Wenige Tage vor der Parlamentswahl lieferten sich Premier Johnson und Oppositionsführer Corbyn am Freitagabend einen letzten Schlagabtausch vor laufenden Kameras. Im Zentrum des gut einstündigen TV-Duells standen erneut der Brexit und das britische Gesundheitssystem. Für neuen Streit sorgten Anschuldigungen, Corbyns Labour Party habe sich im Wahlkampf auf ein Dokument gestützt, das von russischen Hackern veröffentlicht wurde.

Ein Ausschnitt der TV-Debatte zwischen Boris Johnson und Jeremy Corbyn.
Guardian News

Johnson kritisierte Corbyn in der letzten TV-Debatte vor der Wahl wiederholt dafür, dass er beim Brexit nicht eindeutig Stellung beziehe. "Wie können Sie ein neues Abkommen mit Brüssel für den Brexit aushandeln, wenn Sie gar nicht daran glauben?", fragte Johnson. Corbyn hat im Wahlkampf angekündigt, Johnsons Abkommen mit Brüssel neu zu verhandeln und den Wählern in einem Referendum vorzulegen.

Streit ums Gesundheitssystem

Corbyn wiederum warf Johnson unrealistische Versprechungen vor, weil er mit der EU und den USA im kommenden Jahr ein neues Handelsabkommen aushandeln wolle. "Er wird aus der Beziehung mit der EU herausgehen und in eine Beziehung zu niemandem eintreten", sagte der Labour-Chef. Für den Fall seines Wahlsiegs versprach Corbyn Verstaatlichungen und Investitionen in den öffentlichen Dienst, um nach einem Jahrzehnt der Sparsamkeit unter den Tories eine Wende herbeizuführen.

Corbyn bekräftigte zudem seinen Vorwurf, Johnson wolle das staatliche Gesundheitssystem NHS an US-Pharmafirmen "verkaufen" – was Johnson scharf dementierte. Die Zukunft der Gesundheitsversorgung ist ein wesentliches Wahlkampfthema. (APA, 8.12.2019)