Viele haben die langwierige und komplizierte Scheidung noch immer nicht verkraftet. "Wir haben nur Karten, weil unser Freund Jim nicht mehr kommt. Sie haben ihm das Herz gebrochen", sagt Dan, während sein Sohn Steaks auf seinem Pickup vor dem Coliseum brät. Sie, das sind Teambesitzer Mark Davis und die lokale Politik. Das Coliseum wiederum ist das baufällige, unter Heim- und Auswärtsfans meistgehasste, irgendwie aber auch gerade deshalb charmante Stadion der Raiders. Auch an diesem Dezember-Sonntag versammeln sich wieder Zehntausende zur Tailgate-Party bei Bier, Whiskey und Steak. Nach den so gut wie sicher verpassten Playoffs ist es das vorletzte Spiel der Raiders im Coliseum.

Die Hassliebe der Raider Nation zu ihrem Stadion ist bekannt.
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Nach 1982 verlässt das Team nämlich erneut seine Langzeit-Heimatstadt Oakland nahe San Francisco. Die neue Heimat der Raiders Nation, wie die Treuesten der oftmals als Comic-Figuren verkleideten Schwaz-Silbernen genannt werden, wird diesmal aber nicht Los Angeles, sondern das rund zehn Autostunden entfernte Las Vegas im Wüstenstaat Nevada.

So soll das neue Stadion der Raiders in Las Vegas aussehen.
NFL

"Zusammen können wir den Silver State zu einem Black and Silver State machen", sagte Davis bereits 2016, als sich Nevada als die lukrativste Lösung herauskristallisierte – 750 Millionen Dollar Finanzspritze des Staats Nevada inklusive. Tatsächlich lagen lange viele Optionen auf dem Tisch – neben einem gemeinsamen Stadion mit den San Diego Chargers unter anderem auch der seit Jahrzehnten anvisierte Stadionneubau in Oakland. Doch das Geld aus öffentlicher Hand wollte oder konnte Oakland nie aufbringen. 2017 stimmten die NFL-Teambesitzer mit 31:1 für den Umzug.

Monica und Angelica (ganz links und Zweite von rechts) wollen in Las Vegas zumindest einmal dabei sein und Abschied nehmen von den Raiders.
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Eine Frage des Geldes

Viele Fans können das nicht nachvollziehen. "Unsere verdammten Politiker verlieren alle Teams, die uns wichtig sind. Natürlich hauen die irgendwann ab", ärgert sich Dan über die Versäumnisse der Politik und die kapitalistische Denkweise, die dem US-Sport wohl noch mehr innewohnt als die Scheich-Millionen manch europäischem Fußballklub. Dan kann sich die regelmäßigen Reisen ins Glücksspielmekka nicht leisten und überlegt daher, fortan die San Francisco 49ers zu unterstützen. Seine Freunde glauben ihm kein Wort. Monica und Angelica hingegen wollen 2020 zumindest zum Eröffnungsspiel reisen, um Abschied zu nehmen von ihren Raiders.

Pat hat die Liebe zu den Raiders von seinem Vater geerbt. Er wird auch nach Las Vegas zu jedem Heimspiel – in voller Kostümierung – einfliegen.
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Für manch wohlhabenderen Raiders-Fan macht es aber ohnehin keinen Unterschied. Oakland lieben sie alle, das sei klar. Noch mehr aber lieben sie die Raiders, und dann fliegen sie halt nach Las Vegas anstelle von Oakland, sagen Saisonkartenbesitzer Pat und seine Frau aus dem Bundesstaat Washington. Auch Spencer, Dauerkarteninhaber seit 1973, ist sich sicher, dass die Fanbase der Raiders nicht merklich unter dem Umzug leiden wird: "Schau dir diese Verrückten an. Die würden dem Team überallhin nachreisen. Die Raiders Nation ist global." Durch die Partnerschaft mit den Tyrolean Raiders gibt es auch einen direkten Draht nach Österreich. Das Rückgrat jener Verrückten ist jedoch immer noch die Working Class aus Oakland, auch wenn sich spätestens seit dem zwischenzeitlichen Umzug nach LA die Raiders-Fanbase diversifiziert und verbreitert hat.

Spencer (links) glaubt an den Fortbestand der Raiders Nation.
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Für den klassischen Raiders-Fan wird der Wochenendtrip nach Vegas aber doch eher die Ausnahme als die Regel bleiben – für Touristen und jene, die es sich leisten können, sei es aber natürlich toll, denn "wer macht schon gerne Urlaub in Oakland", sagt Spencer. Das sieht auch Tennesse-Titans-Fan David so: "Veränderung ist unausweichlich." Das zusätzliche Geld werde den Raiders und der NFL guttun, ist er überzeugt und freut sich auch schon auf schönere Auswärtsreisen.

Forever a Raider

Dem gebürtigen Oaklander Shawn zerreißt es bei solchen Aussagen das Herz. Das alles sei nicht so einfach. "Oakland hat die Raiders beeinflusst und die Raiders Oakland", beschreibt er den Status quo. Das lasse sich nicht so einfach umlegen auf eine andere Stadt. Ob er die Raiders denn weiter unterstützen wird? Im Geiste immer, sagt Shawn, nur materiell will er nicht mehr. Er gönnt den Verantwortlichen die Einnahmen aus Merchandise und Ticketverkäufen nicht: "Vielleicht besuche ich meine Raiders eines Tages in Seattle oder sonst wo. Aber Las Vegas sieht mich nicht", sagt Shawn.

Shawn wird immer ein Raider bleiben, aber nach Las Vegas will er nicht reisen.
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Tatsächlich haben im Laufe der rund dreijährigen Scheidung bisher nur wenige Tausend ihre Saisonkarten zurückgegeben. Diese wiederum konnten sofort wieder verkauft werden. Wie sich der Support tatsächlich entwickeln wird, lässt sich dennoch nicht abschätzen. Wie viel Emotion und Leidenschaft in den Raiders-Fans stecken, merkt man vor allem in den schwierigen Zeiten. "Wir sehen uns nächste Woche zur selben Scheiße", brüllt ein Raider nach der 21:42-Niederlage gegen die Titans und erntet dafür tosenden Applaus. Auf dem Weg zum Zug ertönt aber schon wieder das "Raiders Nation", inbrünstig gesungen von einigen hundert Fans. Auf der Rückseite des Pullis eines jungen Fans steht ausgerechnet der Spruch, der den Raiders wohl auch in Las Vegas eine ordentliche Fangemeinde verschaffen dürfte: "Win, Lose or Tie. Raiders till I die." (Fabian Sommavilla aus Oakland, 13.12.2019)