Mit der Plattform "Ich bin Wien" versuchte im Wiener Wahlkampf 2010 der sozialdemokratische Politiker Peko Baxant Jugendlichen zu vermitteln, dass Wien "nicht nur eine Stadt, sondern auch eine Einstellung" ist und assoziierte diesen emotionalen Code mit der Wahlempfehlung "Und wenn du Wien bist, wählst du die SPÖ." Übrigens war dies jener Wahlkampf, in dem einst ebenfalls ein Jungpolitiker namens Sebastian Kurz seine ersten politmedialen Gehversuche mit der Intention startete, junge Menschen “geil auf Politik“ zu machen. Einige Jahre später ist ihm das anscheinend gelungen und der junge engagierte ÖVP-Politiker von damals transformierte seine in die Jahre gekommene biedere schwarze Partei in ein hippes Türkis und schwang sich zum Bundeskanzler empor. Baxants Ansatz wird bewusst oder unbewusst bei der kommenden Wien-Wahl im Jahr 2020, bei der es für die Sozialdemokratie in Wien und darüber hinaus in gesamt Österreich um ihr politisches Überleben geht, eine nicht unwesentliche Rolle spielen.

2020 steht für die Wiener SPÖ unter Ludwig eine Herkulesaufgabe bevor.
Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Steht Wien vor einem Systemwandel?

Es gibt nur einen signifikanten Unterschied zu den beschriebenen Wahlen zehn und fünf Jahre zuvor. Der große Hauptgegner, welcher stets den Kampf um Wien ausrief – nämlich die FPÖ – ist der Sozialdemokratie als strategischer Konterpart abhandengekommen. Sie hat selbst mit hausinternen Problemen zu kämpfen und wird mit großer Wahrscheinlichkeit bei den kommenden Wahlen in Wien nicht mehr die Rolle spielen, die sie die Jahre zuvor gespielt hat. Die große Gefahr für die SPÖ besteht darin, in Richtung Grüne, Neos und sogar Türkis "auszurinnen". Die Errungenschaften der Sozialdemokratischen Partei Österreichs im sogenannten "roten Wien" sind bei vielen zur Selbstverständlichkeit geworden und 2020 wird sich weisen, wie sehr das Herz der Wienerinnen und Wiener noch immer für die Sozialdemokraten schlägt. Das rote Wien stand viele Jahrzehnte als Paradebeispiel für gelebte Sozialdemokratie.

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Der Abwärtstrend der Bundes-SPÖ in Verbindung mit dem türkis-grünen Aufschwung macht es für die SPÖ-Wien nicht gerade leichter. Eine Dirndl-Koalition aus Türkisen, Grünen und Neos könnte nach 101 Jahren das rote Wien zu Fall bringen. Politik ist eine Frage des Vertrauens und der emotionalen Bindung zu den Wählern. Dies weiß der neue SPÖ-Bürgermeister Michael Ludwig nur zu gut. "Das beste soziale Korrektiv ist immer die Gemeinschaft", so Ludwig nach seiner Ernennung zum neuen Chef der Wiener SPÖ über die Seele der Sozialdemokratie.

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Wer für Wien ist, wählt die SPÖ, oder?

Die große Unbekannte in der Formel um den Wahlausgang ist, wie stark die emotionale Ladung Wien = SPÖ noch bei den Menschen vorhanden ist oder inwiefern das Branding des "roten Wiens" in der Erinnerung und Prägung der Bürger zusehends verblasst. Wie hielt der österreichische Komponist Gustav Mahler in Zusammenhang mit Wien fest: "Wenn die Welt einmal untergehen sollte, ziehe ich nach Wien, denn dort passiert alles fünfzig Jahre später." (Daniel Witzeling, 16.12.2019)

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