Am Klimaschutz, so tönt es aus der ÖVP, werden die Verhandlungen mit den Grünen nicht scheitern. Das ist verständlich, denn Sebastian Kurz will nicht als ein Politiker dastehen, der den Kampf gegen die Erderwärmung, dem sich die Mehrheit der Österreicher verschrieben hat, nicht ernst nimmt.

Dennoch bleibt der Klimaschutz das größte Hindernis. Denn ein Koalitionspakt, der die Erwartungen von Experten sowie von grünen Funktionären und Wählern erfüllt, müsste vor allem Autofahrer auf eine Weise belasten, die der türkisen Basis kaum zumutbar wäre. Diese Kluft zu überbrücken ist ein schwerer Brocken für die türkis-grünen Brückenbauer.

Damit die Österreicherinnen und Österreicher weniger Auto fahren, müssen die Treibstoffpreise deutlich steigen.
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Österreich ist weit weg vom vereinbarten CO2-Pfad und benötigt harte Einschnitte. Die Industrie zahlt bereits durch den Emissionshandel, jede weitere Verschärfung würde nur zu einer Verlagerung der Produktion ins Ausland führen. Beim Heizen ist in den vergangenen Jahren bereits viel geschehen. Eine Erhöhung der häuslichen Energiekosten würde erst sehr langfristig etwas bringen und kurzfristig die Armen treffen. Die Luftfahrt macht trotz aller Schlagzeilen nur einen Bruchteil der Emissionen aus. Bleibt der Individualverkehr als Klimasünder Nummer eins, der Österreichs Bilanz Jahr für Jahr verhagelt. Hier muss eine zukünftige Regierung eine rasche Wende einleiten.

Doch wie? Damit die Österreicherinnen und Österreicher tatsächlich weniger Auto fahren, müssen die Treibstoffpreise deutlich steigen. Ein paar Cent mehr an der Zapfsäule hätten keine spürbare Wirkung. Selbst das moderate Ziel des TU-Verkehrsexperten Harald Frey, dass pro Auto und Jahr 630 Kilometer weniger zurückgelegt werden, verlangt nach mehr. Doch ein Literpreis von 1,50 Euro und mehr würde vor allem auf dem Land viel Zorn und lautstarke Proteste hervorrufen. Frankreichs Gelbwesten haben gezeigt, wie effektiv sich aufgebrachte Bürger, die ihren Pkw im Alltag brauchen, wehren können. Für die ÖVP ist dies ein Schreckensszenario; für die Grünen wiederum wäre eine Preiserhöhung ohne echten Lenkungseffekt inakzeptabel.

Steuerliche Lenkungseffekte

Einen Ausweg aus diesem Dilemma böte ein zeitlicher Aufschub: Zuerst müsste die neue Regierung den seit Jahren vernachlässigten öffentlichen Verkehr im ländlichen Raum ausbauen und erst zeitversetzt die steuerlichen Lenkungseffekte setzen. Zuerst müssen die Menschen sehen, dass praktikable Alternativen zur täglichen Autofahrt existieren; erst dann wären sie bereit, für das Tanken tiefer in die Tasche zu greifen.

Damit das funktioniert, müsste viel Geld in die Hand genommen werden. Dass die beiden Parteien dafür anderswo sparen, ist unwahrscheinlich. Stattdessen könnte das von Kurz vielgepriesene Nulldefizit daran glauben. Für eine echte Klimawende wäre dies ein akzeptables Opfer, vor allem wenn mit einer späteren Gegenfinanzierung durch höhere Ökosteuern zu rechnen ist. Der nächste Finanzminister könnte auch die einst mit der FPÖ vereinbarte Senkung der Unternehmenssteuern streichen; sie bringt dem Standort wenig.

Der Ehrgeiz von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die am Dienstag den neuen Klimafahrplan vorstellen will, sollte eine Einigung in Wien erleichtern. Seht her, Brüssel verlangt es von uns, kann Kurz seinen Leuten sagen. Aber die Spannung zwischen ökologischer Notwendigkeit und politischen Risiken bleibt der größte türkis-grüne Stolperstein. (Eric Frey, 10.12.2019)