Doch um Rückhalt zu gewinnen, sollte Rendi-Wagner nicht nur über "Befindlichkeiten und Eitelkeiten" klagen, wie sie das in der Zeitung Österreich tat, sondern um das Vertrauen ihrer Kritiker werben.

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Es klang wie eine Garantie, was Hans Peter Doskozil am Sonntag aussprach: SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner sei bei den heiklen Parteisitzungen am Montag vor einem Sturz sicher, kündigte der burgenländische Landeschef in der ORF-Pressestunde an. Ein Wechsel an der Spitze würde wieder nur zudecken, dass die Partei in Wahrheit an den Strukturen und Inhalten kranke.

Hat Doskozil damit recht? Tatsächlich fehlen der SPÖ auf manche wichtigen Fragen überzeugende Antworten. Beim Ausländerthema verhindert das breitgefächerte Meinungsspektrum in der Partei – von Willkommenskultur bis harte Hand – eine klare Position, die Klimakrise haben die Sozialdemokraten aus wachstumsgläubiger Betonierertradition heraus verschlafen. Letzteres gilt für die ÖVP genauso, doch deren Wählerschaft ist zum türkisen Glück nicht so anfällig dafür, zu den Grünen überzulaufen.

Doch so substanzlos, wie das die vielen Befunde dieser Tage suggerieren, ist die SPÖ bei weitem nicht. In einigen der vielbeschworenen "Zukunftsfragen" waren die Sozialdemokraten, solange sie an den Hebeln saßen, weit mehr Vorreiter als die hochgejubelte ÖVP. Der kräftige Ausbau der Kinderbetreuung, um Familie und Beruf zu vereinbaren, geschah ebenso auf roten Druck wie bildungspolitische Innovationen à la Ausbildungspflicht, die Jugendliche vor dem gesellschaftlichen Abstellgleis schützt. Am hartnäckigen Ruf der letzten SPÖ-geführten Koalition, nur den Stillstand zu verwalten, änderte das allerdings nichts.

Die Erkenntnis ist bitter: Da mag man noch so viel über die Oberflächlichkeit der Branche die Nase rümpfen – Wahlerfolge hängen nun einmal stark mit Marketing, Image, Verpackungskunst und der Persönlichkeit an der Parteispitze zusammen. Sebastian Kurz ist mit einem klaren Profil in der Ausländerpolitik, sonst aber mit vielen vagen Ankündigungen Kanzler geworden. Ein umfassendes Zukunftskonzept hatte er nicht zu bieten, dafür eine simple Botschaft: Die ÖVP stützt die (österreichischen) Leistungsträger und straft die (ausländischen) Nichtstuer.

Auch wenn sich Doskozil darüber lustig macht: Rendi-Wagner hat mit der Diagnose recht, dass den Sozialdemokraten eben dieses "Narrativ" fehlt. Nur braucht es dafür Personal an der Spitze, das eine solche Erzählung mit souveränen Auftritten in einer orchestrierten Kampagne weiterträgt. Die aktuelle Chefin und ihr Team haben bisher nicht eben bewiesen, dass sie dieses Handwerk gut beherrschen. Rendi-Wagner hat in der SPÖ Probleme nicht nur geerbt, sondern auch einige geschaffen.

Die Führungsdebatte in der SPÖ ist deshalb nachvollziehbar; sie wird beileibe nicht nur von Intrigen und selbstsüchtigen Motiven befeuert. Stehvermögen und Kämpferherz, wie sie die Parteichefin nun beweist, sind in der Politik wichtig. Doch um wieder Rückhalt zu gewinnen, sollte Rendi-Wagner nicht nur über "Befindlichkeiten und Eitelkeiten" klagen, wie sie das in der Zeitung Österreich tat, sondern um das Vertrauen ihrer Kritiker werben. (Gerald John, 8.12.2019)