Für den Klimasozialgipfel ist keine Akkreditierung notwendig. Teilnehmer suchen hier selbst nach einem Ausweg aus der Klimakrise.

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Indigene aus dem Amazonasgebiet nahmen an einer von Extinction Rebellion am Rande des Klimagipfels organisierten Protestveranstaltung teil.

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Veganes Essen köchelt vor sich hin, es wird getrommelt und rege über die Zukunft unseres Planeten diskutiert. Zwei junge Männer hängen gerade ein Plakat auf: "Ändern wir das System, nicht das Klima", ist darauf zu lesen.

Denn nicht nur in der Messehalle im Osten von Madrid ist das Klima Thema Nummer eins. Einige Kilometer entfernt findet in einem Universitätsgebäude der "Cumbre Social", der "Klimasozialgipfel" statt. Die Stimmung bei der Gegenveranstaltung zum UN-Kongress ist gänzlich anders: Anzüge und diplomatische Floskeln sucht man am Cumbre vergebens. Die Stimmung ist ausgelassen, auch wenn das Thema den Teilnehmern sichtlich Sorgen bereitet.

Das große Veranstaltungszelt wurde von der spanischen Regierung zur Verfügung gestellt.
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Lia Cavaleiro ist für die Veranstaltung extra aus Portugal angereist: "Ich versuche zu verstehen, wie wir Menschen aus einkommensschwächeren sozialen Schichten zu einer nachhaltigeren Ernährungsweise bringen können", sagt die Wissenschafterin. Klimagerechtigkeit und soziale Gerechtigkeit seien nämlich "dasselbe" – "wenn wir die Mehrheit der Bevölkerung bei diesem Thema ausschließen, kann der Kampf gegen den Klimawandel nicht gelingen."

Die Ernährungswissenschafterin Lia Cavaleiro ist extra aus Portugal angereist.
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Hinter dem Alternativgipfel stehen mehr als 30 verschiedene Organisationen. Beteiligt sind unter anderem der spanische Ableger von Fridays for Future, die Klimaaktivisten Extinction Rebellion und mehrere Umweltschutzorganisationen. Viel Zeit für die Veranstaltungsplanung blieb nicht. Erst vor einem Monat wurde bekannt, dass der Klimagipfel in Madrid und nicht – wie ursprünglich geplant – im chilenischen Santiago stattfinden wird.

In mehr als 350 verschiedenen Vorträgen, Workshops und Hintergrundgesprächen tauschen sich Teilnehmer über die Folgen der Klimakrise und Protestformen aus. "Jeder war eingeladen, eigene Aktivitäten vorzuschlagen", sagt Alfons Pérez López, einer der Organisatoren. Die Veranstaltung stößt auf reges Interesse, eine Akkreditierung ist im Gegensatz zum offiziellen Event nicht notwendig. Laut Veranstaltern nehmen täglich zwischen 800 und tausend Menschen an dem Alternativgipfel teil.

Aktivisten verlangen konkrete Maßnahmen

Auch in Santiago waren Gegenveranstaltungen zum UN-Programm geplant. Die Forderungen der chilenischen Kollegen stehen daher auch im Mittelpunkt des spanischen Cumbre Social. Die Aktivisten kritisieren neben sozialen Ungerechtigkeiten vor allem das Nichthandeln der Politik. Das Ausrufen eines Klimanotstands nach dem nächsten würde nicht ausreichen, wenn danach keine entsprechenden Maßnahmen gesetzt würden. "Wir diskutieren seit 25 Jahren auf Klimakonferenzen, aber die Situation wurde immer schlimmer", sagt Pérez López.

In großen Töpfen wird veganes Essen für die Gipfelteilnehmer gekocht. Dafür kann jeder so viel zahlen, wie er möchte.
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Deshalb würde sich die Zivilbevölkerung auf die Straße begeben: "Mit leeren Taschen und vollen Herzen", heißt es auf dem Alternativgipfel, der sich dem zivilen Ungehorsam verschrieben hat. Für die Veranstaltung wurden rund 90.000 Euro auf die Beine gestellt – Geld, das großteils von NGOs stammt. Doch auch die spanische Regierung unterstützt: mit einem großen, weißen Veranstaltungszelt. Den Rest stemmen Freiwillige. Sie rühren in überdimensionalen Töpfen das Abendessen an, kümmern sich um die Öffentlichkeitsarbeit und organisieren Unterkünfte. Weil die Madrider Hotels beinahe ausgebucht sind, nehmen spanische Klimaschützer Gipfelteilnehmer aber auch auf ihren Sofas auf. (Nora Laufer, Karin Riss, 10.12.2019)