Sie sagt "Hasi", legt ihre Hand auf seine und bittet ihn anzufangen. Er holt aus, um die gemeinsame Geschichte zu erzählen. Sie ist lang. René Mayer und Patrizia Mayer-Puhr kennen einander seit 24 Jahren, seit 20 sind sie befreundet. Sie wohnen zusammen, unternehmen Reisen, etwa nach Australien. Sie haben auch einen gemeinsamen Hund, einen Mops, der auf den Namen Betty hört. Im Juni haben die Freunde geheiratet. Seitdem tragen sie Ringe aus Titan und Patrizia ihren Doppelnamen. "Es ist Liebe", sagt sie. "Nur anders."

Behindertenbetreuerin Patrizia (41) und Software-Tester René (35) in der gemeinsamen Wohnung in Wien.
Foto: www.corn.at , Heribert CORN

Das Paar ist in derselben Ortschaft im Burgenland aufgewachsen. Als Jugendliche haben sie sich in einer Bar getroffen und angeregt unterhalten. Irgendwann haben sie geschmust. Die Affäre ging mehrere Jahre. Patrizia verliebte sich in René. Der ahnte bereits, dass er eigentlich Männer liebt, "ich war aber noch nicht so weit, mich zu outen". Bis er merkte, dass Patrizia mehr wollte – und er ihr genau das nicht geben konnte. Er zog nach Wien, der Kontakt brach ab.

Ein Jahr später trafen sie einander wieder – das Ganze drohte von vorne loszugehen. Doch dann entschied sich René, Patrizia zu sagen, dass er schwul ist. "Mir ist die Luft weggeblieben und schlecht geworden", sagt sie. "Es war gleich klar, dass es nur zwei Optionen gibt: Entweder ich gehe, oder ich bleibe für die Freundschaft – und nehme ihn so, wie er ist." Sie blieb.

Kochen und den Tag besprechen

Nach seinem Outing verbrachte Patrizia fast jedes Wochenende bei René in Wien, auf 25 Quadratmetern in einem Studentenwohnheim. Sie gingen viel fort. "Es war eine tolle Zeit", sagen die beiden. Dann zogen sie in Wien zusammen, in der Wohnung waren sie sechs Jahre. "Dann kam der Gedanke an die Zukunft", sagt René. Er wollte in eine Immobilie investieren, die Wahl fiel auf eine Genossenschaftswohnung mit Kaufoption im 21. Bezirk. Dort lebt das Paar nun seit fünf Jahren.

Sie kochen abends zusammen, schauen Mordserien, besprechen den Tag. Seit kurzem haben sie einen Jacuzzi. "Da sitzen wir oft stundenlang drinnen und trinken Prosecco", erzählt René. "Den Hormonfasching", wie er es ausdrückt, "feiere ich woanders." Er meint damit, dass Sexualität außerhalb der gemeinsamen vier Wände stattfindet. Nur Patrizia nimmt manchmal jemanden mit. "Dann will ich aber schon wissen, was das für ein Typ ist", sagt René. Eine Zeitlang hat sie getindert – und er hat mitgewischt. Nach einem Aufriss besprechen sie, wie die Nacht war.

"Ich schätze das Gefühl, nach Hause zu kommen, und da ist jemand", sagt René. Jemand Vertrautes, jemand, auf den er sich verlassen kann. Das könne man von einer schnellen Liebschaft nicht haben. Beide hatten längere Beziehungen, beide wollen nichts Festes mehr. "Der Spalt zwischen uns wird immer enger. Da hat kaum noch wer Platz", sagt Patrizia.

Eheringe mit Gravur

Die Idee mit der Hochzeit hatte René vor circa einem Jahr. "Wir haben uns viel zusammen angeschafft: ein Auto, einen Hund, eine Wohnung. Ich dachte: Was ist, wenn etwas passiert?" Also fragte er Patrizia am Telefon, ob sie ihn heiraten will. Sie sagte Ja. Bedenken, was ihre Eltern wohl dazu sagen, waren unbegründet. Renés Mutter meinte nur: Wird eh schon Zeit!"

Die beiden haben einen Hund, den Mops "Betty".
Foto: Heribert Corn

Es war ein Fest mit 60 Leuten. "Der perfekte Tag", sagt Patrizia. Er trug ein Hemd und Hosenträger. Sie wollte zuerst ein weißes Brautkleid, habe sich darin aber "verkleidet" gefühlt und entschied sich schließlich für einen Tüllrock und ein T-Shirt mit der Aufschrift "Love is Love". Patrizia hat nun einen Doppelnamen, weil René das gerne wollte, in den Ringen sind ihre Namen und ihr Hochzeitstag eingraviert. Obwohl sie sonst in getrennten Zimmern wohnen, verbrachten sie die Hochzeitsnacht zusammen.

"In guten wie in schlechten Zeiten" ist für das Paar nicht nur eine Floskel. "Wir stehen immer zueinander", sagt Patrizia. Wenn sie etwas zu erzählen hat, ist René der Erste, den sie anruft. Als kürzlich ihr Opa gestorben ist, stand er ihr zur Seite. Auch als sie eine Operation hatte oder den zweiten Bildungsweg einschlug und eine Ausbildung zur Behindertenbetreuerin machte. "Ich hab’ mich mehr gefreut als Pizzi, als sie endlich fertig war", erzählt René.

Der Wunsch nach einem Kind

Mit 30 hatte Patrizia einen Kinderwunsch. "Wir haben lange diskutiert, ob wir ein Kind bekommen sollen." Nachwuchs, war dann die Überlegung, könnte sie jedoch vom Reisen abhalten. Nun sind sie eben für ihre fünf Neffen und Nichten da. "Es könnte natürlich sein, dass wir das mit den Kindern im Alter bereuen", sagt René.

Außer Reisen – sie waren bereits auf jedem Kontinent – hat das Paar noch einige andere gemeinsame Hobbys, etwa auswärts essen zu gehen. Zum Geburtstag lädt immer einer den anderen in ein ungewöhnliches Restaurant ein. Ein Geheimnis ihrer Beziehung ist auch: viel reden, nichts ungesagt lassen. Wenn es doch einmal Streit gibt, dann beim Autofahren, wenn Patrizia auf andere Autofahrer schimpft oder ihrem Mann ins Lenkrad greift.

Die Frage, ob sich durch ihre Ehe etwas für ihn verändert habe, bejaht René ohne Zögern: "Man fühlt sich noch verbundener als davor." Und Patrizia sagt: "Es ist schon sehr lange mehr als Freundschaft." Es ist eben Liebe, nämlich: innige. (Beziehungsporträt: Lisa Breit, 17.12.2019)