Richter Norbert Gerstberger hat über Diebstahl im Rahmen einer kriminellen Vereinigung durch drei Angeklagte zu urteilen.

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Wien – Schon bei der Überprüfung der Generalien kann man erahnen, was für ein Leben die 14-jährige Felicia B. bisher hatte. Kein gutes. "Wo sind Sie geboren?", fragt Richter Norbert Gerstberger die rumänische Zweitangeklagte. "Portugal", lässt sie übersetzen. "Das ist ein wenig unbestimmt. Lissabon, Porto?", merkt der Richter an. B. bedauert, sie kennt ihren genauen Geburtsort nicht. Auch die im Saal anwesende Mutter, die einen Säugling, eines der zwölf Geschwister von B., im Arm hält, kann nicht weiterhelfen.

Teure Handys und Geldbörsen als Beute

Im Herbst soll B. gemeinsam mit dem 15 Jahre alten Erstangeklagten Jonathan T. in Wien unter der Anleitung des 28-jährigen Drittangeklagten Constantin D. auf Beutezug gegangen sein, erklärt Staatsanwältin Anja Oberkofler in ihrem Anklagevortrag. Insgesamt 29 Privatpersonen und drei Unternehmen wurden zu Opfern des Trios, das sich auf Mobiltelefone und Geldbörsen spezialisiert hatte.

Ihr Trick: Die beiden Teenager sprachen in Restaurants und Cafés Gäste an und lenkten sie mit gestenreichen Fragen zur Speisekarte ab. Während sich die Opfer auf die Speisekarte konzentrierten, stahlen die jungen Menschen das auf dem Tisch liegende Handy. Insgesamt betrug die Schadenssumme 35.756 Euro.

"Sie werden sich beide geständig verantworten, aus verschiedenen Gründen, der Vorsitzende wird es verstehen, sie werden aber keine weiteren Angaben machen", kündigt Nikolaus Rast, Verteidiger der beiden Jugendlichen in seinen Eröffnungsworten an. Daher wird der von Peter Philipp vertretene Drittangeklagte als Erster auf den Anklagestuhl gebeten.

Erwachsener war für Logistik zuständig

Der in Deutschland, Italien und Spanien mit insgesamt vier Vorstrafen wegen Eigentumsdelikten versehene sechsfache Vater gibt auf Gerstbergers Fragen knapp Auskunft. "Wir sind zusammen nach Österreich gekommen, um zu stehlen", gibt er unumwunden zu. Er sei der Fahrer gewesen und habe sich um die Logistik wie Hotelbuchungen gekümmert. "Sie sind ja mit den Jugendlichen nicht verwandt. Gehören Sie alle zum selben Clan?", will der Richter wissen. "Ja", lässt der in Deutschland lebende Drittangeklagte übersetzen.

"Wann war Schluss?", will Anklägerin Oberkofler wissen, der aufgefallen ist, dass an mehreren Tage jeweils drei Mobiltelefone entwendet worden sind. D. behauptet, es habe keine Vorgaben gegeben. Die Beute durch den Weiterverkauf der Handys sei gedrittelt worden.

Lediglich zwei Jahre Schulbesuch

Wie angekündigt, bekennen sich der 15-Jährige und seine Komplizin nur schuldig, verweigern aber weitere Auskünfte, etwa nach Hintermännern oder -frauen. Richter Gerstberger muss daher auf die im Akt befindlichen Jugendgerichtserhebungen zurückgreifen, um ein besseres Bild der Angeklagten zu bekommen. Dadurch erfährt man beispielsweise, dass die Zweitangeklagte B. nur zwei Jahre lang die Schule besucht hat. Kontakt zu ihrem leiblichen Vater hat die 14-Jährige nicht, insgesamt habe sie bei der Erhebung einen "kindlich-trotzigen Eindruck" gemacht.

Die zahlreichen Opfer schließen sich dem Verfahren als Privatbeteiligte an, obwohl Gerstberger avisiert, dass der Exekutionstitel realistischerweise nicht vollziehbar sein wird. Einen ungebührlichen Auftritt legt dabei der Bruder eines Opfers an den Tag. Der Twen, der auch im Saal keinen Grund sieht, seine Baseballkappe abzunehmen, unterbricht ungebeten die Einvernahme seiner Schwester. "Die gehören rausgeschoben, raus aus Europa! Opfer!", mault er. Zur Empörung der Staatsanwältin droht der Mann beim Abgang auch noch der Erstangeklagten durch Gesten, er werde ihn im Auge behalten und ihm die Kehle durchschneiden.

Jugendliche als "Werkzeug"

Verteidiger Rast skizziert in seinem Schlussplädoyer, dass die Angeklagten Angehörige einer "mobilen ethnischen Minderheit sind, die eine andere Lebenswelt als wir in Mitteleuropa kennen". Die Jugendlichen seien allerdings lediglich "Werkzeug", bitte er um eine milde Strafe.

Gerstberger verurteilt die Minderjährigen zu je zehn Monate bedingt, der Erwachsene muss dagegen 20 Monate in Haft. Den Unterschied begründet er damit, dass es sich bei den beiden Jugendlichen um "Kinder, die wahrscheinlich auch missbraucht worden sind", handle. Den Müttern lässt der Richter übersetzen, dass ihre Kinder nach sechs Wochen Untersuchungshaft in einer halben Stunde entlassen werden. "Dann können Sie sie wieder mit nach Rumänien nehmen. Und dort bleiben Sie besser auch", stellt Gerstberger klar. (Michael Möseneder, 3.1.2020)