Atmet das Baby noch? Hat es Fieber? Weint es? Die Erziehung ist immer mehr von Angst geprägt. Die Technikindustrie profitiert von der Furcht der Eltern und entwickelt gezielt Produkte zur Überwachung von Kindern.

Das falsche Gefühl von Sicherheit
Die digitale Überbewachung des Kindes beginnt, bevor es überhaupt verlorengehen kann. Nämlich im Kinderbett. Babyphones sind out, stattdessen stehen Baby-Monitore und Wearables ganz oben auf der Einkaufsliste von werdenden Eltern. Der Nachwuchs wird beim Schlafen via Kamera gefilmt, zusätzlich misst ein am Strampler integrierter Sensor kontinuierlich die Atmung des Babys. Via App erhalten Betreuungspersonen alle Daten im Überblick und bekommen natürlich sofort eine Nachricht, sollte etwas nicht in Ordnung sein. Schließlich sitzt frischgebackenen Eltern ständig die Angst im Nacken. Die Angst, irgendetwas könnte dem Baby zustoßen. Die Angst vor dem plötzlichen Kindstod. Dabei gibt es bisher gar keine Studien, die belegen, dass solche Produkte das Risiko eines plötzlichen Kindstods (SIDS) verringern können. Einige Mediziner warnen sogar davor, Puls- und Atemüberwacher zu verwenden, weil die Geräte nicht immer genau messen. Manche schlagen vielleicht Alarm, obwohl alles gut ist. Wirklich entspannend klingt das nicht. Eltern könnten zudem im Umgang mit dem Baby gestört werden. Ein Beispiel: Der Windelsensor meldet ans Smartphone, wann die Windel gewechselt werden muss. Normalerweise lernen Eltern das aufgrund des Gesichtsausdrucks des Kindes und der restlichen Kommunikation.

Auf Schritt und Tritt
Später, wenn das Kind dann allein unterwegs ist, geht die Digi-Überwachung weiter: Hat der Sprössling bereits ein Handy, aktivieren Eltern den Live-Ortungsdienst, um so jederzeit zu überprüfen, wo es sich aufhält. Kleinere Kinder, die noch kein Smartphone benutzen, werden ganz einfach mit einer GPS-Uhr ausgestattet, damit sie nicht verlorengehen. Praktisch, oder? Die Frage ist nur: Verletzt die permanente Überwachung des Kindes eigentlich seine Persönlichkeitsrechte? "Ein Kind, das ständig überwacht wird, muss denken, dass man ihm nicht vertraut und ihm nichts zutraut. Wie soll es so ein Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen bilden?", warnt Rainer Becker, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Kinderhilfe.



Sensible Daten
Auch Datenschützer sehen die digitale Überwachung von Kindern kritisch. Schließlich handelt es sich um Informationen, die im Netz landen und deren Verbreitung oder Verwendung kaum kontrollierbar ist. Weil die digitalen Überwachungsgeräte ganz schön smart sind, messen sie nicht nur wichtige Körperfunktionen, sondern speichern ganz beiläufig auch andere Daten: Wann schläft das Kind gut? Wie tief schläft es? Wie oft wird die Windel gewechselt? Wann hat es etwas gegessen? GPS-Kinderuhren sammeln nicht nur Standortinformationen, sondern auch sensible Daten wie etwa Rufnummern oder den Gesundheitszustand des Kindes. Was passiert mit den Daten? Darüber äußern sich nur die wenigsten Hersteller. (Nadja Kupsa, 16.12.2019)