Enceladus beschäftigt Astronomen schon längere Zeit. Bei früheren Beobachtungen erschien er zunächst bloß als annähernd weißer Schneeball im All: ein felsiger Kern, umgeben von einer dicken Wassereisschicht. Spätestens jedoch seit die Nasa-Sonde Cassini ab März 2005 den knapp über 500 Kilometer durchmessenden Saturnmond erstmals näher in Augenschein genommen hat, ist klar, dass dieser Himmelskörper im Sonnensystem eine Sonderstellung einnimmt – und einige Fragen aufwirft. Genauere Begutachtungen enthüllten deutliche Hinweise darauf, dass Enceladus unter seiner Eiskruste stellenweise große Massen flüssigen Wassers beherbergt, womöglich sogar einen globalen, mehrere Kilometer tiefen Ozean. Das wiederum würde auf eine Umgebung hindeuten, in der Leben zumindest nach irdischen Maßstäben denkbar wäre.

Die Eiskruste des Saturnmonds Enceladus ist an seinem Südpol instabil. Die seltsamen parallelen Strukturen stellten lange Zeit ein Rätsel dar.
Foto: Nasa

Unterirdischer Ozean

Dass der Eismond unter seiner Oberfläche flüssiges Wasser verbergen könnte, ergaben in weiterer Folge auch Cassini-Aufnahmen von seiner Südpolregion. Dort nämlich entdeckte die Sonde insgesamt vier parallel verlaufende Brüche in der Eiskruste, von den Astronomen als "Tigerstreifen" bezeichnet, aus denen an manchen Stellen flüssiges Wasser aus dem Inneren des Mondes hervorbricht. Diese kryovulkanischen Erscheinungen blasen nicht nur sehr hohe Fontänen aus Wassereispartikeln ins All hinaus, um auf der südlichen Hemisphäre von Enceladus eine dünne Atmosphäre zu erzeugen, sie speisen wahrscheinlich sogar den E-Ring des Mutterplaneten Saturn.

Zu dieser außerordentlich aktiven Region gibt es nach bisherigen Erkenntnissen im Sonnensystem kein vergleichbares Gegenstück. Die auf den Cassini-Bildern im Vergleich zur Umgebung hellblau erscheinenden Streifen erstrecken sich über eine Länge von durchschnittlich 130 Kilometern und sind im Schnitt jeweils 35 Kilometer voneinander entfernt. Warum diese Tigerstreifen gerade am Südpol des Saturnmonds auftreten und so regelmäßig angeordnet sind, war bisher ein Rätsel, das US-Wissenschafter um Doug Hemingway von der Carnegie Institution for Science (Washington, D.C.) nun jedoch gelöst haben könnten.

Die Kryovulkane, die sich an den Spalten des Südpols befinden, speien Wasser aus dem Inneren des Eismonds weit ins All hinaus.
Foto: NASA, JPL, Caltec, Space Science Institute

Warum gerade am Südpol?

"Was uns interessierte, war vor allem, warum diese Eruptionen gerade am Südpol und nicht an anderen Orten des Mondes auftreten", meint auch Max Rudolph (University of California, Davis), Co-Autor der nun im Fachjournal "Nature Astronomy" veröffentlichten Studie. Der Grund dafür dürfte letztlich einem Zufall zu verdanken sein, denn die für den Enceladus-Südpol charakteristischen Strukturen wären vermutlich durchaus auch am Nordpol möglich gewesen.

Jene Wärme, die den vermuteten Ozean unter Enceladus' Eisschicht flüssig hält, ist eine Folge des unregelmäßigen Orbits des Mondes. Die Umlaufbahn, die Enceladus einmal näher, einmal weiter weg von dem Gasriesen bringt, knetet den Mond permanent durch. An den Polen wirken dabei die größten Gravitationskräfte, weshalb auch dort die Eisschichten im Vergleich zum übrigen Mond am dünnsten sind.

Bisherige Analysen lassen es plausibel erscheinen, dass zwischen der Eiskruste und dem felsigen Kern des Saturnmonds ein kilometertiefer Ozean existiert.
Illustr.: NASA/JPL-Caltech

Während Umlaufperioden, wo Enceladus in Sonnenferne noch weiter abkühlt, gefriert der Untergrund des Eismonds mehr als sonst – und dort, wo die Oberfläche dünner ist, drückt das sich ausdehnende gefrierende Wasser aus dem Untergrund nach oben. Nach Ansicht der Forscher geschah das zufällig im Süden, es hätte in der Vergangenheit durchaus auch im Norden passieren können.

Parallele Spalten

Die dabei aufgebrochene Spalte blieb auch künftig offen und erzeugte regelrechte Geysire, aus denen Wasser aus dem Inneren von Enceladus an die Oberfläche gelangt. Das ausgestoßene und gefrierende Wasser lagerte sich mit der Zeit in der weiteren Umgebung an und erzeugte so örtlichen Druck in bestimmten parallelen Abständen. "Das führte dazu, dass im Laufe der Zeit in dieser speziellen Region des Eisschilds durch den gravitativen Einfluss des Saturns mehrere Spalten in jeweils 35 Kilometern Abstand entstanden sind", erklärt Rudolph. (Thomas Bergmayr, 10.12.2019)