In sogenannten protoplanetaren Scheiben werden Planeten geboren. Wie das ganz zu Beginn abläuft, war bisher ein Rätsel.

Illustr.: NASA/JPL-Caltech

Die Keimzellen künftiger Planeten entstehen in sogenannten protoplanetaren Scheiben. Dabei handelt es sich im Grunde um Ansammlungen von Gas und Staub, die um die jungen Sterne kreisen. Nach der aktuell am besten belegten Theorie geht das folgendermaßen vor sich: Mikrometerkleine Straubkörner lagern sich aneinander, bilden größere Konglomerate und vereinen sich schließlich weiter zu sogenannten Planetesimalen, den eigentlichen Planetenkeimen. Sobald die Klumpen Durchmesser von einigen Metern erreicht haben, wirkt sich die Gravitation immer stärker aus und das Wachstum beschleunigte sich.

Bisher allerdings war eine Zwischenphase zu Beginn dieser Entwicklung weitgehend rätselhaft: Sind die Teilchen ein Millimeter oder größer, sollten sie eigentlich voneinander abprallen, was die weitere Zusammenballung verhindern würde. Nun aber könnten Physiker der Universität Duisburg-Essen (UDE) dieses Rätsel gelöst zu haben. In Experimenten konnten die Forscher nachweisen, dass sich die kollidierenden Staubkörner offenbar elektrisch aufladen und deswegen aneinander haften.

"Bouncing Barrier" bereitete Kopfzerbrechen

"Mehl bleibt an der Wand hängen, Sand nicht", erklärt Astrophysiker Gerhard Wurm von der UDE alltagsnah, wie man sich die Kollisionsbarriere von Teilchen vorstellen muss. Diese "Bouncing Barrier" in der Planetenentstehung treibt die Wissenschaft seit Jahrzehnten um. "Unbestritten ist, dass die Staubkörner, die in der protoplanetaren Scheibe zusammenstoßen, niemals direkt zu Aggregaten wachsen können, die größer als ein Millimeter sind. Dennoch kann hieraus in Millionen von Jahren ein Planet mit einem Ausmaß von 10.000 Kilometer werden. Wie geht das?"

Die Idee der Physiker: Elektrische Ladung könnte Haftung geben. Dadurch dass die Staubaggregate immer wieder kollidieren, laden sie sich verschiedentlich auf und ziehen sich dann gegenseitig an. "Ob das tatsächlich möglich ist, haben wir systematisch und in vielen Experimenten im Fallturm in Bremen untersucht. Die Partikelwolke haben wir durch millimetergroße Glaskugeln dargestellt und die Kugeln dann miteinander stoßen lassen", sagt Wurm. "Es war, wie wir vermutet haben: Sie haben sich positiv und negativ aufgeladen und bei den kleinen Geschwindigkeiten auch so stark, dass sie um mehrere Zentimeter gewachsen sind."

Lücke geschlossen

Allein auf die Experimente wollte sich das achtköpfige Team jedoch nicht verlassen. Also überprüften die Wissenschafter das Ganze durch Simulationen, wie sie im Fachjournal "Nature Physics" berichten. Nach fast zwei Jahren Forschung steht für die UDE-Physiker nun fest: Elektrische Ladung überwindet tatsächlich die Kollisionsbarriere. "Wir sind sicher, eine Lücke in der Planetenentstehung geschlossen zu haben", ist Wurm überzeugt. "Noch sind aber viele Fragen offen, etwa wie groß die Aggregate am Ende werden können oder welche Rolle die Mineralzusammensetzung und die verschiedenen Temperaturen in den Gas- und Staubscheiben dabei spielen." (red, 11.12.2019)