Ingwerextrakte sind bei Übelkeit und Erbrechen eindeutig wirksam.

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Auch wenn es ihn neuerdings auch aus dem Seewinkel gibt, kommt der hierzulande im Supermarkt oder Bioladen erhältliche Ingwer zumeist aus Peru oder China. In der traditionellen chinesischen Medizin spielt die Pflanze seit vielen Jahrhunderten eine Rolle. Aber auch in Europa hat der für den westlichen Gaumen scharfe Ingwer eine steile Karriere hingelegt.

Der verzweigte Wurzelstock des Ingwergewächses enthält die wichtigen Inhaltsstoffe. Es gibt ihn frisch und als Ingwer-Tabletten oder Pulver zu kaufen. "Der Ingwer hat zweifellos insbesondere im Magen-Darm-Bereich ein breites Wirkspektrum. Davon ist wissenschaftlich aber nur wenig evidenzbasiert, sondern beruht auf vielen, teils 2.000 Jahre alten überlieferten Erfahrungen aus der chinesischen Medizin", sagt Matthias Melzig vom Fachbereich Biologische Pharmazie an der Freien Universität Berlin.

  • Welche pharmakologisch aktiven Substanzen enthält der Ingwer?

Wie in vielen anderen Pflanzen sind Eisen, Vitamine, Kalzium und Kalium enthalten. Besonders macht den Ingwer ein ätherisches Öl, das über die Nervenzellen für Geruch und Geschmack die Verdauung anregt.

  • Was macht Ingwer so scharf?

Er enthält in großen Mengen Scharfstoffe, die zu den Phenolen gehören. Die Schärfe des Ingwers rührt von diesen Gingerolen und Shogaolen. "Sie regen die Bauchspeicheldrüse dazu an, vermehrt Verdauungsenzyme auszuschütten. Das fördert die Verdauung von Eiweißen, Fett und Kohlenhydraten", sagt Melzig. Dadurch entleert sich auch die Gallenblase regelmäßig, was im Hinblick auf die Bildung etwaiger Gallensteine günstig sein kann. Wird Ingwer sehr stark erhitzt, etwa beim Kochen, wird Gingerol zu Zingeron abgebaut. Das ist deutlich weniger scharf und schmeckt leicht süßlich.

  • Welche Wirkung des Ingwers gilt als evidenzbasiert?

"Ingwerextrakte sind bei Reisekrankheit, also bei reisebedingten Beschwerden wie Übelkeit und Erbrechen, eindeutig wirksam", so Melzig. Das hat die europaweit tätige oberste Institution für pflanzliche Produkte der Europäischen Arzneimittelkommission (Ema) festgestellt. "Die im Ingwer enthaltenen Scharfstoffe docken an Serotonin-Rezeptoren im Darm an. Dadurch wird der Effekt gegen Übelkeit bewirkt."

Auch bei Schwangerschaftserbrechen während der ersten drei Schwangerschaftsmonate kann Ingwer gut sein – gegebenenfalls unter ärztlicher Aufsicht. Im letzten Schwangerschaftsdrittel sollte man Ingwerextrakt aber vorsichtshalber nicht mehr verwenden, weil er angeblich die Wehen fördern kann. "Weiterhin ist Ingwerextrakt gegen Übelkeit einsetzbar, die infolge einer Chemotherapie oder nach einer Anästhesie auftritt." Am besten verwendet man geprüfte Extraktpräparate aus der Apotheke.

  • Kann Ingwer auch Schmerzen lindern?

In der traditionellen chinesischen Medizin wird ihm ein schmerzlindernder Effekt zugeschrieben. Die scharfen Inhaltsstoffe des Ingwers hemmen wie die Salze der Salicylsäure das Enzym COX1 und wirken somit leicht entzündungshemmend und schmerzlindernd, etwa bei Kopfschmerzen und Migräne sowie Muskelschmerzen. Acetylsalicylsäure ist bekannt als Wirkstoff des Schmerzmittels Aspirin.

  • Die Erkältungszeit hat begonnen. Sollten wir nun alle heißen Ingwertee trinken, um nicht krank zu werden?

"Die Aussage, dass Ingwertee gegen Erkältungen hilft, basiert auf Erfahrungen der traditionellen chinesischen Medizin und der Vorstellung, dass Ingwertee wärmt", so Melzig. "Die Schleimhaut wird dadurch besser durchblutet, und es sind mehr Immunzellen vor Ort, die Erkältungsviren abwehren. Aber es gibt keine guten Studien hierzu, weshalb eine Empfehlung aus schulmedizinischer Sicht nicht aussprechbar ist."

  • Hat Ingwer auch antibiotische und schleimlösende Effekte?

"Im Ingwer sind Phenole in größeren Mengen enthalten, und wir wissen, dass alle Phenole antibiotische Eigenschaften haben", sagt der Berliner Pharmazeut. Die schleimlösenden Effekte sind darauf zurückzuführen, dass diese Scharfstoffe die Schleimhaut reizen. Das aktiviert den Nervus vagus, der in diesem Fall die Sekretbildung in den Bronchien anregt.

  • Wie wirken die Substanzen im Ingwer auf die Darmbakterien?

Der Ingwer beeinflusst über seine Inhaltsstoffe die Darmmikrobiota, also die Bakteriengemeinschaft im Darm und die von ihr produzierten Stoffe. "Die im Ingwer in größeren Mengen enthaltenen Gingerole und Shogaole spielen auch hier eine wichtige Rolle. Sie haben die Eigenschaft, Mikroorganismen, die eine Fehlbesiedelung im Darm verursachen, in ihrem Wachstum zu unterdrücken", sagt Melzig. "Dadurch geben sie den guten Bakterien die Chance, die Darmmikrobiota ins Gleichgewicht zu bringen."

  • Mit Ingwerwasser soll es möglich sein abzunehmen. Stimmt das?

"Na ja, Ingwer kurbelt zwar den Stoffwechsel an, aber es bewirkt keine Gewichtsabnahme", sagt Melzig. Allerdings: Ist Ingwerwasser tatsächlich das Einzige, das man zu sich nimmt, dürfte man tatsächlich abnehmen, so der Mediziner.

  • Was ist beim Einkauf zu beachten, um sich gesundheitlich nicht zu schaden?

Ingwer wird oft in Monokulturen angebaut. Die sind anfälliger für Schädlinge, weshalb Pestizide nötig werden. "In Asien werden Pestizide eher großzügig eingesetzt. Deshalb ist es am besten, Ingwer aus Bioanbau zu kaufen", rät Melzig.

  • Sollte man den Ingwer schälen?

"Tatsächlich sind direkt unter der Schale die meisten Inhaltsstoffe, weil dieser Bereich am stoffwechselaktivsten ist", so Melzig. Wer allerdings keinen Bioingwer kauft, sollte ihn lieber schälen. (Gerlinde Felix, 11.12.2019)