Das Verbot des Unkrautvernichtungsmitttels Glyphosat wird nicht – wie vorgesehen – mit 1. Jänner in Kraft treten.

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Der Jubel war groß, als im Nationalrat das Verbot von Glyphosat beschlossen worden ist. Ab 1. Jänner hätte es bereits so weit sein sollen: Das umstrittene Herbizid sollte nicht mehr auf den heimischen Äckern ausgebracht werden dürfen. Jetzt heißt es zurück an den Start.

Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein hat die Reißleine gezogen. "Aus formaljuristischen Gründen", wie sie betont. Konkret wird das Vorhaben, das SPÖ, FPÖ, Neos und Jetzt im freien Spiel der Kräfte vor der Nationalratswahl im Juli auf den Weg brachten, von Bierlein nicht kundgemacht – und tritt somit nicht in Kraft. Dabei hatten Greenpeace und Global 2000 Anfang Dezember noch kräftig gejubelt. "Österreich ist das erste EU-Land, das landesweit ein Verbot für den Wirkstoff umsetzen wird", trommelten da Greenpeace und Global 2000, die EU-Kommission habe kein Veto gegen ein Totalverbot eingelegt.

Verfahrensrechtlicher Fehler

Tatsächlich hat die Kommission inhaltlich zum Verbot gar nicht Stellung genommen – weil das Vorgehen Österreichs verfahrensrechtlich als systematischer Verstoß gegen die Notifizierungsrichtlinie 2015/1535/EU zu qualifizieren sei. Österreich hat nicht – wie von der Richtlinie gefordert – einen Entwurf übermittelt, sondern ein fertiges Gesetz, mit dem das Pflanzenschutzmittelgesetz 2011 geändert wird.

Allerdings sieht dieses Gesetz u. a. vor, dass es erst in Kraft tritt, wenn es eine Notifizierung gibt. Und der Eintritt dieser Bedingung muss von der Bundeskanzlerin kundgemacht werden. Genau diese Bedingung ist nicht eingetreten.

War es eine Panne, war es Schludrigkeit, ein Fehler? Alles ist möglich. Ungewöhnlich ist das Vorgehen Österreichs, ein Gesetz vorzulegen, allemal, wie die Juristinnen Dragana Damjanovic und Iris Eisenberger von der Universität für Bodenkultur konstatieren. Beide haben an der nationalen Machbarkeitsstudie zum Glyphosatausstieg mitgearbeitet.

Vertragsverletzungsverfahren

Auch das Bundeskanzleramt argumentiert mit dem Formalfehler: Die "Notifizierung eines Entwurfs wurde nicht ordnungsgemäß durchgeführt", so die Bundeskanzlerin. Auch der Verfassungsdienst im Justizministerium und der Rechtsdienst des Bundeskanzleramts kommen zu diesem Schluss. Zwar hätte Bierlein nach Meinung mancher formaljuristisch das Gesetz durchwinken können. Aber: Für diesen Fall hat die Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren angedroht. Zudem bestünde die Gefahr, dass das Gesetz gar nicht angewendet werden darf. Der Kommission nun das Vorhaben als Entwurf zu notifizieren halten Damjanovic und Eisenberger nicht für die Lösung. Auch der Verfassungsdienst im Justizministerium und der Rechtsdienst des Bundeskanzleramts kommen zum Schluss, dass die Notifzierung nicht mehr nachgeholt werden kann.

Zurück an den Start

Will heißen: Was bisher geschah, ist hinfällig. Auch die Abstimmung im Nationalrat. Entsprechend empört fallen manche Reaktionen aus. "Es kann nicht sein, dass der mehrheitliche Wille der Bevölkerung und des Parlaments aufgrund von politischem Hickhack missachtet wird", so Vize-SPÖ-Klubvorsitzender Jörg Leichtfried. Er will gleich am Mittwoch erneut einen Antrag auf ein Glyphosatverbot einbringen.

Greenpeace ortet "Verrat an der Demokratie", würde doch ein demokratisch zustande gekommenes Gesetz, das die Österreicher wollen und die EU akzeptiere, nun mit formaljuristischen Winkelzügen gestoppt. Auch für FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl hat "das Ganze einen fahlen Beigeschmack. Es scheint, als hätte die ÖVP ein Formalargument der EU dafür missbraucht, ein Gesetz, das sie partout nicht haben will, zu hintertreiben. Die geforderte Notifikation vor einer Kundmachung wurde ja schließlich nachgeholt", so der Klubobmann. Auch Helmut Burtscher-Schaden, Biochemiker bei Global 2000, findet, es laufe "etwas grundlegend falsch in Europa". Freude kommt bei jenen auf, die sich dezidiert gegen das Verbot ausgesprochen hatten: Die Landwirtschaftskammer (LK) Österreich lobt den funktionierenden Rechtsstaat. (rebu, 9.12.2019)