Das frischgestrichene gelb-blaue Haus sticht in Ottakring heraus. Damit fällt den Bewerbern, die ein Zimmer in der Wiener WG möchten, die Orientierung leicht. Anspruchsvoller ist da schon das Aufnahmegespräch. Denn Barbara Dolschak geht es um mehr als nur darum, pünktlich die Miete zu zahlen und den Müll hinunterzutragen. "Ich suche nicht nur Mitbewohner, sondern so etwas wie eine Familien-WG", sagt sie. Bisher teilten sich die Alleinerzieherin und ihre vierjährige Tochter Fanny die lichtdurchflutete Vierzimmerwohnung mit Bekannten oder Verwandten. Jetzt suchen sie eine Mutter mit Kind, quasi eine Co-Familie. Kandidaten gäbe es in Österreich zumindest in der Theorie viele: 257.000 Mütter und 48.000 Väter lebten im Vorjahr in Ein-Eltern-Haushalten.

Nach der Arbeit wird zu Hause gekocht, gelesen und gespielt. Gegen acht ist Fanny im Bett. Dann wird aufgeräumt. "Barbara-Zeit" ist dann von halb zehn bis zehn.
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Den Familienbegriff findet Barbara für sich und Fanny nicht ganz treffend: "Irgendwie fehlt da zumindest ein Dritter", sagt die 41-Jährige. Ihr neuer Freund sei zwar eine große Hilfe und auch eine Bezugsperson für Fanny, aber nur wenn man unter einem Dach wohnt, könne man gewisse Verantwortungen teilen. Zumindest in groben Zügen will sie sich mit ihrer künftigen WG-Familie in Fragen der Kindererziehung einig sein: "Ich will nicht mit jemandem wohnen, der sein Kind fünf Stunden vor dem Tablet sitzen lässt oder in der Früh schon Nutella-Palatschinken serviert."

Der typische Tag für Mutter und Tochter beginnt – nach einem laut deklamierten Zehn-Sekunden-Countdown zum Aufstehen durch Fanny – gesund mit Porridge und Obst. Wenn man hier auf einer Wellenlänge schwimmt, so Barbara, dann wäre das Zusammenleben bestimmt bereichernd. Das Hauptmotiv bei der Suche nach Viersamkeit sei aber nicht die Ernährungsabstimmung, sondern eine Schwester oder einen Bruder für Fanny zu finden. Und natürlich wäre es ganz angenehm, jemanden im Nebenzimmer zu wissen, der auch einmal kurzfristig auf den Nachwuchs aufpasst, sagt Barbara: "Einfach einmal spontan eine Runde um den Block zu gehen und den Kopf auszulüften wäre manchmal schon ein Luxus."

Auf Beruf angewiesen

Tatsächlich bleibt Alleinerziehenden meist wenig Zeit für sich. Nicht nur lastet die volle Erziehungspflicht auf ihren – meist weiblichen – Schultern, sondern sie gehen überdurchschnittlich oft einer Erwerbsarbeit nach, um das fehlende Partnereinkommen auszugleichen. Fast 80 Prozent der alleinerziehenden Mütter von unter 15-Jährigen in Österreich arbeiten, das sind zehn Prozentpunkte mehr als Mütter in Paarhaushalten. Dass es finanziell trotzdem oft knapp wird, zeigt das hohe Armutsrisiko dieser Gruppe. Fast jeder zweite Ein-Eltern-Haushalt in Österreich ist armuts- oder ausgrenzungsgefährdet.

Als Spanisch- und Psychologielehrerin hat Barbara eine fast volle Lehrverpflichtung, damit ginge sich finanziell alles aus – mit weniger wäre es schon knapp, sagt die gebürtige Kärntnerin, und ohne die Unterstützung durch die öffentliche Hand fast unmöglich: "Ich bin heilfroh, dass der Kindergarten in Wien nichts kostet."

Jeder Beruf bringt auch logistische Herausforderungen für Alleinerziehende. Für Barbara sind etwa Konferenzen an der Schule ein Problem. Sie enden oft erst, wenn der Kindergarten längst zu ist. "Einmal wollte Fanny nicht mit einem guten Freund mitgehen, den ich gebeten hatte, sie abzuholen", erzählt die Lehrerin. Ihr Direktor habe da Verständnis gehabt und sie früher nach Hause gehen lassen. "So etwas kannst du dir aber nicht immer leisten."

Allein ein Kind zu erziehen ist manchmal keine freiwillige Entscheidung. Manche Frauen und Männer bleiben lieber in einer unglücklichen Partnerschaft, als die Erziehung allein zu übernehmen.

Bei Barbara war das von Anfang an nicht der Fall. Sie hat sich gezielt dafür entschieden, ihr Kind allein großzuziehen. Und sie macht allen Mut, die vor einer ähnlichen Entscheidung stehen: Sie habe sich das alles genauso vorgestellt, wie sie es jetzt erlebe. Sowohl die schönen Seiten als auch die Opfer, die man bringen müsse. Nur eines habe sie in der Intensität nicht vor Augen gehabt: "Du musst jede Entscheidung für deine Tochter allein verantworten."

Ob Fanny ein Mann im Haushalt abgeht? "Null", sagt ihre Mutter lachend. Auch im Kindergarten sei das nie Thema. Manchmal macht sie sich trotzdem Sorgen, weil Fanny ihren Vater selten sieht und er ihr vielleicht doch abgeht. "Und ob sie dann fragt: ,Mag er mich nicht?‘" Bislang sei das aber nicht der Fall gewesen. Solange ihre Tochter von vielen liebenden Menschen umgeben sei, brauche sie den leiblichen Vater nicht als Bezugsperson.

Hat man Fanny früher nach ihrem Vater gefragt, war ihre Antwort: "Ich habe einen Papa, der wohnt aber nicht bei uns, sondern kommt zum Geburtstag vorbei." Seit diesem Jahr sagt sie den letzten Teil aber nicht mehr. (Leopold Stefan, 19.12.2019)