Gerade auch auf dem Land erwartet man sich Verbesserungen, da mehrmalige Zustellversuche Zeit und Autokilometer kosten.

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Kaum ein Problem beschäftigte die Transportwirtschaft in den vergangenen Jahren stärker als die Überwindung der sogenannten letzten Meile. Die weitgehende Umstellung auf den Onlinehandel verstopft die Straßen mit Lieferfahrzeugen, der Weg von den regionalen Verteilerzentren zu den Kunden wird zum Nadelöhr. Mehrfachzustellungen, weil Empfänger nicht anzutreffen sind, verringern die Effizienz und erhöhen die zurückgelegten Kilometer.

Mit den anhaltenden Zuwachszahlen im E-Commerce wird der Druck größer, die Schnittstelle zwischen Logistikern und Endverbrauchern besser zu gestalten. Städte ringen mit der Etablierung eines City-Logistik-Systems, das für mehr Flexibilität und Umweltfreundlichkeit sorgen soll. Ein Hindernis dabei ist, dass die etablierten Zusteller nur schwer zu Kooperationen zu bewegen sind. Denn gemeinsame Paket-Hubs und Lieferfahrten könnten die letzte Meile um einiges effizienter machen.

Last-Mile-Problematik

In diesem Spannungsfeld versucht das Projekt "alBox: Geschäftsmodell- und Dienstleistungspotenziale für flexible Güter- und Informationsflüsse im Paketsegment", das vom Klima- und Energiefonds gefördert wird, neue Akzente zu setzen.

Forscher des Studiengangs Logistik und Transportmanagement der FH des BFI Wien, des AIT (Austrian Institute of Technology) und der TU Wien verfolgen gemeinsam mit den Unternehmenspartnern Storebox und Variocube einen neuen Ansatz bei automatisierten Schließfachanlagen. Sie könnten zu einer Verbesserung der Last-Mile-Problematik beitragen.

Zusteller bieten zum Teil bereits jetzt rund um die Uhr zugängliche Schließfächer in Filialen als alternative Hinterlegungsstelle an. In alBox möchte man allerdings ein umsetzbares Konzept erproben, das unabhängig von den Paketdienstleistern funktioniert. "Die sogenannten White-Label-Abholstationen, die uns vorschweben, stehen allen offen.

Alle Paketdienstleister können hier ihre Sendungen hinterlegen", sagt Reinhold Schodl, der sich an der FH des BFI Wien mit dem Projekt beschäftigt. "Und nicht nur das: Neben dem Paketempfang sollen die Fächer auch vielen anderen Nutzungsmöglichkeiten offenstehen."

Idee einer Sharing Economy

Neben privaten Hinterlegungen jeder Art seien auch vielfältige Zusatzservices möglich – Putzereien könnten die gereinigte Wäsche hinterlegen, Zimmervermieter die Wohnungsschlüssel, zustellende Supermärkte einen individuellen Einkauf, der nach Dienstschluss entnommen wird. Zudem könnte die Idee einer Sharing Economy durch die Schließfächer neuen Schub bekommen.

Technisch ähnelt die Lösung den Schließfächern auf Bahnhöfen, allerdings kommt ein Kommunikationselement dazu: Sobald eine Hinterlegung erfolgt, wird ein SMS mit einem Zugangscode generiert, mit dem der Schließfachinhalt abgeholt werden kann. Sowohl Logistikdienstleister als auch Konsumenten könnten von einem derartigen Service profitieren.

"Bei der Übergabe der Pakete treffen die Standardisierten Prozesse der Logistiker auf die überhaupt nicht Standardisierten Prozesse der Konsumentinnen und Konsumenten. Mit den Schließfächern gewinnen die einen an Effizienz, die anderen an Flexibilität", erklärt Schodl. In der Praxis würden Nutzer bei einer Bestellung einfach die Adresse der automatisierten Abholstationen angeben.

Im Projekt versuchen die Forscher, herauszufinden, wie stark die Effekte in der Last-Mile-Situation sind. Bedarfslagen sollen abgeschätzt und mögliche Geschäftsmodelle verglichen werden. Zwei Teststationen wurden errichtet, einmal in einer Wohnhausanlage in Wien-Margareten und einmal am Hauptplatz der kleinen Ortschaft Kaumberg in Niederösterreich.

Gerade auch auf dem Land erwartet man sich Verbesserungen, da mehrmalige Zustellversuche Zeit und Autokilometer kosten. "Unsere Erfahrungen zeigen, dass die Akzeptanz an beiden Standorten durchaus hoch ist. Die Schließfächer werden rege benutzt", resümiert Schodl.

Testmarkt Wien

Bei der Frage, wer der Betreiber der automatisierten Abholstationen sein könnte, kommt Johannes Braith ins Spiel. Als Absolvent der FH des BFI Wien war er 2016 Mitgründer des Selfstorage-Anbieters Storebox, der mittlerweile über ein Netz von 90 Niederlassungen in 30 Städten im deutschsprachigen Raum verfügt und der ebenfalls im Projektkonsortium mit dabei ist.

Für ihn könnten sowohl Paketdienstleister, Endverbraucher als auch Immobilienentwickler oder Gemeinden Bereitschaft haben, für ein derartiges Service zu bezahlen. Ist ein Markt für das Angebot vorhanden, möchte das Unternehmen mit einer Umsetzung starten – beginnend mit Wien als Testmarkt. Barth: "Sobald das Kundenbedürfnis groß genug ist, wollen wir skalieren." (Alois Pumhösel, 16.12.2019)