Das Bildungskapitel beinhaltet zwei Schwierigkeitsstufen: Bei Wissenschaft und Forschung tun sich ÖVP und Grüne wesentlich leichter als bei Schulthemen.

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Margarete Schramböck war unter Türkis-Blau Wirtschaftsministerin und leitet für die ÖVP die Verhandlungsgruppe Bildung.

Foto: Heribert Corn

Sigi Maurer flog mit den Grünen nach der Wahl 2017 aus dem Parlament, jetzt verhandelt sie eine grüne Regierungsbeteiligung.

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Türkis-Grün ist eigentlich eine politische Hummel: "Geht es nach ihrem Körperbau, dann könnte sie eigentlich nicht fliegen. Sie kann es aber trotzdem." Mit diesen Worten erklärte Margarete Schramböck einmal, warum die Hummel ihr Lieblingstier ist. Aber es passt auch gut zu der Aufgabe, zu der sie jetzt als ÖVP-Chefverhandlerin für den Bereich Bildung, Wissenschaft, Forschung und Digitalisierung mit ihrem grünen Pendant Sigi Maurer beitragen soll: eben diese türkis-grüne Hummel zum Fliegen zu bringen. Zeigen, dass es trotzdem geht. Zumal noch vor ein paar Monaten fast niemand gedacht hat, dass die Neuerfindung der schwarzen als türkise ÖVP nach ihrem Kurzflirt mit der FPÖ just mit den Grünen jemals auf Koalitionskurs kommen könnte.

Daran wird es nicht scheitern

Und selbst wenn auch dieses Verhandlungsteam mögliche Inhalte wie strenggeheime Verschlusssachen behandelt, so lässt sich doch eines heraushören: An diesem Kapitel wird eine ÖVP-Grünen-Koalition nicht scheitern.

Die weitesten Annäherungswege alias "die größten Herausforderungen", wie es im Verhandlersprech heißt, gibt es unwidersprochen im Bildungsbereich, also in der Schulpolitik, zu absolvieren: Deutschförderklassen, Ganztagsschule, Gesamtschule sind nur drei Beispiele.

Klar ist jedenfalls, so ist zu vernehmen, "linksdrehende Gesamtschule als i-Tüpfelchen wird es nicht geben". Aber vielleicht weist ja ein Blick gen Westen einen Ausweg? Die Modellregion Vorarlberg wäre startklar, dort wäre der Boden für einen Versuch in Sachen gemeinsamer Schule parteiübergreifend schon fertig aufbereitet.

Zwei Tirolerinnen und ein Schokonikolaus für jede/n

Apropos Westen: Beide Verhandlungsführerinnen sind Tirolerinnen, und das scheint durchaus hilfreich zu sein beim Unterfangen, bildungspolitisch auf gleich zu kommen. Das Du-Wort war schnell eingeführt, hin und wieder werden Tirolerwitze zum Besten gegeben. Sie können persönlich gut miteinander, und auf die Frage nach der Stimmung im insgesamt 15 Personen umfassenden Verhandlungsteam kommt eine Wortwolke aus "atmosphärisch gut, sehr konstruktiv, vertrauensvoll, professionell, freundlich und respektvoll im Umgang, es wird aber auch miteinander gelacht, was auch wichtig ist".

Es gibt aber auch kleine Gesten, die die gewachsene Vertrautheit zeigen: Vergangenen Freitag etwa, am 6. Dezember, brachte Grünen-Verhandlerin Eva Blimlinger für alle einen Schokonikolaus mit. Das räumt zwar keine großen inhaltlichen Brocken beiseite, verschlechtert die Stimmung in dem von Grünen-Chef Werner Kogler ausgerufenen Projekt Brückenbau – Brocken zu Brücken machen – aber auch nicht, im Gegenteil.

Alte Bekannte mit viel Expertise

Wobei die Bildungsgruppe ohnehin aus alten Bekannten mit ausgewiesener Expertise besteht. Für die ÖVP verhandelt etwa der Bildungsminister von Türkis-Blau, Heinz Faßmann. Schon vor dem Aus der Regierung auch von ÖVP-Kritikern geschätzt, heißt es über ihn: "Mit dem kann man reden, der ist ein gestandener konservativer Liberaler." Ihm gegenüber sitzt mit Blimlinger die ehemalige Vorsitzende der Universitäten-Konferenz.

Maurer selbst war nicht nur eine prägende ÖH-Vorsitzende in der #UniBrennt-Phase, sondern zuletzt Wissenschaftssprecherin der Grünen, die nach dem Wahldebakel als Soziologin beim Institut für Höhere Studien andockte. Sie kennen also jeden Winkel des Hochschulsystems, wenn auch aus unterschiedlicher Perspektive – damit aber auch die Schmerzpunkte des Gegenübers. "Wenn wir drei miteinander verhandeln, ist das eine durchaus nerdige Atmosphäre", sagt Maurer: "Wir kennen uns sehr gut, es ist immer konstruktiv und auch befruchtend an manchen Stellen."

Im Uni-Bereich ist sicher auch das Reizthema Studiengebühren auf dem Tisch – aber diese Gruppe vermittelt kollektiv, dass sie nicht darüber zu stolpern gedenkt.

Ganz allgemein beschreibt es ÖVP-Chefverhandlerin Schramböck, die als Managerin viel Verhandlungspraxis aus der Wirtschaft mitbringt, so: "Unsere Aufgabe ist es, jetzt vollkommene Klarheit zu schaffen. Dazu ist Wertschätzung für das Gegenüber wichtig, und wir müssen das große Ganze im Blick behalten."

Das große Ganze entscheidet

Zum großen Ganzen gehört bei beiden Gruppenchefinnen natürlich auch die Partei, für die sie verhandeln. Schramböck erspielte sich in der Neuaufstellung der türkisen Volkspartei unter Sebastian Kurz schnell eine wichtige Rolle. Die 49-Jährige, die nur zwei Monate nach ihrem Abgang als A1-Telekom-Vorstandschefin von Kurz aus dem Stand zur Wirtschaftsministerin gemacht wurde, lieferte aus dessen Sicht eine vorbildliche Ministerinnenrolle ab. Das will sie wieder machen.

Auch Maurer (34) ist bei den Grünen in eine Zentralposition in der neuen Parteiarchitektur aufgerückt als Vizeklubchefin und geschäftsführende Parlamentarierin, die den Klub aufbauen soll: "Darauf konzentriere ich mich, und das wird auch so bleiben." (Lisa Nimmervoll, 10.12.2019)