Am 9. März 1944 begann in St. Georgen unter dem Tarnnamen "Bergkristall" der Bau einer der größten unterirdischen NS-Rüstungsanlagen.

Foto: BIG / Helga Loidold

Man hat sich mit der dunklen Seite der Gemeindegeschichte in St. Georgen an der Gusen nicht immer leichtgetan. So war noch 1989 ein eigener Gemeinderatsbeschluss nötig, um die Zeit des Nationalsozialismus überhaupt in das damalige Geschichtsbuch der Gemeinde zu bekommen. Der Mantel des Schweigens wurde nach 1945 aber nicht nur vonseiten der lokalen Bevölkerung ausgebreitet. Das offizielle Österreich verlegte das Gedenken nach Mauthausen. Und das ehemalige KZ Gusen war Jahrzehnte in der gesellschaftlichen Wahrnehmung kaum präsent. Mehrere Bauten aus der NS-Zeit gingen mit dem Ende der sowjetischen Besatzung in Privatbesitz über.

Mit der Neugestaltung der Dauerausstellung in der KZ-Gedenkstätte Mauthausen verbesserte sich die Situation dank einer stärkeren Einbindung des Lagers Gusen zwar, das zähe Ringen um ein einheitliches und vor allem würdiges Gedenkkonzept ging aber weiter. Das Memorial Gusen, das Krematorium mit einem kleinen Besucherzentrum und die Möglichkeit, den ehemaligen Bergkristall-Stollen zumindest vier Tage pro Jahr begehen zu können, sind für viele nur kleine Mosaiksteine des Gedenkens.

Kritik aus Polen

Wiederholt wurde in den letzten Jahren insbesondere von polnischer Regierungsseite, aber auch von zahlreichen Überlebendenverbänden ein entsprechendes Gesamtkonzept eingemahnt. Zuletzt am vergangenen Wochenende vom polnischen Premier Mateusz Morawiecki.

Dieser kündigte überhaupt an, dass Polen die baulichen Überreste des Lagers zu kaufen gedenke. Es solle damit in einen würdigen Ort des Gedenkens verwandelt werden. Die Möglichkeit zum Kauf bestünde tatsächlich, da drei Grundbesitzer bereits 2018 ihre Verkaufsbereitschaft signalisiert hatten. Konkret stehen das ehemalige "Jourhaus", zwei Häftlingsbaracken und zwei SS-Gebäude sowie das Steinbruchgelände mit einem großen Schotterbrecher und der ehemalige Appellplatz zum Verkauf. Kolportiert wird eine Kaufsumme von rund zwei Millionen Euro.

Langsame Prüfung

Interesse zeigte bereits damals auch die Republik Österreich. Man entschied sich aber zunächst, eine Machbarkeitsstudie in Auftrag zu geben. Dem Vernehmen nach liegt das Konzept bereits seit einem Jahr im Innenministerium auf dem Tisch – und dennoch hat man sich wieder für den Mantel des Schweigens entschieden. Konkrete Details zur Studie, die immerhin als Entscheidungsgrundlage "zum weiteren Umgang mit dem Gedenken in Gusen" dienen soll, gibt es nämlich aktuell von ministerieller Seite nicht. Geprüft werden aktuell, und das offensichtlich ziemlich genau, mögliche "Optionen".

Auf Landesebene will man sich jetzt aber nicht länger mit einem Verweis auf die Warteschleife zufriedengeben. Noch am Montag deponierte Landeshauptmann Thomas Stelzer (VP) schriftlich seine Bitte in Wien, man möge ihn doch über konkrete Inhalte der Machbarkeitsstudie entsprechend informieren.

Gedenkstättenleiterin Barbara Glück zeigt sich im STANDARD-Gespräch dennoch zuversichtlich, dass die Republik Österreich die geschichtsträchtigen Grundstücke erwerben wird: "Die Aufarbeitung in Gusen ist keine Momentaufnahme, sondern ein längerer Prozess. Aber es ist bereits viel passiert. So etwas geht halt nur in kleinen Schritten." (Markus Rohrhofer, 10.12.2019)